DAS OSEBERGSCHIFF
Rankenverschlingungen der Kasteneckpfosten. Abbildung 9 zeigt die Kastenschmalwand,
die oben mit ähnlichen Wülsten und Ranken gerahmt ist wie die Eckpfosten. Die Füllung
wird besorgt in der oberen Fläche durch ein Rautennetz, dessen Stäbe gefiedert und
mit Metallknöpfen beschlagen sind. Darunter liegt, die Rauten füllend, ein anderes Netz,
das in glattem Schrägschnitt die einzelnen Glieder von Tierzieraten durcheinandergesteckt
zeigt. Dieser Schlittenkasten wirkt in seinen starken Gegensätzen von Licht und Schatten,
zu denen vielleicht einst noch Farben kamen, von allen Füllungen künstlerisch am
stärksten.
Mehr in derFläche gehalten ist die Ausstattung des Untergestelles dieses Schlittens, von dem
Abbildung 1 5 eine Einzelaufnahme gibt. Man werfe zunächst wieder einen Blick auf Abbil-
dung 10: wie feingliedrig die beiden von den breit auseinanderstehenden Kufen zum
Auflager emporstrebenden Stützen gebaut sind. Sie werden oben durch dreieckige
Stücke mit Tierdreipässen verspreizt und führen jene Rundung zu Ende, die von den
Kufen aufsteigt. Abbildung 1 5 zeigt nun die Strebe, die sich oben aus der breiten Fläche
der Kufe im rechten Winkel umlegt in einen nach vorn ausladenden Kopf. Der Übergang
ist durch eine kugelige Verdickung betont. Und nun die Zieraten. Die Flächen an der
Kufe sind mit größeren und kleineren zweistreifigen Kreisen gefüllt, die durchsetzt und zum
Teil aufgelöst werden vom seltsamsten Tierzierat. Man gehe aus von der Mitte, in deren
geschweifter, von dreistreifigen Bändern umrahmter Spitze sich Hals und Kopf eines
Tieres aufbäumen, dessen Körper man unten noch nach rechts unter den (durch einen
Ring verbundenen) Kreisen verfolgen zu können glaubt. Sonst begegnen als Füllung der
Kreise Teile von Tierkörpern. Auf der Spitze des Bogens sitzen seitlich und oben groteske
Menschenköpfe. Ein Muster geschmackvoller Zwecklösung, die auch auf reicheren Zierat
verzichten kann, ist endlich der mit Nägeln beschlagene Bügel oben. Die vornehme
Einfachheit dieser Ausstattung dürfte wohl verhüten, diesen Schätzen der Holzkunst
gegenüber mit dem Schlagworte »primitiv« herumzuwerfen.
Ich möchte auf das Abwägen der Wirkung von leeren und gefüllten Flächen etwas
Nachdruck legen. Die Griechen haben als erste diesen Formwert nach dem Süden ge-
bracht. Er äußert sich am Osebergfund am eindruckvollsten an den Deichseln, und zwar
sowohl an ihrem Ansatz wie an ihrem Ende.
Abbildung 16 gibt eine solche Deichsel mit dem gabeligen Anfänge, mit dem sie am
Fahrzeuge befestigt wurde. Man sieht von links her die glatten Flächen des Prismas
herankommen und mit einem Doppelbogen enden. Die glatten Randstreifen setzen sich
mit Bogen um in jene doppelt gefiederten Ovale, die, mit Knöpfen beschlagen, den
Grund des reichen Musters der Deichsel selbst bilden. Oben läuft die Kante des ur-
sprünglichen Prismas weiter in zwei Reihen von Holzknöpfen, in die noch Metallknöpfe
geschlagen sind. Man wird aber auf diesem Knopfstreifen in Abständen Tierköpfe
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Rankenverschlingungen der Kasteneckpfosten. Abbildung 9 zeigt die Kastenschmalwand,
die oben mit ähnlichen Wülsten und Ranken gerahmt ist wie die Eckpfosten. Die Füllung
wird besorgt in der oberen Fläche durch ein Rautennetz, dessen Stäbe gefiedert und
mit Metallknöpfen beschlagen sind. Darunter liegt, die Rauten füllend, ein anderes Netz,
das in glattem Schrägschnitt die einzelnen Glieder von Tierzieraten durcheinandergesteckt
zeigt. Dieser Schlittenkasten wirkt in seinen starken Gegensätzen von Licht und Schatten,
zu denen vielleicht einst noch Farben kamen, von allen Füllungen künstlerisch am
stärksten.
Mehr in derFläche gehalten ist die Ausstattung des Untergestelles dieses Schlittens, von dem
Abbildung 1 5 eine Einzelaufnahme gibt. Man werfe zunächst wieder einen Blick auf Abbil-
dung 10: wie feingliedrig die beiden von den breit auseinanderstehenden Kufen zum
Auflager emporstrebenden Stützen gebaut sind. Sie werden oben durch dreieckige
Stücke mit Tierdreipässen verspreizt und führen jene Rundung zu Ende, die von den
Kufen aufsteigt. Abbildung 1 5 zeigt nun die Strebe, die sich oben aus der breiten Fläche
der Kufe im rechten Winkel umlegt in einen nach vorn ausladenden Kopf. Der Übergang
ist durch eine kugelige Verdickung betont. Und nun die Zieraten. Die Flächen an der
Kufe sind mit größeren und kleineren zweistreifigen Kreisen gefüllt, die durchsetzt und zum
Teil aufgelöst werden vom seltsamsten Tierzierat. Man gehe aus von der Mitte, in deren
geschweifter, von dreistreifigen Bändern umrahmter Spitze sich Hals und Kopf eines
Tieres aufbäumen, dessen Körper man unten noch nach rechts unter den (durch einen
Ring verbundenen) Kreisen verfolgen zu können glaubt. Sonst begegnen als Füllung der
Kreise Teile von Tierkörpern. Auf der Spitze des Bogens sitzen seitlich und oben groteske
Menschenköpfe. Ein Muster geschmackvoller Zwecklösung, die auch auf reicheren Zierat
verzichten kann, ist endlich der mit Nägeln beschlagene Bügel oben. Die vornehme
Einfachheit dieser Ausstattung dürfte wohl verhüten, diesen Schätzen der Holzkunst
gegenüber mit dem Schlagworte »primitiv« herumzuwerfen.
Ich möchte auf das Abwägen der Wirkung von leeren und gefüllten Flächen etwas
Nachdruck legen. Die Griechen haben als erste diesen Formwert nach dem Süden ge-
bracht. Er äußert sich am Osebergfund am eindruckvollsten an den Deichseln, und zwar
sowohl an ihrem Ansatz wie an ihrem Ende.
Abbildung 16 gibt eine solche Deichsel mit dem gabeligen Anfänge, mit dem sie am
Fahrzeuge befestigt wurde. Man sieht von links her die glatten Flächen des Prismas
herankommen und mit einem Doppelbogen enden. Die glatten Randstreifen setzen sich
mit Bogen um in jene doppelt gefiederten Ovale, die, mit Knöpfen beschlagen, den
Grund des reichen Musters der Deichsel selbst bilden. Oben läuft die Kante des ur-
sprünglichen Prismas weiter in zwei Reihen von Holzknöpfen, in die noch Metallknöpfe
geschlagen sind. Man wird aber auf diesem Knopfstreifen in Abständen Tierköpfe
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