NIKOLAUS GERHAERT VON LEYDEN
die Augen fallend: die Stellung ist fast genau dieselbe; ebenso wie dort soll das reiche
Spiel der Falten der Dalmatika durch das Raffen derselben mit der rechten Hand, die
ein Buch mit zwei Steinen trägt, motiviert werden. In den Falten des Untergewandes
ein ähnliches Steigen, aber weniger straff, barocker als dort. Ähnlich, aber noch weiter-
gehend, ist hier die Vernachlässigung des Unterkörpers, wie überhaupt das Gewand gegen
den darin gehüllten Körper noch stärker verselbständigt erscheint und die Motivierung
der Faltenmotive einen viel allgemeineren Charakter trägt; manche Faltenzüge stehen
geradezu im Widerspruche mit der Körperstellung. Auch sind ruhige Flächen so gut
wie ganz vermieden, auch an der oberen Partie des Körpers; überall dringt der um-
gebende Raum auflösend in die Masse ein, wobei die Führung der Falten eine irrationale
rhythmische Bewegtheit in Licht und Dunkel erzeugt, wie wir sie erst wieder in der
Plastik des vollentwickelten Barocks antreffen können. Es ist möglich, daß zu dem Fort-
wirken der Art des Nikolaus auch Einwirkungen von der Holzschnitzkunst Michael
Pachers getreten sind; Einzelheiten wie die Haarbehandlung, die Liebe und das feine
Gefühl für ornamentale Details, wie sie in der Bordüre der Dalmatika zum Ausdruck
kommen, sprächen dafür. Ist die Laurentiusfigur um 147o anzusetzen, so diese Stephans-
figur im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts.
Offenbar vom gleichen Meister stammt die Figur des heiligen Sebastian am Bündelpfeiler
neben dem Pilgramchore im Innern des Domes. Die beiden eine Gabel bildenden Äste
des Baumes, an den der Märtyrer gefesselt ist, die Haltung der Arme, die vom Körper
möglichst weit abstehend gegeben sind, der hinter der Figur am Baume ausgebreitete
Mantel; alles das bewirkt die in der künstlerischen Absicht des Meisters liegende Auf-
lockerung der Masse, hier, wo sie infolge der gegenständlich bedingten Nacktheit des
Körpers an der Figur selbst nur in einem ganz beschränkten Maße möglich war. Die
Art, wie der Körper selbst gebaut ist, wäre undenkbar ohne das vorangegangene Wirken
des Nikolaus. Für die Zuschreibung an den Meister des heiligen Stephan spricht an
Einzelheiten besonders der Kopf mit dem etwas schematischen Gesichtsausdruck und
dem Lockenhaar, auch die Faltenbehandlung.
Noch weiter als dieser Meister geht der einer zweiten, kleineren, in die linke Ecke der
aus der Fassade vorspringenden Westportalanlage eingestellten Stephanfigur von 1500.
Sie ist stark barock gekrümmt, die Falten sind weniger zahlreich und schwerer, die
Tiefen noch stärker.
In die unmittelbare Nähe der Laurentiusfigur gehört eine dritte Figur des heiligen
Stephan und die des Apostels Paulus, beide am IBischofstor und vom selben Meister, der,
offenbar vom weichen Stile hergekommen, unter den Einfluß des Nikolaus geraten ist.
Gleichzeitig mit ihnen, aber das Werk eines anderen Bildhauers scheint die ausgezeichnete
Figur des heiligen Georg an der Nordostecke des Nordturmes zu sein (Abb. 10). Sie mißt
111
die Augen fallend: die Stellung ist fast genau dieselbe; ebenso wie dort soll das reiche
Spiel der Falten der Dalmatika durch das Raffen derselben mit der rechten Hand, die
ein Buch mit zwei Steinen trägt, motiviert werden. In den Falten des Untergewandes
ein ähnliches Steigen, aber weniger straff, barocker als dort. Ähnlich, aber noch weiter-
gehend, ist hier die Vernachlässigung des Unterkörpers, wie überhaupt das Gewand gegen
den darin gehüllten Körper noch stärker verselbständigt erscheint und die Motivierung
der Faltenmotive einen viel allgemeineren Charakter trägt; manche Faltenzüge stehen
geradezu im Widerspruche mit der Körperstellung. Auch sind ruhige Flächen so gut
wie ganz vermieden, auch an der oberen Partie des Körpers; überall dringt der um-
gebende Raum auflösend in die Masse ein, wobei die Führung der Falten eine irrationale
rhythmische Bewegtheit in Licht und Dunkel erzeugt, wie wir sie erst wieder in der
Plastik des vollentwickelten Barocks antreffen können. Es ist möglich, daß zu dem Fort-
wirken der Art des Nikolaus auch Einwirkungen von der Holzschnitzkunst Michael
Pachers getreten sind; Einzelheiten wie die Haarbehandlung, die Liebe und das feine
Gefühl für ornamentale Details, wie sie in der Bordüre der Dalmatika zum Ausdruck
kommen, sprächen dafür. Ist die Laurentiusfigur um 147o anzusetzen, so diese Stephans-
figur im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts.
Offenbar vom gleichen Meister stammt die Figur des heiligen Sebastian am Bündelpfeiler
neben dem Pilgramchore im Innern des Domes. Die beiden eine Gabel bildenden Äste
des Baumes, an den der Märtyrer gefesselt ist, die Haltung der Arme, die vom Körper
möglichst weit abstehend gegeben sind, der hinter der Figur am Baume ausgebreitete
Mantel; alles das bewirkt die in der künstlerischen Absicht des Meisters liegende Auf-
lockerung der Masse, hier, wo sie infolge der gegenständlich bedingten Nacktheit des
Körpers an der Figur selbst nur in einem ganz beschränkten Maße möglich war. Die
Art, wie der Körper selbst gebaut ist, wäre undenkbar ohne das vorangegangene Wirken
des Nikolaus. Für die Zuschreibung an den Meister des heiligen Stephan spricht an
Einzelheiten besonders der Kopf mit dem etwas schematischen Gesichtsausdruck und
dem Lockenhaar, auch die Faltenbehandlung.
Noch weiter als dieser Meister geht der einer zweiten, kleineren, in die linke Ecke der
aus der Fassade vorspringenden Westportalanlage eingestellten Stephanfigur von 1500.
Sie ist stark barock gekrümmt, die Falten sind weniger zahlreich und schwerer, die
Tiefen noch stärker.
In die unmittelbare Nähe der Laurentiusfigur gehört eine dritte Figur des heiligen
Stephan und die des Apostels Paulus, beide am IBischofstor und vom selben Meister, der,
offenbar vom weichen Stile hergekommen, unter den Einfluß des Nikolaus geraten ist.
Gleichzeitig mit ihnen, aber das Werk eines anderen Bildhauers scheint die ausgezeichnete
Figur des heiligen Georg an der Nordostecke des Nordturmes zu sein (Abb. 10). Sie mißt
111