VIKTOR LASAREFF
richtig zu verwerten, müssen unbedingt zwei darin vorkommende Ungenauigkeiten richtig-
gestellt werden. Erstens wurde das Bild Solimenas nicht von Henriquez (1732—1806)
sondern von Carmona gestochen (17 30 —1807)6 und zweitens hat Carmona das Porträt
des Königs von Spanien (Karls III.) nicht an Stelle desjenigen Karls V. sondern Lud-
wigs XIV. gesetzt, wie es der oben erwähnte zweite Brief Mariette's beweist. Scheinbar
war auch Stroganoff von jemandem auf dieselbe falsche Tradition geleitet worden, die
früher schon beim Grafen Caylus und im ersten Briefe von Mariette zum Vorschein
gekommen war, wobei er aus Versehen Philipp V. und Karl V. verwechselte Daß
Karl V. hier eine ebenso legendäre Rolle wie Philipp V. spielt, läßt sich unschwer
beweisen, besonders wenn man die Lebensjahre Karls V. in Betracht zieht, der 1558
starb. Denn da eine Glorifikation, derart wie sie im Solimena-Bild gegeben ist, bloß auf
eine lebende Persönlichkeit Bezug haben konnte, erscheint sie in Anwendung auf Karl V.
vollständig unsinnig. Scheinbar hat Stroganoff einfach den bei Caylus auftauchenden
sagenhaften Philipp V. mit dem nicht weniger sagenhaften Karl V. verwechselt. Zu-
gunsten einer solchen Lösung der Frage spricht auch die Tatsache, daß Karl V. bei
Stroganoff zum zweiten Male in demselben Zusammenhang erwähnt wird wie beim
Grafen Caylus Philipp V., das heißt im engsten Verhältnisse zum Stich und der darin
vorgekommenen Änderung.
Der auf diese VVeise von Ungenauigkeiten befreite Stroganoffsche Text wird uns hier
bei der Lösung des uns interessierenden Problems Aufschluß geben. Stroganoff behauptet,
daß der ursprüngliche Besitzer seines Bildes — ■ Bouret — an Stelle des Porträts Karls V.
dasjenige Ludwigs XV. angebracht hat. VVie wir oben bereits gesehen haben, ist dieser
Karl V. eine ebenso erfundene Gestalt wie der bei Caylus und im ersten Briefe Mariettes
genannte Philipp V. Folglich steht in der Stroganoffschen Aussage eine einzige glaub-
würdige Tatsache fest, nämlich das Vorhandensein des Porträts Ludwigs XV. auf dem
von Stroganoff gekauften Bilde. Dieses Bildnis aber war ebenfalls auf jenem Exemplar
vorhanden, von dem im zweiten Briefe Mariettes die Rede ist; dort wird behauptet, daß
»il padrone di esso (des Bildes) sopra quel ritratto (Ludwigs XIV.) ha fatto dipingere
la testa di Luigi XV«. Daher die unbestreitbare Identität des Stroganoffschen Exemplars
mit dem bei Caylus und Mariette erwähnten Solimena-Bilde, das von de Dominici genau
beschrieben worden war. Das Stroganoffsche Bild ist daher keine Replik, sondern das
Original selbst2.
1 Kein Wunder, daß Stroganoff diese Kupferstecher miteinander verwechselte, denn beide waren sie Schüler von Dupuis.
Henriquez hat niemals das Bild Solimenas gestochen, denn das beweist schon die Tatsache, daß nirgends darauf hingewiesen
wird, weder bei Portalis et Beraldi (Les graveurs du dix-huiti^me siecle II., S. 4°2 —4°8), noch bei Blanc (Manuel de
l'amateur d'estampes, II., S. 354) und bei Bovinsky (Lex. russ. Stecher, II., S. 1108— 1111), noch schließlich bei Nagler
(Neues allg. Künstler-Lexikon, VI, S. 106— 107). 2 Jetzt erst wird verständlich, weshalb Kutschera -Woborsky (op. cit.
S. 47) zugeben mußte, daß alle seine Bemühungen, die erste Version des Stroganoffschen Bildes zu finden, vergeblich wären.
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richtig zu verwerten, müssen unbedingt zwei darin vorkommende Ungenauigkeiten richtig-
gestellt werden. Erstens wurde das Bild Solimenas nicht von Henriquez (1732—1806)
sondern von Carmona gestochen (17 30 —1807)6 und zweitens hat Carmona das Porträt
des Königs von Spanien (Karls III.) nicht an Stelle desjenigen Karls V. sondern Lud-
wigs XIV. gesetzt, wie es der oben erwähnte zweite Brief Mariette's beweist. Scheinbar
war auch Stroganoff von jemandem auf dieselbe falsche Tradition geleitet worden, die
früher schon beim Grafen Caylus und im ersten Briefe von Mariette zum Vorschein
gekommen war, wobei er aus Versehen Philipp V. und Karl V. verwechselte Daß
Karl V. hier eine ebenso legendäre Rolle wie Philipp V. spielt, läßt sich unschwer
beweisen, besonders wenn man die Lebensjahre Karls V. in Betracht zieht, der 1558
starb. Denn da eine Glorifikation, derart wie sie im Solimena-Bild gegeben ist, bloß auf
eine lebende Persönlichkeit Bezug haben konnte, erscheint sie in Anwendung auf Karl V.
vollständig unsinnig. Scheinbar hat Stroganoff einfach den bei Caylus auftauchenden
sagenhaften Philipp V. mit dem nicht weniger sagenhaften Karl V. verwechselt. Zu-
gunsten einer solchen Lösung der Frage spricht auch die Tatsache, daß Karl V. bei
Stroganoff zum zweiten Male in demselben Zusammenhang erwähnt wird wie beim
Grafen Caylus Philipp V., das heißt im engsten Verhältnisse zum Stich und der darin
vorgekommenen Änderung.
Der auf diese VVeise von Ungenauigkeiten befreite Stroganoffsche Text wird uns hier
bei der Lösung des uns interessierenden Problems Aufschluß geben. Stroganoff behauptet,
daß der ursprüngliche Besitzer seines Bildes — ■ Bouret — an Stelle des Porträts Karls V.
dasjenige Ludwigs XV. angebracht hat. VVie wir oben bereits gesehen haben, ist dieser
Karl V. eine ebenso erfundene Gestalt wie der bei Caylus und im ersten Briefe Mariettes
genannte Philipp V. Folglich steht in der Stroganoffschen Aussage eine einzige glaub-
würdige Tatsache fest, nämlich das Vorhandensein des Porträts Ludwigs XV. auf dem
von Stroganoff gekauften Bilde. Dieses Bildnis aber war ebenfalls auf jenem Exemplar
vorhanden, von dem im zweiten Briefe Mariettes die Rede ist; dort wird behauptet, daß
»il padrone di esso (des Bildes) sopra quel ritratto (Ludwigs XIV.) ha fatto dipingere
la testa di Luigi XV«. Daher die unbestreitbare Identität des Stroganoffschen Exemplars
mit dem bei Caylus und Mariette erwähnten Solimena-Bilde, das von de Dominici genau
beschrieben worden war. Das Stroganoffsche Bild ist daher keine Replik, sondern das
Original selbst2.
1 Kein Wunder, daß Stroganoff diese Kupferstecher miteinander verwechselte, denn beide waren sie Schüler von Dupuis.
Henriquez hat niemals das Bild Solimenas gestochen, denn das beweist schon die Tatsache, daß nirgends darauf hingewiesen
wird, weder bei Portalis et Beraldi (Les graveurs du dix-huiti^me siecle II., S. 4°2 —4°8), noch bei Blanc (Manuel de
l'amateur d'estampes, II., S. 354) und bei Bovinsky (Lex. russ. Stecher, II., S. 1108— 1111), noch schließlich bei Nagler
(Neues allg. Künstler-Lexikon, VI, S. 106— 107). 2 Jetzt erst wird verständlich, weshalb Kutschera -Woborsky (op. cit.
S. 47) zugeben mußte, daß alle seine Bemühungen, die erste Version des Stroganoffschen Bildes zu finden, vergeblich wären.
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