HILDEBRANDTS ENTWÜRFE FÜR DAS WIENER BELVEDERE
plastischen Schmuckes. Der Entwurf für die Torgruppe gibt in einem nur an dieser
Zeichnung nachweisbaren Beispiel alle Stadien der Arbeit: von der in lebendigster,
tastend vorfühlender Bleistiftskizzierung gegebenen Trophäengruppe am äußeren Mauer-
pfeiler, von der in zaghaften Tuschlinien sich versuchenden Erfindung der Kurven des
Gitterwerks und dem impressionistisch-sprühenden Lineament der Pfeilervasen bis zu
den vollkommen gerundeten Teilen der Hauptpfeilergruppe mit dem bekrönenden
Löwen, die, um das Plastische herauszuarbeiten, in lichtem Grau angetuscht sind. Und
diese ganz persönlich und frei hingeschriebenen Elemente —- sie wiederholen sich un-
verändert auf dem großen Aufrißplan der Gartenseite des Schlosses — erweisen ihre
völlige Identität mit der zeichnerischen Handschrift aufHildebrandts sicheren Entwürfen.
Dazu kommt, jede Möglichkeit einer Nachzeichnung ausschließend, daß trotz der Über-
einstimmung in den allgemeinsten Zügen mit dem heutigen Baubestand die Proportions-
verhältnisse in den Zeichnungen noch nicht die letzte Ausgeglichenheit und Vollendung
der endgültigen Architekturerscheinung zeigen. Die beiden das Haupttor rahmenden
Pfeiler wurden in der Ausführung breiter, sodaß die Seitentore zu schmalen Neben-
pforten sich verengen, die, eingequetscht in den Mauerkörper, die bekrönenden Gitter-
aufsätze steil emportreiben. Und auf dem Aufrißplan der Schloßfront ringt Hildebrandt
um den Ausgleich von Dachhöhe und horizontaler Dehnung der Dacheinheiten. Noch
sind die Mansartdächer steil aufsteigend, hoch und in ihrer Gesamtform altertümlich
schwer. Die Brechungslinie der drei mittleren Pavillondächer führt über den Scheitel
der Statuen- und VVaffengruppen hin und im betonten Vertikalismus steigen die Dach-
gauben, alternierend mit ihnen, an die Dachhorizontale empor. Die Schloßsilhouette
zeigt die Dächer niedriger und seitlich ungleich flacher ansteigend, sodaß der horizontale
Charakter der Gesamtheit des Baues viel wesentlicher betont erscheint. Eine entwickeltere
und überlegenere Ausgleichskunst faßt das Fallen der Dächer von dem Zentrum nach
außen zur letzten Aufwellung in den Turmkuppeln in einem einheitlichen, klingen-
den Rhythmus zusammen. Dies ist das Wesentliche. Kleinere Differenzen zwischen
Entwurf und Bau sind zahlreich nachweisbar: von der Verringerung der Dachgauben
an den mittleren Pavillons und an den Eckkuppeln, von der Schließung der Arkaden-
bogen im Erdgeschoß an den äußeren Pavillonflügeln und der Rundbogentore der Turm-
oktogons, von dem Fortfallen der über den Torachsen projektierten Balustradenpfeiler
am Balkon vor dem Mittelpavillon bis zu der von Hildebrandt auf der Zeichnung im-
provisierten Figur eines Mannes, die sich über die Dachbalustrade des äußeren
Verbindungspavillons lehnt. Sowohl in der weitreichenden Öffnung des Erdgeschosses
wie in der Sprossenteilung der Fenster der gesamten Front gibt der Entwurf den ur-
sprünglichen Zustand des Schlosses, der durch eine Grundrißprojektion der Fassade
ergänzt wird. Die Entwürfe sind um das Jahr 1720 entstanden.
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plastischen Schmuckes. Der Entwurf für die Torgruppe gibt in einem nur an dieser
Zeichnung nachweisbaren Beispiel alle Stadien der Arbeit: von der in lebendigster,
tastend vorfühlender Bleistiftskizzierung gegebenen Trophäengruppe am äußeren Mauer-
pfeiler, von der in zaghaften Tuschlinien sich versuchenden Erfindung der Kurven des
Gitterwerks und dem impressionistisch-sprühenden Lineament der Pfeilervasen bis zu
den vollkommen gerundeten Teilen der Hauptpfeilergruppe mit dem bekrönenden
Löwen, die, um das Plastische herauszuarbeiten, in lichtem Grau angetuscht sind. Und
diese ganz persönlich und frei hingeschriebenen Elemente —- sie wiederholen sich un-
verändert auf dem großen Aufrißplan der Gartenseite des Schlosses — erweisen ihre
völlige Identität mit der zeichnerischen Handschrift aufHildebrandts sicheren Entwürfen.
Dazu kommt, jede Möglichkeit einer Nachzeichnung ausschließend, daß trotz der Über-
einstimmung in den allgemeinsten Zügen mit dem heutigen Baubestand die Proportions-
verhältnisse in den Zeichnungen noch nicht die letzte Ausgeglichenheit und Vollendung
der endgültigen Architekturerscheinung zeigen. Die beiden das Haupttor rahmenden
Pfeiler wurden in der Ausführung breiter, sodaß die Seitentore zu schmalen Neben-
pforten sich verengen, die, eingequetscht in den Mauerkörper, die bekrönenden Gitter-
aufsätze steil emportreiben. Und auf dem Aufrißplan der Schloßfront ringt Hildebrandt
um den Ausgleich von Dachhöhe und horizontaler Dehnung der Dacheinheiten. Noch
sind die Mansartdächer steil aufsteigend, hoch und in ihrer Gesamtform altertümlich
schwer. Die Brechungslinie der drei mittleren Pavillondächer führt über den Scheitel
der Statuen- und VVaffengruppen hin und im betonten Vertikalismus steigen die Dach-
gauben, alternierend mit ihnen, an die Dachhorizontale empor. Die Schloßsilhouette
zeigt die Dächer niedriger und seitlich ungleich flacher ansteigend, sodaß der horizontale
Charakter der Gesamtheit des Baues viel wesentlicher betont erscheint. Eine entwickeltere
und überlegenere Ausgleichskunst faßt das Fallen der Dächer von dem Zentrum nach
außen zur letzten Aufwellung in den Turmkuppeln in einem einheitlichen, klingen-
den Rhythmus zusammen. Dies ist das Wesentliche. Kleinere Differenzen zwischen
Entwurf und Bau sind zahlreich nachweisbar: von der Verringerung der Dachgauben
an den mittleren Pavillons und an den Eckkuppeln, von der Schließung der Arkaden-
bogen im Erdgeschoß an den äußeren Pavillonflügeln und der Rundbogentore der Turm-
oktogons, von dem Fortfallen der über den Torachsen projektierten Balustradenpfeiler
am Balkon vor dem Mittelpavillon bis zu der von Hildebrandt auf der Zeichnung im-
provisierten Figur eines Mannes, die sich über die Dachbalustrade des äußeren
Verbindungspavillons lehnt. Sowohl in der weitreichenden Öffnung des Erdgeschosses
wie in der Sprossenteilung der Fenster der gesamten Front gibt der Entwurf den ur-
sprünglichen Zustand des Schlosses, der durch eine Grundrißprojektion der Fassade
ergänzt wird. Die Entwürfe sind um das Jahr 1720 entstanden.
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