AUGUST SCHMARSOW
veröffentlicht hatte, indem ich mich auf den Wortlaut einer Beschreibung bei Vasari
berief (Abb. 6).
Die Künstlerbiographie, in der genau der Standort des dreigliedrigen Altarwerks mit
der heiligen Katharina als Gegenstück, und zwar in Santa Maria Maggiore zu Florenz,
»zunächst der Tür, die nach San Giovanni zu führt,« also nach der Seite, wo das Bap-
tisterium liegt, ist nicht die des Masolino da Panicale, den wir aus Urkunden als Tom-
maso di Cristofano Fini kennen gelernt haben, sondern vielmehr die des Masaccio, die
unmittelbar auf die des kleinen, lieben Maso folgt, der auch der ältere von beiden war.
Es handelt sich also um den »Begründer des klassischen Stils in der italienischen Malerei«,
wie der Gesamttitel meiner 1895 bis 1899 in fünf Heften herausgegebenen »Masaccio-
Studien« lautet, in denen auch Masolino ausführlich behandelt wurde und alle damals
bekannten Werke beider Maler zusammengestellt sind. (Kassel, Fisher.)
Schon als die bis dabin unerkannte Predella in Montauban in der letzten Lieferung des
Werkes dargeboten war, wunderte ich mich, daß die Kritiker nicht schnell bei der
Hand waren, die nahe Verwandtschaft mit dem frühen Altärchen aus Santa Maria
Maggiore in Rom, jetzt im Museum von Neapel, hervorzuheben, und ebenso, wie dies
kleine Prachtstück fast miniaturartiger Feinmalerei, gleichfalls für Masolino in Anspruch
zu nehmen, wie es jetzt noch 1923 (Dedalo X) durch B. Berenson geschehen ist. Das
gebot auch die Folgerichtigkeit des kritischen Verfahrens moderner Kenner mit den
unbezeichneten und nur nach dem Stil bestimmbaren Beispielen, die auf uns gekommen
sind. Aber es ist doch etwas anderes, wo die Überlieferung der Schriftquellen einer so radi-
kalen Methode gegenübersteht. Nur die ausführliche Beschreibung des Altarwerkes
mitten in Florenz bei Vasari wird die Ursache gewesen sein, daß man die Predella im
Musee Ingres zu Montauban so lange hingenommen hat, als das übrige Ganze für ver-
loren galt. Sagte doch Fr. Albertini schon 1510 in seinem Memoriale über die Kunst-
schätze in Florenz bei »Sancta Maria maiore,« darin sei »una tavola di Masaccio« vor-
handen, setzte jedoch hinzu: »la predella et l'archo di sopra e di Paolo Uccello« und
bestimmte auch den Standort, wo dies zu suchen sei: »appresso al quale e il tabernacolo
di Andrea« das heißt del Castagno. Demgegenüber klingt die Bemerkung Vasaris, der die
kleinfigurigen Bilder als Martyrium der heiligen Katharina, als Anbetung der Könige
unter dem Mittelbild, und als Mordtat des Julian namhaft macht, fast wie eine Antwort
auf Albertinis abweichende Angabe, sie seien »alle in der einfachen Darstellungsweise
geschildert, wie es gerade ihm (das heißt Masaccio) eigentümlich war.« »Gerade ihm
eigentümlich,« also wie ein wohlvertrautes Erkennungszeichen in den Augen des
besten Kenners der Quattrocentokunst in Florenz, steht das da, bewußt und betont
gegenüber anderer Namengebung, das ist deutlich. Damit aber kommen wir zu
der Kehrseite der glücklichen Entdeckung vom Herbst 1922. Pietro Toesca bekennt
146
veröffentlicht hatte, indem ich mich auf den Wortlaut einer Beschreibung bei Vasari
berief (Abb. 6).
Die Künstlerbiographie, in der genau der Standort des dreigliedrigen Altarwerks mit
der heiligen Katharina als Gegenstück, und zwar in Santa Maria Maggiore zu Florenz,
»zunächst der Tür, die nach San Giovanni zu führt,« also nach der Seite, wo das Bap-
tisterium liegt, ist nicht die des Masolino da Panicale, den wir aus Urkunden als Tom-
maso di Cristofano Fini kennen gelernt haben, sondern vielmehr die des Masaccio, die
unmittelbar auf die des kleinen, lieben Maso folgt, der auch der ältere von beiden war.
Es handelt sich also um den »Begründer des klassischen Stils in der italienischen Malerei«,
wie der Gesamttitel meiner 1895 bis 1899 in fünf Heften herausgegebenen »Masaccio-
Studien« lautet, in denen auch Masolino ausführlich behandelt wurde und alle damals
bekannten Werke beider Maler zusammengestellt sind. (Kassel, Fisher.)
Schon als die bis dabin unerkannte Predella in Montauban in der letzten Lieferung des
Werkes dargeboten war, wunderte ich mich, daß die Kritiker nicht schnell bei der
Hand waren, die nahe Verwandtschaft mit dem frühen Altärchen aus Santa Maria
Maggiore in Rom, jetzt im Museum von Neapel, hervorzuheben, und ebenso, wie dies
kleine Prachtstück fast miniaturartiger Feinmalerei, gleichfalls für Masolino in Anspruch
zu nehmen, wie es jetzt noch 1923 (Dedalo X) durch B. Berenson geschehen ist. Das
gebot auch die Folgerichtigkeit des kritischen Verfahrens moderner Kenner mit den
unbezeichneten und nur nach dem Stil bestimmbaren Beispielen, die auf uns gekommen
sind. Aber es ist doch etwas anderes, wo die Überlieferung der Schriftquellen einer so radi-
kalen Methode gegenübersteht. Nur die ausführliche Beschreibung des Altarwerkes
mitten in Florenz bei Vasari wird die Ursache gewesen sein, daß man die Predella im
Musee Ingres zu Montauban so lange hingenommen hat, als das übrige Ganze für ver-
loren galt. Sagte doch Fr. Albertini schon 1510 in seinem Memoriale über die Kunst-
schätze in Florenz bei »Sancta Maria maiore,« darin sei »una tavola di Masaccio« vor-
handen, setzte jedoch hinzu: »la predella et l'archo di sopra e di Paolo Uccello« und
bestimmte auch den Standort, wo dies zu suchen sei: »appresso al quale e il tabernacolo
di Andrea« das heißt del Castagno. Demgegenüber klingt die Bemerkung Vasaris, der die
kleinfigurigen Bilder als Martyrium der heiligen Katharina, als Anbetung der Könige
unter dem Mittelbild, und als Mordtat des Julian namhaft macht, fast wie eine Antwort
auf Albertinis abweichende Angabe, sie seien »alle in der einfachen Darstellungsweise
geschildert, wie es gerade ihm (das heißt Masaccio) eigentümlich war.« »Gerade ihm
eigentümlich,« also wie ein wohlvertrautes Erkennungszeichen in den Augen des
besten Kenners der Quattrocentokunst in Florenz, steht das da, bewußt und betont
gegenüber anderer Namengebung, das ist deutlich. Damit aber kommen wir zu
der Kehrseite der glücklichen Entdeckung vom Herbst 1922. Pietro Toesca bekennt
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