BRUNO GRIMSCHITZ
kämpfte gegen den Umweg. Waldmüller forderte das Ziel: die neue Autonomie des
künstlerischen Faktums. Er formulierte die Anschauung, die künstlerische Wahrheit
und Sachlichkeit als das Fundamentale jeder künstlerischen Selbständigkeit mit einem
Radikalismus wie keiner unter den deutschen Künstlern. Seine malerischen Dokumente
gaben ihr die sichtbare Form. Und darüber hinaus, methodisch für die Akademie erweitert,
für die vaterländische Kunst, forderten sie seine Schriften. — »Die Eigentümlichkeit
griechischer Kunst kann nie jene unserer Zeit werden. Dasselbe ist der Fall mit der
mittelalterlichen Darstellungsweise«. Und die Absage an alle Tradition, anlmitation und
Plagiat und Manier wird in der höhnischen Frage an das zeitgenössische Professorentum:
»Auf welchen Akademien wurden denn die klassischen Alten gebildet? Nach welchen Vor-
legeblättern, nach welchen Antiken studierten denn sie?« zum Angriff. Waldmüller, selbst
Professor an der Wiener Akademie, führt diesen Angriff gegen die Akademien, ohne das
Groteske seiner Situation zu erkennen. Im Gegenteil: der Widerstand der Offiziellen
holt aus dem Ethos des Bedrängten, das sich über alles hinaus ein höheres Ideal der
künstlerischen Wahrheit konstituiert hatte, immer weitere Konsequenzen. In der ersten
Streitschrift verlangt VValdmüller eine Reform des akademischen Kunstunterrichtes. Zehn
Jahre später geht die Forderung um die Aufhebung aller im Staate befindlichen Aka-
demien. Der »Naturalist« aber bleibt mit seiner programmatischen Forderung einer neuen
Wirklichkeitskunst allein, so leidenschaftlich er sich für sie auch mit der letzten Rück-
sichtslosigkeit gegen sich selbst einsetzt. Die Öffentlichkeit entledigt sich der vernichtenden
Argumente des Frondeurs mit seiner strafweisen Pensionierung. Mit dem Raub seiner
sozialen Stellung, seiner gesellschaftlichen Legitimation. Das ist die eine Seite: die Tragik
des menschlichen Schicksales Waldmüllers. Aber für die überpersönliche Bedeutung seiner
künstlerischen Tat entscheidet die Frage: wie weit war die so extrem geforderte Sach-
lichkeit Zeitschicksal, Grundlage einer allgemeinen künstlerischen Bewegung? Wie weit
erhob sie sich in Waldmüllers persönlicher Leistung zu neuen Ausdruckswerten, zu
neuen Verwirklichungen eines modern-bürgerlichen Stils? VValdmüller hat jede Bindung
an das malerische Erbe der Vergangenheit abgelehnt; er hat in späteren Jahren die
radikale Absage auf seine eigene künstlerische Jugend ausgedehnt. Der Maler, der im
Jahre 1827 voll Ehrfurcht in Dresden Ruysdaels Judenfriedhof kopierte, verurteilte
Jahrzehnte später nicht nur den ergebnislosen Wert des Kopierens als zweifelhafte
Bereicherung des eigenen Könnens, sondern er verurteilte auch das Original. VValdmüller
verwies auf die Natur. Ausschließlich und immer wieder. Und sosehr die theoretische
Forderung traditionslos die originale Schöpferkraft aufrief, die malerischen Verwirk-
lichungen fügen sich organisch in den Fluß der Entwicklung. Es ergibt sich das Paradoxe:
daß gerade die radikalste Abkehr, die leidenschaftlichste Proklamation einer voraus-
setzungslosen Unabhängigkeit immanent die inneren Werte der künstlerischen Tradition
kämpfte gegen den Umweg. Waldmüller forderte das Ziel: die neue Autonomie des
künstlerischen Faktums. Er formulierte die Anschauung, die künstlerische Wahrheit
und Sachlichkeit als das Fundamentale jeder künstlerischen Selbständigkeit mit einem
Radikalismus wie keiner unter den deutschen Künstlern. Seine malerischen Dokumente
gaben ihr die sichtbare Form. Und darüber hinaus, methodisch für die Akademie erweitert,
für die vaterländische Kunst, forderten sie seine Schriften. — »Die Eigentümlichkeit
griechischer Kunst kann nie jene unserer Zeit werden. Dasselbe ist der Fall mit der
mittelalterlichen Darstellungsweise«. Und die Absage an alle Tradition, anlmitation und
Plagiat und Manier wird in der höhnischen Frage an das zeitgenössische Professorentum:
»Auf welchen Akademien wurden denn die klassischen Alten gebildet? Nach welchen Vor-
legeblättern, nach welchen Antiken studierten denn sie?« zum Angriff. Waldmüller, selbst
Professor an der Wiener Akademie, führt diesen Angriff gegen die Akademien, ohne das
Groteske seiner Situation zu erkennen. Im Gegenteil: der Widerstand der Offiziellen
holt aus dem Ethos des Bedrängten, das sich über alles hinaus ein höheres Ideal der
künstlerischen Wahrheit konstituiert hatte, immer weitere Konsequenzen. In der ersten
Streitschrift verlangt VValdmüller eine Reform des akademischen Kunstunterrichtes. Zehn
Jahre später geht die Forderung um die Aufhebung aller im Staate befindlichen Aka-
demien. Der »Naturalist« aber bleibt mit seiner programmatischen Forderung einer neuen
Wirklichkeitskunst allein, so leidenschaftlich er sich für sie auch mit der letzten Rück-
sichtslosigkeit gegen sich selbst einsetzt. Die Öffentlichkeit entledigt sich der vernichtenden
Argumente des Frondeurs mit seiner strafweisen Pensionierung. Mit dem Raub seiner
sozialen Stellung, seiner gesellschaftlichen Legitimation. Das ist die eine Seite: die Tragik
des menschlichen Schicksales Waldmüllers. Aber für die überpersönliche Bedeutung seiner
künstlerischen Tat entscheidet die Frage: wie weit war die so extrem geforderte Sach-
lichkeit Zeitschicksal, Grundlage einer allgemeinen künstlerischen Bewegung? Wie weit
erhob sie sich in Waldmüllers persönlicher Leistung zu neuen Ausdruckswerten, zu
neuen Verwirklichungen eines modern-bürgerlichen Stils? VValdmüller hat jede Bindung
an das malerische Erbe der Vergangenheit abgelehnt; er hat in späteren Jahren die
radikale Absage auf seine eigene künstlerische Jugend ausgedehnt. Der Maler, der im
Jahre 1827 voll Ehrfurcht in Dresden Ruysdaels Judenfriedhof kopierte, verurteilte
Jahrzehnte später nicht nur den ergebnislosen Wert des Kopierens als zweifelhafte
Bereicherung des eigenen Könnens, sondern er verurteilte auch das Original. VValdmüller
verwies auf die Natur. Ausschließlich und immer wieder. Und sosehr die theoretische
Forderung traditionslos die originale Schöpferkraft aufrief, die malerischen Verwirk-
lichungen fügen sich organisch in den Fluß der Entwicklung. Es ergibt sich das Paradoxe:
daß gerade die radikalste Abkehr, die leidenschaftlichste Proklamation einer voraus-
setzungslosen Unabhängigkeit immanent die inneren Werte der künstlerischen Tradition