VORLÄUFER DER KLASSIZISTISCHEN SKULPTUR
über einen Besuch Josephs II. in der Akademie heißt es: »Unter den Werken Hagenauers
vergnügte Seine römische kaiserliche Majestät besonders die unvermutete Erblickung
Allerhöchst dero sehr gut ausgefallenen Bildung in römischer Kleidung in Lebens-
größe...« nach Hermann Burg, Der Bildhauer Franz Anton Zauner und seine
Zeit, Wien 1915, S. 94, wo auch Statuetten Joseph II. von Grassi und Zauner
abgebildet sind.
Nur um wenige Jahre später dürften die beiden Bleireliefs mit den Orestesszenen
entstanden sein, die aus dem Österreichischen Museum übernommen wurden. Ich habe
sie früher einmal (Kunstchronik Nr. 4/5, 22./29. Oktober 1920) als Arbeiten Johann
Martin Fischers veröffentlicht. Im Katalog der Akademieausstellung von 1786 wird ein
Gipsrelief Fischers unter Nr. 10: »Orest, wie er, von Furien geplagt, von seinem Freund
Pylades aufgerichtet wird«, beschrieben. Obzwar das Gegenständliche nicht eindeutig
auf das (überhaupt ikonographisch unklare) eine Relief (Katalog Nr. 109) passen will,
möchte ich doch nach den übereinstimmenden Maßen (Höhe 1'6 Schuh, Breite 2'6 Schuh,
beziehungsweise Höhe 0'44 /72, Breite 0'85 772), die Identifikation aufrechthalten. Danach
könnte das zweite Relief (Abb. 2) mit der Pendantszene bald darauf gearbeitet und
beide Stücke in Blei gegossen worden sein. Wenn ich meinen Aufsatz in der Kunst-
chronik überlese, muß ich mich über die Fülle von Kenntnissen, die ich damals vor-
führen, und von Scharfsinn, den ich entwickeln konnte, freuen — leider aber ist die
Lösung, zu der ich kam (die Zuschreibung an Fischer, bei der ich bleibe, ausgenommen),
nicht richtig, bedarf wenigstens einer Ergänzung. Denn wenn ich auch nachweisen konnte,
daß die Forderung des literarischen Beirates der Wiener Akademie, Josef von Sonnenfels,
nach einer Erneuerung der abgebrauchten Themen nur in der Weise erfüllt wurde, daß
statt der althergebrachten Ikonologien neuhergestellte verwendet wurden, so hätte ich
diese Umsetzung einer ideellenTheorie in die leid ige Praxis aucl1 auf die formale Erscheinung
ausdehnen müssen. Ebenso wie Winckelmanns »Versuch einer Allegorie, besonders für
die Kunst« (Dresden 1766) den alten Ripa oder Boudard ersetzten, war auch die künst-
lerische Gestaltung nicht aus der Phantasie des Künstlers gewachsen, sondern dem neu-
e rschlossenen, in unserem Fall sogar von Winckelmann erschlossenen Schatz der Antike
entnommen. Der Münchner Sarkophag mit Darstellungen der Orestessage enthält in
seiner linken Hälfte, die bei Winckelmann, Monumenta inedita, 1767, p. 149, abgebildet
ist, die Szene mit den gefangenen Orest und Pylades in Tauris genau in derselben
Anordnung, mit demselben Verhältnis zum Raum, in allen Motiven, bis ins kleinste
Detail übereinstimmend — wie Fischers Relief. Es ist übrigens eine typische Darstellung;
ein Relief in der Villa Albani, das Agostino Veneziano gestochen hat, wiederholt mit
geringen Varianten und in den Verhältnissen ein wenig verändert die Komposition.
Für die andere Darstellung haben wir in der Antike kein Vorbild; die geflügelte Frau,
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über einen Besuch Josephs II. in der Akademie heißt es: »Unter den Werken Hagenauers
vergnügte Seine römische kaiserliche Majestät besonders die unvermutete Erblickung
Allerhöchst dero sehr gut ausgefallenen Bildung in römischer Kleidung in Lebens-
größe...« nach Hermann Burg, Der Bildhauer Franz Anton Zauner und seine
Zeit, Wien 1915, S. 94, wo auch Statuetten Joseph II. von Grassi und Zauner
abgebildet sind.
Nur um wenige Jahre später dürften die beiden Bleireliefs mit den Orestesszenen
entstanden sein, die aus dem Österreichischen Museum übernommen wurden. Ich habe
sie früher einmal (Kunstchronik Nr. 4/5, 22./29. Oktober 1920) als Arbeiten Johann
Martin Fischers veröffentlicht. Im Katalog der Akademieausstellung von 1786 wird ein
Gipsrelief Fischers unter Nr. 10: »Orest, wie er, von Furien geplagt, von seinem Freund
Pylades aufgerichtet wird«, beschrieben. Obzwar das Gegenständliche nicht eindeutig
auf das (überhaupt ikonographisch unklare) eine Relief (Katalog Nr. 109) passen will,
möchte ich doch nach den übereinstimmenden Maßen (Höhe 1'6 Schuh, Breite 2'6 Schuh,
beziehungsweise Höhe 0'44 /72, Breite 0'85 772), die Identifikation aufrechthalten. Danach
könnte das zweite Relief (Abb. 2) mit der Pendantszene bald darauf gearbeitet und
beide Stücke in Blei gegossen worden sein. Wenn ich meinen Aufsatz in der Kunst-
chronik überlese, muß ich mich über die Fülle von Kenntnissen, die ich damals vor-
führen, und von Scharfsinn, den ich entwickeln konnte, freuen — leider aber ist die
Lösung, zu der ich kam (die Zuschreibung an Fischer, bei der ich bleibe, ausgenommen),
nicht richtig, bedarf wenigstens einer Ergänzung. Denn wenn ich auch nachweisen konnte,
daß die Forderung des literarischen Beirates der Wiener Akademie, Josef von Sonnenfels,
nach einer Erneuerung der abgebrauchten Themen nur in der Weise erfüllt wurde, daß
statt der althergebrachten Ikonologien neuhergestellte verwendet wurden, so hätte ich
diese Umsetzung einer ideellenTheorie in die leid ige Praxis aucl1 auf die formale Erscheinung
ausdehnen müssen. Ebenso wie Winckelmanns »Versuch einer Allegorie, besonders für
die Kunst« (Dresden 1766) den alten Ripa oder Boudard ersetzten, war auch die künst-
lerische Gestaltung nicht aus der Phantasie des Künstlers gewachsen, sondern dem neu-
e rschlossenen, in unserem Fall sogar von Winckelmann erschlossenen Schatz der Antike
entnommen. Der Münchner Sarkophag mit Darstellungen der Orestessage enthält in
seiner linken Hälfte, die bei Winckelmann, Monumenta inedita, 1767, p. 149, abgebildet
ist, die Szene mit den gefangenen Orest und Pylades in Tauris genau in derselben
Anordnung, mit demselben Verhältnis zum Raum, in allen Motiven, bis ins kleinste
Detail übereinstimmend — wie Fischers Relief. Es ist übrigens eine typische Darstellung;
ein Relief in der Villa Albani, das Agostino Veneziano gestochen hat, wiederholt mit
geringen Varianten und in den Verhältnissen ein wenig verändert die Komposition.
Für die andere Darstellung haben wir in der Antike kein Vorbild; die geflügelte Frau,
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