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Amtsbezirk Weinheim [Hrsg.]
Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim (5): Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim — 1853

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https://doi.org/10.11588/diglit.42484#0145
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Der

Bergsträßer Bote.
Amts- und Verkündigungsblatt für das Bezirksamt Weinheim.
Fünfter Jahrgang.

H 3«. Weinheim, den 11. Mai L8LS

Die Mafsenarmuth.
(Karlsruher Zeituug.)
Eine der traurigsten Erscheinungen unserer Zeit
ist ohne Zweifel die stets fortschreitende Verarmung.
Der Klagen über diesen nagenden Wurm an dem
Leben der Völker sind zahllose, und die Folgen
der materiellen Zerrüttung werden täglich bedenk-
licher. An gutem Rath zwar zur Hebung des
Nebels fehlt es keineswegs, keiner aber will aus-
reichen, denn das Uebel ist zu ausgedehnt und zu
vielgestaltig. Immer jedoch ist es verdienstlich,
seinen Quellen nachzuforschcn und auf Heilmittel
zu sinnen, und verdienstlicher noch ist cs, Hand
anzulegen zu thatsächlichcr Hilfe, sollte sie sich auch
nur auf kleinere Lebenskreise erstrecken. Viel ist
schon gechan, wenn auch nur in den einzelnen
Gemeinden in diesem Sinne gewirkt, oder wenn
selbst nur einzelnen Personen geholfen wirb, die
ohne Beistand dem materiellen und damit dem
physischen und sittlichen Ruin zum Opfer werden
müßten.
Es liegt in der Natur der Umstände, daß
Viele in den Negierungen diejenigen Organe sehen,
die hier am ersten zu helfen berufen sind. Es ist
außer Zweifel, daß Alles, was die Wohlfahrt
der Völker betrifft, recht eigentlich an die Obsorge
des Staates gewiesen ist; aber man geht eben so
gewiß von einer irrigen Ansicht aus, wenn man
von demselben eine so direkte Einmischung ver-
langt, daß er gleich dem Hausvater sich mit den
ersten materiellen Bedürfnissen aller Einzelnen
befassen sollte. Er könnte und dürfte das nicht,
wenn er auch wollte; er könnte es nicht, weil ihm
die Mittel fehlten; er dürfte es nicht, weil er
natürliche Ansprüche hervorriefe, die nach und nach
zu den übelsten Folgen führten. Aber er kann
Mitwirken zu Allem, was die Wohlfahrt fördert,

z. B. in der angemessenen Gestaltung der Gesetz-
gebung in Bezug auf Besitz, Eigenthum, Kauf
und Verkauf, Handel und Wandel; er kann Insti-
tutionen veranlassen und beschützen, welche den
Kredit, die Jndrtstr.j^ die Gewerbe beleben und
kräftigen; er kamr-die praktische Wohlthätigkeit
regeln, sei es, daß Mse ihre Mittel aus gestifteten
Wohlthätigkeitsanstalten nimmt oder aus der werk-
tätigen Menschenliebe; immerhin aber kann seine
Thätigkeit nur mehr eine negative und indirekte,
als eine positive und direkte sein.
Vieles wäre gewiß schon erreicht, wenn nur
erst einmal die natürlichen Bedingungen zur Volks-
wohlfahrt wieder gewonnen wären. In früheren
Zeiten, wo das Uebel noch nicht chronisch war,
pflegte man von einem '-guten Jahr" niehr als
von allem Andern Abhilfe der zeitweise cingetrete-
nen Noch zu erwarten. War dann der Himmel
günstig, schüttelte er das Füllhorn seines Segens
über die Fluren, kam wirklich ein "gutes Jahr",
so hörten die Klagen bald auf. Dem Neichen
war gegeben, mehr als er bedurfte, und auch
der Aermste ging nicht leer aus bei der Vertheilung
der Gaben. Das gute Jahr also ward als die
erste Grundbedingung für die Wohlfahrt der Men-
schen angesehen; und sie ist es noch, denn seit es
an guten Jahren fehlt, zeigen sich erst recht die
immer steigenden Folgen der Maffenverarmung.
Aber wie im natürlichen, so gibt es auch im
politischen und im sozialen Gebiet Grundbedingun-
gen zur Volkswohlfahrt, ohne welche diese nicht
gedeihen kann. Die Revolution hat hier herbe
Lehren gegeben; sie hat alle Besitz- und Kredit-
verhältnisse erschüttert, sie hat das Vertrauen ver-
scheucht, sie hat die Kapitalien von den Wegen
geschreckt, die unmittelbar zum Volk führen, sie
hat Einschränkungen jeder Art zur Folge gehabt,
die überall aufs schwerste empfunden wurden.
 
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