Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

DOI issue:
Über die erste Publication des Alterthumsvereins in Wien
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0039

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Joseph Feil.

5

verherrlichet zu werden. Auch der tüchtige Radier- und Ätzkünstler Lautensack benützte seinen längeren
Aufenthalt in Wien Q, um in einem grossen allegorischen Bilde der Tapferkeit der Wiener Bürger einen wür-
digen Ehrenpreis zu reichen. Zum Vor würfe der Darstellung wählte er das Strafgericht Gottes gegen den As-
syrer König Sennacherib, wie er unter dem Schwerte des Racheengels des Herrn vor Jerusalems Mauern die
stolze Heeresmacht verliert. Der Vorgrund zeigt das Lager der Assyrer mit dem in wilder Flucht begriffnen
Heere, inmitten Sennacherib auf seinem Kriegswagen; obenan schwebt der Engel mit dem Racheschwert
in einem von lichten Wölkchen umsäumten Strahlenkreise.
Der Hintergrund aber gewährt, statt Jerusalem’s, den Anblick Wien’s, — in der erwähnten schönen,
breiten Ansicht dieser Stadt, die nach sorgfältiger Erwägung der sich bietenden Kreuzungspunkte in der Stellung
einzelner noch jetzt vorhandenen Gebäude, zumal Kirchen, unzweifelhaft von jener Erhöhung aufgenommen
wurde, auf welcher heutzutage die Kirche zu St. Florian in der Matzleinsdorfer Hauptstrasse sich erhebt.
Das Bild zeigt die ummauerte Stadt in ihrer ganzen Breite, zur Linken vom Kahlen- und Leopoldsberg,
im Vordergründe aber von der alten Gumpendorfer Kirche abgegränzt, zur Rechten mit der Flachgegend der
heutigen Vorstadtgründe Landstrasse und Weissgärber über der Einmündung des Wienflusses in den Donau-
arm abschliessend.
Das Schlachtgemälde selbst mit dem vermeintlich altassyrischen Rüstkostüm, bietet archäologischem
Ernst nicht die entfernteste Wichtigkeit; von unserem Gesichtspuncte aber um somehr das schon erwähnte
Abbild der Stadt Wien.
Vor allem fällt im Vordergrund der Stadt die alte Kaiserburg mit den vier vorragenden Eckthürmen
auf. Da der grössere Massstab die Ausführung aller wesentlichen Einzelheiten möglich machte, so erblicken
wir darin zugleich das älteste genaue Bild der alten Wiener Burg, dem Herzen jedes Österreichers ein
immer theurer Hort 1 Das vorragendste Gebäude zur Linken bildet die Minoritenkirche in ihrer alten Gestalt mit
der angebauten Ludwigskapelle 2); neben dieser ragt die Schottenkirche mit ihrem einen alten Thurm
hervor. Zur Rechten der Kaiserburg steigt der Michaelerthurm mit seiner alten Knorrenzier auf der damals
noch steinernen Thurmspitze hoch empor, nebenan die Augustinerkirche, noch rings freistehend mit dem seit
dem Burgbaue am Josephsplatze verschwundenen leichtenPfeilthürmchen an der Stirnseite, und die seit 1784
abgebrochene St. Clarakirche; nahe am alten Kärnthnerthurm aber, im freien Raume, der jene trennt, die alten
Gotteshäuser der sogenannten weissen Brüder am Hof, Maria am Gestade und St. Dorothe; zur Rechten vom
massiven Kärnthnerthurm ragt der Obertheil der alten Kirche von St. Peter hervor; rechts zeigt sich das
St. Johanneskirchlein in der Kärnthnerstrasse. — In des Bildes Mitte aber steigt das altehrwürdige Münster von
St. Stephan in seinen riesigen Massen ehrfurchlgebietend empor. Es fällt auf, dass hier der eine Giebel an der
südlichen Langseite bereits als verziert eingezeichnet wurde, während auf Hirschvogel’s Ansicht von 1547
derselbe Giebel noch ungeschmückt erscheint, die Ausführung dieser Ausschmückung also zwischen die Jahre
1547 —1558 fallen könnte? Die alte Himmelpforte und der deutschen Herren Kirche werden vom hohenDach

9 Herr Sebald Lautensack, aus Bamberg gebürtig (um 1478), zog sich 1524 als Erzmystiker nach Nürnberg zurück, wo
er viel über die Offenbarung Johannes schwärmte. (Rettberg „Nürnberg’s Kunstleben.“ Stullgart 1854. S.154.) Die Jahre
1556, wo er bereits „Röm. Khais. Majestet Antiqui tet-Abkonte rfe ler“ genannt wird, bis 1560 brachte er in Wien
zu. Hier weilte er wahrscheinlich auch bis zu seinem zwischen 1560—1564 erfolgten Ableben, in welch’ letzterem Jahre
mit der von ihm zurückgelassenen Witwe, betreffs der von Lautensack dem Kaiser gelieferten Arbeiten, Abrechnung
gepflogen wurde. (Schlager: „Materialien zur österr. Kunstgeschichte,, im „Archiv für Kunde.österr. Geschichtsquellen“
V, 737—• 738, vergl. mit Nagler’s Künstlerlexikon V, 393; Bergmann’s „Medaillen“ I, 295—296 und den Wiener
Jahrbüchern der Literatur CXIL A. Bl. 1; CXXII, A. Bl. 1 und 6.)
2) Seit 1784 in das Haus Nr. 21 verbaut. Vergl. Feil: „Die Fürstinen-Gräber bei den Minoriten in Wien“ in Schmidl’s
„Österr. Bl. f. Lit. und Kunst;“ 1845. S. 729—733.
 
Annotationen