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Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

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Über einige alt- italienische Gemälde in der kaiserl. königl. Akademie der bildenden Künste in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0168
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Rudolf Eitelberger v. Edelberg,

I. Gemälde aus der Schule Giotto’s. — Das Gemälde, welches die kais. Akademie besitzt,
ist das einzige in einer öffentlichen Gallerie Wien s aus der Schule Giotto’s. Es sei desswegen gestattet,
einige Worte über Giotto und seine Schule vorauszuschicken. Giotto selbst ist für den Kaiserstaat und die
Geschichte der Kunst in demselben von grosser Bedeutung. Er hat lange Zeit in Padua gelebt, seine Richtung
hat daselbst feste Wurzel gefasst, seine Schüler sind nach Ungarn berufen worden. In Venedig, Padua hat bis
in das fünfzehnte Jahrhundert hinein der Einfluss Giotto’s sich geltend gemacht, bis er in Venedig durch das
Erstarken der Schule von Murano, in Padua durch Squarcionc und A. Mantegna gebrochen wurde. Noch steht
in Padua ein Denkmal von Giotto’s Hand geschmückt, so wohl erhalten, wie keines seiner grösseren authen-
tischen Wandgemälde, so voll von geistvollen Gedanken und lebendigen Gestalten, wie nur irgend Eines
seinem reichen Geiste entsprungen ist, aber auch so wenig in Österreich bekannt, wie kaum ein anderes Werk
dieses Künstlers, — die Gemälde in der Madonna della Arena zu Padua. Die Wandgemälde in der Kirche
Santa Maria dell’Incoronata in Neapel sind in Folge der Vernachlässigung von der Decke herabgefallen *), die
Fresken in der Oberkirche zu Assisi sind grossentheils unkenntlich , in den Unterkirchen selten gut beleuchtet,
die Fresken im Campo santo in Pisa fast ganz verschwunden, die Fresken im ehemaligen Refectorium von
Santa Croce in Florenz grossentheils zerstört und nicht authentisch. Den grössten Schatz von Giotto’s Wand-
gemälden besitzt Padua. Pietro Selvatico hat zwar auf ihre Bedeutung in einer Broschüre 1 2) aufmerksam
gemacht, in der letzteren Zeit haben Engländer 3) die Bildwerke beschrieben und theilweise auch illustriert
herausgegeben 5 eine umfassendere, eingehendere Arbeit, welche den Antheil österreichischer Kunstfreunde
an diesem Werke constatieren könnte, fehlt noch. Nur wenige Kunstkenner und Künstler Österreichs sind
mit diesen Werken Giotto’s näher vertraut. Zu diesem Umstande trug wohl viel bei, dass in den grösseren
Gallerien Wien s, und selbst Venedig s und Mailand s sich verhältnissmässig wenige Werke aus der altflorentini-
schen Schule befinden, und die Leistungen dieser Schule, die durch mehr als zwei Jahrhunderte die Hoch-
schule der Kunst für ganz Italien gewesen ist. minder bekannt sind.
Das Gemälde, welches die kais. Akademie besitzt, ist kein Werk von der Hand Giotto’s, sondern nur
ein Bild aus seiner Schule. An diese schlossen sich die Künstler an allen Orten an, wo Giotto wirkte.
Florenz, Pisa, Assisi, Neapel, Rom, Padua und Avignon waren jene Städte, in denen Giotto seine Kunst
übte j in einigen derselben ent wickelte sich eine Schule im eigentlichen Sinne des Wortes, es bildeten sich Schüler
in seinem Atelier und durch die Mitwirkung an seinen eigenen grösseren Werken, an anderen Orten zog sich
eine Künstlergeneration an dem Studium seiner Werke heran. Ein Ort dieser Art scheint Padua gewesen zu
sein. Es ist nicht gewiss, dass Giotto in Padua einen „unmittelbaren Schüler zurückliess “ um Kuglers
Worte zu gebrauchen, wohl aber unzweifelhaft, dass eine Reihe von Künstlern sich an seinen Werken
herangebildet hat, als Giusto Padovano (ein Florentiner seiner Geburt nach), seine Schüler die Giovanni und
Antonio, die wahrscheinlich Meister der Fresken im Baptisterium beim Dome, und der Capelle des heil.
Lukas in Sant’Antonio (beide Werke fallen um das Jahr 1380) j der Veronese D’A vanzo und sein Kunst-
genosse Aldighiero da Zevio, die Meister der Fresken in der Capelle San Felice in Sant’Antonio und
der Sanct-Georgscapelle (jbeide Werke fallen um 1376, 1377). Die äusserste Gränze für das Wirken der

1) Als ich vor drei Jahren die Fresken Giotto’s in der Incoronata sah, waren sie noch wohl erhalten an ihrem Platze, an
den Gewölben oberhalb der Orgel. Die Fenster aber in der nächsten Nähe waren theilweise ohne Scheiben , und für
Wind und Wetter Raum, ihren schädlichen Einfluss auszuüben. Glücklicher Weise ist die Erinnerung an diese Fresken
-— sie stellen die sieben Sakramente vor — durch eine mit Kupferstichen illustrierte Schrift von Aloe erhalten: Les
peintures de Giotto dans l’eglise de VIncoronata in Naples, Berlin 1843.
2) Sulla capellania degli Scrovigni etc. e su i freschi di Giotto. Padova 1836. 8. con tat.
3) Das Werk führt den Titel: Giotto’s Works ad Padua. London 1854. Die Zeichnungen sind xon O. W. Cliams, die
Holzschnitte von Dalzie.
 
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