Die Bilanz des letzten Krieges ist für alle Betroffenen, für Sieger und Besiegte, schrecklich, trotz der neuen ge-
schichtlichen Wirklichkeit, die sich mit allen ihren Veränderungen der gesellschaftlichen, sozialen, politischen und
wirtschaftlichen Struktur gebildet hat, und trotz aller kaum noch begreifbaren Entwicklungen von Naturwissen-
schaft und Technik, die ein neues Zeitalter heraufrufen.
Immer bleiben die Millionen und aber Millionen der namenlosen Toten, Verstümmelten und unschuldig Verfolg-
ten, das unbegreifliche Maß an Elend, an Zerstörung und Vernichtung, das durchlitten werden mußte, und es blei-
ben die unvorstellbaren Verluste an Kunstwerken und an humanem Gehalt.
In der Folge der Generationen entschwindet die menschliche Individualität der Toten mehr und mehr der Erinne-
rung und geht schließlich in den Schatten ewiger Anonymytät ein. Die zerstörten Städte sind nach den Forderun-
gen des schnellebigen Fortschritts wieder aufgebaut, nicht immer im Bewußtsein geschichtlicher Würde. Die Indu-
strie erweitert sich in ständiger und ungeahnter Erneuerung, um, wie Wirtschaft und Handel, die menschliche
Existenz zu sichern und zu erleichtern. Das Leben verlangt sein Recht in allen Richtungen und wird immer darauf
bestehen.
Endgültig verloren und nicht ersetzbar ist das Kunstwerk; es kann nicht einfach gefordert und erwartet werden,
läßt sich nicht in seinem unverwechselbaren, einmaligen Bestand wiederholen. Wohl aber beschäftigen untergegan-
gene Werke, häufiger als man annimmt, über Jahrhunderte und sogar Jahrtausende hinweg unsere Vorstellung
und bestätigen damit das Gewicht solchen Verlustes.
Nur wenige konnten bis jetzt einen Überblick über den erschütternden Umfang des im letzten Krieg Verlorenen
gewinnen. Auch in diesem Werk ist lediglich ein kleiner, wenn auch wesentlicher Teil des Vernichteten und Ver-
schollenen - ausschließlich Gemälde, und nur solche, die einst in deutschen Museen bewahrt wurden - in trockener
Aufzählung erfaßt und in Auswahl abgebildet. Nicht berücksichtigt ist der kirchliche und private Besitz, sind
Wand- und Glasmalereien, Handschriften, Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten, Skulpturen, die zahlrei-
chen Gebiete des Kunstgewerbes und nicht zuletzt die Denkmäler der Architektur, die den Kampfhandlungen zum
Opfer gefallen sind.
In der nüchternen Sprache der Dokumentation und Statistik wirkt die Sinnlosigkeit solcher Verluste besonders er-
greifend. Möge sie als Anspruch an das Gewissen, als Aufruf zur Einsicht und Verantwortung verstanden werden,
als Aufforderung, endlich eine Ordnung zu begründen, die in gemeinsamem Handeln die Wiederkehr solcher Ver-
nichtung und Zerstörung verhindert und das unvorstellbare Unglück weiterer Kriege unterbindet.
München, im Herbst 1965
Kurt Martin
schichtlichen Wirklichkeit, die sich mit allen ihren Veränderungen der gesellschaftlichen, sozialen, politischen und
wirtschaftlichen Struktur gebildet hat, und trotz aller kaum noch begreifbaren Entwicklungen von Naturwissen-
schaft und Technik, die ein neues Zeitalter heraufrufen.
Immer bleiben die Millionen und aber Millionen der namenlosen Toten, Verstümmelten und unschuldig Verfolg-
ten, das unbegreifliche Maß an Elend, an Zerstörung und Vernichtung, das durchlitten werden mußte, und es blei-
ben die unvorstellbaren Verluste an Kunstwerken und an humanem Gehalt.
In der Folge der Generationen entschwindet die menschliche Individualität der Toten mehr und mehr der Erinne-
rung und geht schließlich in den Schatten ewiger Anonymytät ein. Die zerstörten Städte sind nach den Forderun-
gen des schnellebigen Fortschritts wieder aufgebaut, nicht immer im Bewußtsein geschichtlicher Würde. Die Indu-
strie erweitert sich in ständiger und ungeahnter Erneuerung, um, wie Wirtschaft und Handel, die menschliche
Existenz zu sichern und zu erleichtern. Das Leben verlangt sein Recht in allen Richtungen und wird immer darauf
bestehen.
Endgültig verloren und nicht ersetzbar ist das Kunstwerk; es kann nicht einfach gefordert und erwartet werden,
läßt sich nicht in seinem unverwechselbaren, einmaligen Bestand wiederholen. Wohl aber beschäftigen untergegan-
gene Werke, häufiger als man annimmt, über Jahrhunderte und sogar Jahrtausende hinweg unsere Vorstellung
und bestätigen damit das Gewicht solchen Verlustes.
Nur wenige konnten bis jetzt einen Überblick über den erschütternden Umfang des im letzten Krieg Verlorenen
gewinnen. Auch in diesem Werk ist lediglich ein kleiner, wenn auch wesentlicher Teil des Vernichteten und Ver-
schollenen - ausschließlich Gemälde, und nur solche, die einst in deutschen Museen bewahrt wurden - in trockener
Aufzählung erfaßt und in Auswahl abgebildet. Nicht berücksichtigt ist der kirchliche und private Besitz, sind
Wand- und Glasmalereien, Handschriften, Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten, Skulpturen, die zahlrei-
chen Gebiete des Kunstgewerbes und nicht zuletzt die Denkmäler der Architektur, die den Kampfhandlungen zum
Opfer gefallen sind.
In der nüchternen Sprache der Dokumentation und Statistik wirkt die Sinnlosigkeit solcher Verluste besonders er-
greifend. Möge sie als Anspruch an das Gewissen, als Aufruf zur Einsicht und Verantwortung verstanden werden,
als Aufforderung, endlich eine Ordnung zu begründen, die in gemeinsamem Handeln die Wiederkehr solcher Ver-
nichtung und Zerstörung verhindert und das unvorstellbare Unglück weiterer Kriege unterbindet.
München, im Herbst 1965
Kurt Martin