Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Boris III. und die Wissenschaft

Zar Boris III. zeigte schon in seiner Jugend
starke Neigung zur wissenschaftlichen Arbeit.
Namentlich in den Naturwissenschaften, und
hier wieder besonders in der Botanik, hat er
sich die Anerkennung zahlreicher Fachgenos-
sen erobert. Der Vereinigung hervorragender
politischer und militärischer Begabungen mit
ernster Neigung und Fähigkeit zu wissenschaft-
licher Arbeit, wie sie der König besaß, kann
sich wohl kein lebendiger Fürst rühmen Er
dürfte wohl der einzige Souverän der neueren
Zeit gewesen sein, der auf 6einem schweren,
verantwortungsvollen Posten Zeit für ernste,
wissenschaftliche Arbeit fand.

Auf seinen zahlreichen Reisen durch seine
bulgarische Heimat nutzte Zar Boris jede Ge-
legenheit, um seine Kenntnisse von der einhei-
mischen Flora und Fauna zu erweitern. Die
botanische Wissenschaft verdankt ihm manch
wertvollen Fund und zahlreiche fruchtbare
Anregungen.

Als Naturkundler hat det König alle natur-
wissenschaftlichen Institute und Sammlungen,
die . zur Zeit seines Vaters, des Königs Ferdi-
nand, gegründet wurden, immer unterstützt,
ihren Ausbau gefördert und manch wertvolle
Anregung zur Bearbeitung wissenschaftlicher
Fragen gegeben. Ein begeisterter Freund der
Natur, in der er Erholung und Beruhigung
suchte, liebte er es, durch sein Land zu wan-
dern, und es gibt keinen, wenn auch noch so
kleinen Ort, den er nicht besucht hat.

Der Zar als Forstwirt

Besonders lieb waren ihm die Wälder, ihre
Pflege und Erhaltung suchte er immer den Bul-
garen ans Herz zu legen. Der Zar wußte, daß
infolge der Unwissenheit der Bevölkerung in
den gebirgigen Gegenden sowie durch das
Parteitreiben die Wälder in Bulgarien einer
schonungslosen Vernichtung ausgesetzt sind.
Darum unterließ er es nie, zu mahnen und zu
erklären, daß die Wälder als Quellen der Ge-
wässer für Landwirtschaft und Viehzucht, für
das Wild und die Schönheit der bulgarischen
Landschaft unentbehrlich seien und immer
einen Quell des Wohlstandes und des Reich-
tums des Volkes sein könnten. Schon in jun-
gen Jahren hat er sich intensiv mit den Fra-
gen der Veränderung der Erdoberfläche, der
Bonität des Bodens und der klimatischen Ver-
hältnisse durch eine planlose Abholzung der
Waldbestände befaßt und daraus wertvolle
Lehren für eine gedeihliche Forstwirtschaft
gezogen. Er hat dann als Regent jede Ausbeu-
tung des bulgarischen Waldbestandes durch
privatwirtschaftliche Interessen unterbunden, i
Die bulgarische Forstwirtschaft verdankt die-
sem König sowohl im Hinblick auf die Hebung "
der Waldwirtschaft als auch hinsichtlich der
Vermehrung und Pflege des Wildbestandes
einen guten Teil ihrer Erfolge.

Schon als junger Kronprinz wußte er, wie
sehr die Bevölkerung des Deli Ormans an Was-
sermangel litt; er hat oft gesehen, wie die
Bauern dort mit ihren mit Fässern und Butten
beladenen Ochsen- und Büflelwagen kilometer-
weit wanderten, um Wasser zu holen. Darum
interessierte er sich lebhaft für die Errichtung
der Wasserzentrale im Deli Orman und betonte
in Gesprächen mit den Leitern der Wasserver-
sorgung in dieser wasserarmen Gegend, daß
man der Vernichtung der Wälder Einhalt ge-
bieten müsse, sonst würde der furchtbare Was-
sermangel wieder eintreten, und aus den Bohr-
brunnen würde man statt Wasser nur Sand
schöpfen.

Der Pfleger der historischen Stätten

Das Interesse des Königs erstreckte sich auch"
auf die historischen Stätten Bulgariens. Er
kannte genau alle alten Denkmäler in Tirnowo,
Preslaw, Pliska und Madeira und sorgte für
deren Erhaltung, Alle mit der Wiederherstel-
lung und Pflege historischer Denkmäler befaß-
ten Stellen erfreuten sich seines Interesses und
seiner weitgehenden Förderung', die sich nicht
nur in der Stiftung von Geldmitteln erschöpfte,
sondern auch wertvolle Anregungen vermit-
telte. Bei seinem letzten Besuch in Madara
zeigte er sich sehr zufrieden mit allem, was
man zur Verschönerung der kahlen und öden
Gegend um den Felsen von Madara unternom-
men hatte.

Des großen Interesses des Königs erfreute
sich auch das Observatorium aul dem Mussala-
gipfel, an dessen Aufbau er hervorragenden
Anteil hat, und das er sehr oft besuchte.

Wie sehr der König bei seinen wissenschaft-
lichen Interessen das allgemeine Wohl vor
Augen hatte, zeigen folgende Fälle:

Vor einigen Jahren äußerte er einmal den
Wunsch, die Gegend um Madara möchte in
einen historischen Nationalpark verwandelt
werden. Zur Zeit der Madara-Feier im Jahre
1927 schenkte ihm die Gemeinde von Madara
ein Grundstück von 5000 qkm um den Madara-
felsen. Der König dankte für die Gabe, er-
klärte aber sofort, daß er das Grundstück zu
einem Nationalpark abtrete und zur Durch-
führung dieses Planes 25 000 Lewa schenke.
Auch die Gemeinde von Schumen schenkte dem
König ein Areal von 100 000 qkm bei. den Zar-
Krum-Pforten. Der König trat diese Gabe dem
Kreiswaisenfonds ab, dem er bei dieser Ge-
legenheit noch 30 000 Lewa schenkte. Diese
edle Geste zeigt die vornehme Gesinnung des
Königs und seine genaue Vertrautheit mit den

DER EINIGER DER BULGAREN BESUCHT STUDEN TI N

Von unserem Wollen

Der Student an der Front und der Student, der zeitweise sein
Studium als Kriegsdienst weiterführen kann, weiß sehr wohl,
was es heißt, einmal Träger deutscher Wissenschaft und deut-
schen Geistes zu sein. Die ganze Welt wird sehen, wie sich die
heutige studentische Generation unseres Volkes, im Feuer der
Revolution und des Krieges geschmiedet, mit ihrer ganzen Liebe
zum Führer leidenschaftlich in die geistige Arbeit stürzt und
mit kämpferischem Fanatismus ihre Aufträge in Angriff nimmt.

REICHSSTUDENTENFÜHRER DR. G. A. SCHEEL

am 9. Juli 1943 in Heidelberg

Bedürfnissen des Volkes, an desesn Wohl und
Gedeihen er immer dachte.

Zar Boris verfolgte mit der größten Auf-
merksamkeit das kulturelle Leben im Lande,
besuchte die Aufführungen im Nationaltheater
und die Kunstausstellungen. Seine Sympathie
für die Universität bezeugte er durch sein ste-
tes Interesse für ihr Leben und durch seine
Anwesenheit bei allen Veranstaltungen und
Feiern der Sofioter Alma mater. Auch die
Akademie der Wissenschaften erfreute sich sei-
ner hohen Gunst.

Der Freund der Studenten

Das Verhältnis der bulgarischen Studenten
zum Zaren beruhte auf der tiefen Verehrung
der jungen bulgarischen Generation zum
Herrscher. Die Begeisterung der Jugend für
ihren König fand bei der häufigen Anwesen-
heit des Monarchen bei studentischen und
akademischen Feiern einen stürmischen Aus-
druck.

Der Zar, der in der heranwachsenden Jugend
die Gewähr für den Fortschritt und die glück-
liche Zukunft seines Volkes sah, bezeugte
seine Sympathien für sie, indem er sie oft
durch seine Anwesenheit beehrte und an die
versammelten Studenten Worte richtete, die
eine unvergeßliche Erinnerung in aller Herzen
hinterließen. Auch bei der Einweihung des
studentischen Erholungsheimes an der Seeküste
in der Nähe von Warna war er zugegen, auch

hier sprach er zu den Studenten wie ein gü-
tiger Vater und legte ihnen ans Herz, sich
von dem Glauben an die schöne Zukunft Buls
gariens durchdringen zu lassen und in sich die
Festigkeit des Willens und des Charakters
zu pflegen, die alle guten Bürger besitzen
müssen, wenn sie berufen werden, ihre Kräfte
und Fähigkeiten in den Dienst der nationalen
Ideale zu stellen.

Bei vielen anderen Gelegenheiten ließ der
König seine Sympathie zu der Studentenschaft
und zu der bulgarischen Jugend überhaupt
zum Ausdruck kommen. So hatte er ihr Herz
für sich gewonnen, und sie teilt diese feste
Überzeugung ihrer Lehrer und Professoren,
daß drei Dinge die Zukunft des bulgarischen
Volkes sichern: der Thron, das Heer und die
nationale Einmütigkeit.

Bei verschiedenen Anlässen hat Zar Boris
vor Professoren, Gelehrten und Studenten
seiner Freude über den Fortschritt der wissen-
schaftlichen Arbeit in Bulgarien, den er seit
langen Jahren mit großer innerer Anteilnahme
verfolgt, und an dem er persönlichen Anteil
hatte, Ausdruck verliehen. Dieser Fortschritt
wird auch vom Ausland anerkannt, wie das
besonders bei dem 50jährigen Jubiläum der
Universität Sofia offenbar wurde. Namhafte
Professoren aus allen Ländern kamen, um an
der großen akademischen Feier teilzunehmen
und der jungen bulgarischen Wissenschaft ihre
Anerkennung zu bezeigen.

Kant hält Vorlesung

Ein Student des Philosophen berichtet

Ich hörte Kant im Jahre 1755 in seiner ersten
Vorlesungsstunde. Er wohnte damals in des
Prof. Kypke Haus auf der Neustadt und hatte
hier einen geräumigen Hörsaal, der samt dem
Vorhause und der Treppe mit 'einer beinahe
Unglaublichen Menge von Studierenden ange-
füllt war. Dieses schien Kant äußerst verlegen
zu machen. Er, ungewöhnt der Sache, verlor zu-
nächst beinahe die Fassung, sprach leiser noch
als gewöhnlich, korrigierte sich selbst oft; aber
gerade dieses gab unserer Bewunderung des
Mannes nur einen desto lebhafteren Schwung.
In der nächstfolgenden Stunde war es schon
ganz anders. Sein Vortrag war, wie er's auch
in der Folge blieb, nicht allein gründlich, son-
dern auch freimütig und angenehm.

Was war da das hervorstechendste Prinzip,
nach welchem Kant handelte? Hier kann ich
mich auf mehrere Tausende berufen. Kein an-
deres als Pünktlichkeit und die gewissen-
hafteste Treue. Um seiner Autorschaft oder um
Spazierreisen oder anderer Zerstreuungen wil-
len wurde nie eine Vorlesungsstunde versäumt.
Außer den einmal bestimmten akademischen
Ferien ward nie das Lehren ausgesetzt. Bis
1797 hielt er die öffentlichen Vorlesungen mit
exemplarischer Treue, die Privatkollegien hatte
er schön 1793, weil die Kräfte zu erschöpft
waren, um ein paar Stunden nacheinander reden
zu können, aufgegeben.

Das Kompendium, welches er etwa zugrunde
legte, befolgte er nie strenge und nur inso-
ferne, daß er seine Belehrungen nach der Ord-
nung des Autors anreihte. Oft führte ihn die
Fülle seiner Kenntnisse auf Abschweifungen
von der Hauptsache, die aber doch immer sehr
interessant waren. Wenn er bemerkte, daß er
zu weit ausgewichen war, brach er geschwind
mit einem „Und so weiter" oder „Und so fort-
an" ab und kehrte zur Hauptsache zurück.

Freilich war rege Aufmerksamkeif bei seinen
Vorträgen nötig. Die manchem Gelehrten ganz
eigene Gabe, die vorkommenden Begriffe und
Sachen ganz ins klare für jeden zu setzen, sie
etwa durch Wiederholung in andern Aus-
drücken auch dem versäumtem und verstreu-
tem Zuhörer doch faßlich zu machen, diesen,
nach dem jetzt in Gang gebrachten Ausdrüc-
ken, gleichsam zum Verstehen zu zwingen, war
Kant freilich nicht eigen. Es mußte auf alles,
wie billig, genau gemerkt werden.

„Selbst denken - selbst forschen!"

Dem Nachschreiben war er nicht hold. Es
störte ihn, wenn er bemerkte, daß das Wich-
tigere oft übergangen und das Unwichtigere
aufs Papier gebracht ward, so wie auch manch©
andere Kleinigkeit, z. B. eine auffallende Klei-
dungsart und dergl. ihn störte. „Sie werden",
das wiederholte er unablässig, „bei mir nicht
Philosophie lernen, aber — philosophieren,
nicht Gedanken bloß zum Nachsprechen, son-
dern denken." Aller Nachbeterei war er herz-
lich gram. Selten mürten Lehrer so oft und so
ernstlich davor warnen, als Kant tat. Dennoch
hat er der Nachbeter seiner Meinungen, ohne
diese selbst zu prüfen, vielleicht mehr gehabt
als irgendeiner: qewiß ist es, daß er sie nicht
haben wollte. Selbst denken — selbst forschen
— auf seinen eigenen Füßen stehen —, waren
Ausdrücke, die unablässig wieder vorkamen.
Zweifel, die ihm zur Auflösung vorgelegt wur-
den, Bitten um etwas nähere Auseinander-
setzungen nahm er in seinen jüngeren Jahren
sehr freundlich an.

Sonst war seine Vorlesung freier Diskurs,
mit Witz und Laune gewürzt. Oft Zitate und
Hinweisungen zu Schriften, die er eben gelesen
hatte, bisweilen Anekdoten, die aber immer
zur Sache gehörten. Nie habe ich eine Schlüpf-
rigkeit, durch die wohl mancher andere Lehrer
seinen Vortrag beleben will und gute, wohl-
gezogene Jünglinge aus seinem Hörsaal weg-
treibt, in seinen Vorlesungen gehört. Dieses
bezeugen mir auch seine späteren Schüler.
Dagegen hörten wir oft väterliche Anmahnun-
gen zum guten moralischen Sinn und Wandel,
obwohl er sonst bei Jünglingen eine anstän-
dige Freiheit und manche Arten von Ver-
gnügungen wohl begünstigte. Treibhauszucht
wollte er, wie aus seiner Anthropologie be-
kannt ist, bei jungen Leuten nicht angewandt
wissen.

Oben ist in der Skizze gesagt, was er in
jüngeren und späteren Jahren aus dem Um-
fange der Wissenschaften vortrug. Das Zu-
trauen zu seinen Kenntnissen und der Wunsch,
von ihm Unterricht zu erhalten, ging in seinen
ersten Magisterjahren so weit, daß man glaubte,
er könne und müsse alles, was man nur irgend
zum Gebiet der sogenannten philosophischen
Fakultät rechnet, lehren.

Vierzig Jahre und darüber war er ein durch-
aus verehrter Lehrer an unserem Orte, dessen
Hörsaal man nie leer sah. Viele kamen frei-
lich nur, um sagen zu können, daß sie bei ihm
gehört hätten.

In späteren Jahren gingen zu seinen Von
trägen auch bedeutende Geschäftsmänner,
Offiziere und andere, die Kenntnisse berich-
tigen und erweitern wollten. Er hielt sich da-
durch wohl nicht geehrter: es war ihm aber
doch Freude, auch mehreren nützlich zu wer-
den. Fleißigen jungen Leuten erlaubte er in
früheren Jahren gerne den Zutritt, ward ihr
Förderer, und viele, viele danken ihm ihre
jetzige zufriedene Lage.

Bei den Prüfungen der Studierenden, wenn
er Dekan und Rektor war, soll er vorzüglich
auf Talent und Gewandtheit des Kopfes ge-
sehen und dann immer sehr väterlich ermahnt
haben, jenes ja durch anhaltenden Fleiß zu
exeolieren. — Seine Philosophie, wenigstens
der Name derselben kann, wie gesagt, ver-
drängt werden, der gute Eindruck aber, der
durch seine Pünktlichkeit und Lehrertreue auf
Tausende gemacht ist, wird nie verwischt
werden. Sie hat schon viele, in den verschie-
densten Ämtern und Lagen, zur Nachfolge K.
aufgemuntert und wird durch diese auch noch
auf die künftigen Generationen wirken.

Ludwig Ernst Borowski
Ende September 1943 / Die Bewegung / Seite 3
 
Annotationen