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Heft 3. Ijlnftvivte Emninon- Zeitung. Iahrg. 1883.




Der Talisman.
Roman
Balduin Mvllhansen.
iFortschung.)
- (Nachdruck verboten )
ilandrie ließ eine Pause in seiner Erzäh-
lung eintreten. Nachdenklich sah er auf
die Mähne seines Pferdes nieder. Die
eben geschilderte Scene schwebte ihm, ge-
fördert durch die bekannte Umgebung,
offenbar so lebhaft vor, als
wären erst Stunden verron¬
nen, seitdem sie sich vor sei-
nen Augen abspielte. End¬
lich schüttelte er sich, wie jene
Erinnerungen von sich ausschcidend, und
ursprünglich leichtfertige Gemüthsart
^'leugnend, erzählte er trübselig weitern
"Ehrlich gesteh' ich's ein: Ich war nicht
weniger erschüttert, als Careworn. Mit
"en Gedanken weilte ich unten im sieden-
den Wasser bei der elendiglich um's Leben
gekommenen jungen Frau, bis ich's selber
beiß über meinem Rücken rieseln fühlte
und keinen Laut von mir geben konnte.
Da ermunterte uns der Reiter, der halb
Unter dem Pferde lag, durch seine Hilfe-
rufe.
Ließen wir ihn unbeachtet liegen, daß
Vr unter den Zähnen der Wölfe verendete,
w geschähe ihm nach Gebühr/ bemerkte
Eareworn ingrimmig.
,,Da hätten Sie'lieber ihm als dem
unschuldigen Gaul den Schädel zerschmet-
tern sollen/ gab ich zurück, woraus er mit
rechtem Haß erwiederte:
,Wollen Sie ihm helfen, so hindere
E) Sie nicht. Ich für meine Person
rühre den Verruchten nicht an.'
Verdrossen sah ich um mich. ,Da
kommt Jemand, der ihm Beistand leistet,
Und vielleicht mehr, als ihm lieb ist/ sagte
sch mit bösem Hohn und wies auf vier
vorittene Dacotahs, die aus einer anderen
Dichtung herbeisprengten. Sie waren
?war nur zur Jagd ausgerüstet: aber in
Mer Wuth heulten sie nach wildem Kriegs-
/sauch, und die Karabiner, Bogen und
Foinahawks schwangen sie so bedrohlich, daß
Careworn rieth, ihnen nicht in den Weg
Au treten, sondern abzuwarten, was sie
/ezweckten. Wir schritten indessen näher,
ledoch erst, nachdem sie bei dem erschosse-
Ufn Pferde eingetroffen waren und sich
juit dem Reiter zu schaffen machten. Sie
Mtten den ganzen Vorgang offenbar von
»Per Höhe aus beobachtet: denn um uns
kümmerten sie sich nicht, mochten auch

denken, daß nur ihnen nicht gefährlich seien. Zunächst
zogen sie den Mörder unter dem Pferde hervor, und
beinah eben so schnell waren ihm Arme und Beine zu-
sammengeschnürt.
Als nur hinzutraten, saß er nut dem Rücken an
den todten Gaul gelehnt. Aechzend und stöhnend be
schwor er uns uni Hilfe. Dazwischen verfluchte er Den-
jenigen, der sein Pferd zu Fall brachte, und sein Ge-
sicht verzerrte er in Angst und Wuth, daß man sich vor
ihm Hütte entsetzen können. Doch bevor wir das erste
Wort hervorbrachten, sahen nur die Mündungen zweier
Karabiner auf uns gerichtet, worauf Opechee, und kein
Anderer war es, also zu uns redete:
,Jhr habt den Hund in meine Gewalt gegeben.
Ihr seid meine Brüder. Meine Frau war jung. Zwei

KünsUcrneid- Ongmalzeichnung von A. Greiner. (S 63)

Winter wohnte Nahma in meinem Wigwam. Der Hund
hat sie zu den bösen Wassergeistern hinunter gejagt.
Ich will sie von ihm zurückfordern. Meine Brüder
mögen gehen. Sie haben mit dem schlechten Hunde
nichts zu schaffen/ und fein Gesicht wurde so finster,
wie eine schwarze Gewitterwolke.
Vor solchem Ernst mußten wir uns freilich bescheiden.
Denn hätten mir zu des Schurken Gunsten gesprochen,
so wären wir des von ihm begangenen Verbrechens ebcn-
salls schuldig gewesen, auch hütt's zu nichts geholfen.
Außerdem kannte ich ihn von Ansehen. Ein Agent
war er, wie sie von der Regierung zu den Stämmen
geschickt werden, um den Kaufpreis für abgetretene
Ländereien auszuznhlen. Nebenbei gehörte er zu der
Sorte, die dafür sorgt, daß das Geld zum größten
Theil in ihre eigenen und ihrer mit Brannt-
wein handelnden Freunde Taschen gleitet.
Er ivar also ein doppelter Schurke, dem
eine Rothhaut nicht höher galt, als der
Staub unter seinen Füßen. Verdammt!
Was ihm bevorstehen mochte: es traf kei-
nen Unschuldigen.
Trotz seines Flehens, Jammerns und
Fluchens mußten wir Opcchee's Gebot
Folge leisten. Wir gingen. Careworn
biß die Zähne wie in 'nein Krampf auf-
einander und sah starr vor sich nieder.
Ich selber konnte mich dagegen nicht ent-
halten, auf den losbrechenden Lärm rück-
wärts zu spähen. Und da gewahrte ich,
daß die Wilden heulend und gellend wie
Teufel vor ihren: Dpfer hin und her
sprangen und ihn: einen PseU nach den:
anderen in den Leib jagten. Verdammt,
Hütte ich Raun: für 'nen Schuß gehabt,
möcht' ich ihn: die Dualen wohl abgekürzt
haben: denn es lag zu Tage, daß die er-
bitterten Feinde sorgfältig Bedacht darauf
nahmen, mit den Pfeilei: ihm nicht an's
Leben zu kommen.
Nachdem wir uns bei unseren Sät-
teln und denn Gepäck niedergelassen halten,
dauerte der Lärm wohl zehn Minuten.
Dani: wurde es plötzlich still. Nur das
Aechzen und Wimmern des Unglücklichen
drang noch zu uns herüber. Auch flinken
Hufschlag unterschied ich, und als ich mich
danach umkehrte, sah ich eine Frau, die
nach Männerart auf dem Sattel saß und
die kurze Geißel immer wieder auf die
schäumende Haut ihres Renners nieder-
klatschen ließ. Wie ein Höllenbrand kam
sie angesaust. Weit nach Hinte:: flatterte
das lange Haar: und hätte ich ii: ihre
Augei: blicken können, so würde ich wohl
ein Bündel Blitze und Donnerkeile darin-
nen entdeckt haben. Und das war Tenuga,
die Mutter der grausam gemordeten Nahma
selber, und sobald ich die erkannte, da
wußte ich, daß noch ein besonderes Teu-
felswerk im Anzuge. Denn steckte schon
immer ein Satan in ihr, der ihr 'nen un-
versöhnlichen Haß gegen alle Weißen pre-
 
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