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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 35.1900

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.56331#0162
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Seft 7



Jahrg. I900.







(Forifekung.)



eonard verſuchte
gar nicht erſt, den
Schwager von ſei-

Veberſiedelung in
das von ihm ge-
mietete Landhaus abzubringen;
er wiſſe meinte er, daß Stephan
zur Annahme eines Geſchenkes
nicht zu bewegen ſein werde; aber
an ſeine Mutter wolle er ſich wen-
den, um ihr anzubieten, die Villa
und das Grundſtück weiter zu ver-
walten.

Die alte Frau Lugenz nahm
das Anerbieten denn auch dank-
bar an. —

E Endlich fühlte ſich Marianne
ſoweit hergeſtellt, daß ſie die Ein-
käufe vornehmen konnte. Die
mannigfachen Geſchäfte lenkten
ihre Gedanken von dem kragiſchen
Ereignis wieder ab. Eine herz-
liche faſt kindliche Freude darüber,

' iOrem Gaͤtten nun endlich ein
eigenes Heim einrichten zu dürfen,
beherrſchle fie. Stephan ließ ſie
in allem gewähren. Er bewun-
derte den Geſchmack ſeiner Frau,
die aus dem kleinen beſcheidenen
8* ein trauliches Tuskulum

uf.

Schneller, als er gedacht,
harrte das neue Heim, aus wel-
chem Möbelhändler, Tiſchler,
Maler, Tapezier und Gärtner

entlafſen waren, des Einzugs ſei-

“ ner Bewohner.

Stephan ſehnte ſich von gan-
zem Herzen nach dem Alleinſein
mit feiner Frau. Die geſchraubte
Stimmung zwiſchen Mutter und
Gaͤttin quälte und peinigte ihn.
Cr war ein viel zu pietätvoller
Sohn, als daß er ſeiner Mutter
wegen ihrer Härte und Schärfe
Vorhaltungen zu machen ſüch ev-
laubt hätte, aber er fühlte doch
auch mit Marianne, wie ungerecht
und rückſichtslos die froſtige Art
der alten Frau war.

Da kam es — am Abend des




jungen Paares in ſein neues Heim
{tattfand — zu einem Auftritt
zwiſchen Mutter und Sohn, wel-
cher der bisherigen Lauheit und


Nachdruck verboten.)










Marianne, die du ſelbſt lieben
lernen wirſt, wenn du dich end-
lich davon überzeugſt, wie glück-
lich ſie mich macht.“

Wieder ſtreifte ihn der harte,
argwöhniſche Blick ſeiner Mutter
wie damals an der Bahre des
Kindes. „Du fühlſt dich glück-
lich an ihrer Seite, Stephan?“
fraͤgte ſie. „Der Schatten des
Todes trübt dein Glück alſo nicht
mehr?“

Stephan ſeufzte auf. „Ein-
mal muß ja jede Wunde ver-
narben. Man darf ſie nur nicht
immer und immer wieder von
neuem aufreißen. Gott hat es
ſo gewollt; als religiöſer Menſch
füge ich mich ohne Murren in
ſeine Fügung. Nun iſt auch die
letzte Erinnerung an Yucie von
der Welt geſchieden. Frei ſteht
das Leben vor mir — das Glück
an Mariannes Seite. Das iſt
der hauptſächlichſte Troſt in mei-
nem wehmutsvollen Schmerz über
das Hinſcheiden der armen Klei-
nen.“ .

; s iſt gut, daß du dich da-
mit abgefunden haſt. Ich will
auch nicht annehmen, daß es dir
ohne Kämpfe gelungen iſt, dahin
zu gelangen. Aher das freilich
veiß ich: deiner jetzigen Frau iſt
es leichler geworden als Dir.“

Gequält ſah der Doktor ſeiner
Mutter in das YMuge. „Mutter,
ſie hatte in der erſten Zeit hei
dem Kinde eine tiefgehende Ab-
neigung zu überwinden, das iſt
dir nicht unbekannt, aber in
den letzten Tagen vor Fridas Tod
bahnte ſich zwiſchen ihr und ihrer
Stieftochter ein inniges, vertrau-
tes Verhältnis an. Daß Marianne
unter dem Tod Fridas ſchwer ge-
litten hat — faſt ſo ſchwer wie
ich ſelbſt, wie du, wie Leonard
— das weißt du, denke ich, gleich-
falls. Denn du warſt doch Zeuge
ihrer Verfaſſung bei dem Un-
glück. —*—

„Ja, deutlich genug hat ſie
ihre Verzweiflung zur Schau ge-
tragen.“

„Mutter!“ flehte der Arzt.

Unerbittlich fuhr Frau Lugenz
 
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