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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 35.1900

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Heft 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.56331#0254
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Im ewigen Schnee.

Roman von Paul PSkar Höchker.

(Forffekung und Schluß)

Nachdruck verboten.)
Dreizehrrles Kapikel.

8 konnte auch Stephan nicht länger als bis zum
dritten Tage verſchwiegen werden, daß ſeine
Mutter vermißt murde. Er fragte wiederholt
nach ihr, denn er konnte ſich ihre Intereſſeloſig-
keit nicht erflären, Da fie doch wiſſen mußte,
SEE welche Kriſis er durchgemacht hatte.

Als er die Wahrheit erfuhr und in Verbindung damit den
Untergang der „Gaseogne“, tauchte auch in ihm der entſetzliche
Gedanke auf, ſie könne ihrem freudeleeren, prüfungsreichen Da-
ſein eigenmächtig ein jähes Ende bereitet haben. Ein gewaltiger
Schmerz erſchütterte ihn.

Er hatte ſeiner Mutter längſt verziehen. Je klarer ihm der
Zuſammenhang der Dinge wurde, die ſie bei Fridas Tod ge-
fehen und nach denen ſie geurteilt hatte, deſto erklärlicher ward
ihm die Entſtehungsgeſchichte ihres Verdachts. Sie hatte Ma-
rianne damals ja noch nicht gekannt; jetzt erſt in der grau-
ſamen Leidenszeit, in der das junge Weib mit rührendem Gott-
vertrauen ausharrte, eine Märthrerin, ohne zu murren und ohne








getreten. Und wie oft haͤtte ſie mit Thränen im Auge dem
auf dem Siechbett liegenden Sohn verſichert, daß ſie ihr haſtiges,
grauſames Vorgehen gegen das hilfloſe junge Weib in tiefſter
Seele bereue.

Was nutzte das jetzt aber? Sie alle hatten ja nur ihr Ge-
fühl, ihr felſenfeſtes Vertrauen in Mariannes Schuldloſigkeit
ins Treffen zu führen, und was bedeutete das gegen die grau-
ſamen juriſtiſchen Spitzfindigkeiten, gegen die Indizien, die man
geſamnielt hatie, um die arme junge Frau zur Mörderin und
ihren Gatten zum Mithelfer zu ſtempeln?!

Stephan ſtellte ſich den Kampf in der Bruſt ſeiner Mutter
vor, die den Sohn und deſſen lange verkannte Frau dem Ver-
derben geweiht ſah, und er begriff, daß eine Weltflucht ihr
zwar als eine neue Schuld, aber gleichzeitig als einzige Erlö-
fung aus der unerträglichen Selbſtqual erſcheinen mußte.


gewißheit!

Cr für ſeine Perſon gab den Kampf aber auch jetzt noch nicht
auf. Wenngleich wenig Ausſicht auf eine Freiſprechung vor-
handen war, ſo hing er jetzt doch zäh am Leben. Er mußte ge-
funden, denn er wollte ſeine ganze Kraft einſetzen, um Mariannes
Schuldloſigkeit zu beweiſen, die Spur jenes heimtückiſchen, feigen
Flüchtlings unabläſſig zu verfolgen. Dieſer Aufgabe ſollte fein
ganzes kuͤnftiges Leben gewidmet ſein.

Da brachte am Abend des dritten Tages ein Telegramm aus
Almagel, einem öſtlich am Fuß des Feegletſchers belegenen
Alpendorf, die Kunde nach Siders, daß die alte Frau Lugenz
am Leben ſei, und daß die Annahme nicht ausgeſchloſſen er-
ſcheine, Hubert Leonard ſei thatſächlich im Feegebiet abgeſtürzt
und habe dabei das Leben eingebüßt. Eine Leiche ſei nämlich
in der Höhe von zweitauſenddreihundert Meter, genau ober-
halb von Almagel, entdeckt worden. Ihre Bergung Und die Feſt-
ſtellung der Perſönlichkeit ſei aber noch nicht möglich geweſen.









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Das Moltke-Denkmal in Yreskau. (S. 262) }
Nach einer Photographie von Ed van Delden Nachf. (Inh. H. Götz in Bveslau.

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