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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 22
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0473
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varLuchfüffM
Bustriette stsmilienreitung
22. Heft. Ml.


Der Medderkoog.
5chleswig-ljolsteinscher Ikoman von
Henriette v. Meerheimb.
(foNsüliung.) - -- — (NLchdwck veibvlen.)
8iedente5 Kapitel.
äe Verhandlungen mit Seiner Königlichen
Hoheit müssen als gescheitert angesehen
werden."
Graf Holm stand in dienstlicher Haltung
! vor dem Lehnstuhl des Königs, der dicht

an den Kamin herangeschoben war. Trotz der noch
sommer ichen Wärme brannte dort das Feuer mit
behaglichem Schnurren, denn den kranken König
fror beständig.
Heute bot Christian VII I. seinem Minister nicht
wie sonst bei Audienzen einen Sitz an. Er ließ ihn
stehen. Keine Muskel zuckte in dem feingeschnit-
tenen Gesicht des Königs. In seinen großen blauen
Augen, die er fest auf den Grafen richtete, lag ein
kalt messender Blick. Klar wie durch Glas hindurch
lasen diche durchdringen-
den Augen des Königs in
dem Herzen seines Bera-
ters. Die Beweggründe,
die diesen geleitet hatten,
die Verhandlungen zum
Scheitern zu bringen, wa-
rendemscharfenVerstande,
dem leicht erregten Miß-
trauen Christians VIII.
kein Geheimnis. Der Mi-
nister, der so oft um ihn
war, erriet offenbar die
Schwere seines verheim-
lichten Leidens und sicherte
sich die Zukunft, indem er
um die Gunst des künfti-
gen Herrschers warb.
Kronprinz Friedrich,
der mit keiner Miene sei-
nes dicken, schwammigen
Gesichts an die edelgeschnit-
tenen Züge seines Vaters
erinnerte, saß etwas ab-
gekehrt in einem Samt-
sessel am Fenster, wie wenn
ihn die ganze Unterredung
nichts anginge. Seine
kleinen verschwommenen
Augen verfolgten die Be-
wegungen einer matten
Herbstfliege, die surrend
mit dem Kopf gegen die
reich kassettierteDecke stieß.
„Seine Königliche Ho-
heit der Kronprinz ver-
weigert es also, seinen Ge-
danken, Mamsell Christine
Rasmussen zu heiraten,
aufzugeben?" Die Stimme
des Königs klang laut uud
scharf in die Stille des
Zimmers hinein, in dem
man augenblicklich nur das
schläfrige Brummen der
Fliege und das leise Knak-
ken der Holzscheite hörte.
„Zu Befehl, Majestät."
Graf Holm warf dem
Kronprinzen einen auf-
munternden Blick zu, ohne
ihn indessen aus seiner

trägen Gleichgültigkeit aufrütteln zu können. Die
Folgen eines ausgiebigen Frühstücks lähmten Vor-
läufig noch die Verstandeskräfte des durchaus nicht
unbegabten oder ungebildeten, nur durch Trinken
und wüstes Leben herabgekommenen Prinzen.
„Und Seine Königliche Hoheit verweigert es
ferner, im Fall dieser unebenbürtigen Heirat auf
den Thron zu verzichten?"
„Dies hatte ich bereits die Ehre, Eurer Majestät
zu bestätigen."
Christian VIII. neigte den Kopf. „Der Kron-
prinz hat einen Umstand dabei übersehen," sagte er
nach einer kurzen Pause langsam. „Unseren Haus-
gesetzen nach darf er sich keinem Bürgermädchen
antrauen lassen ohne meine Einwilligung. Mamsell
Rasmussen in den Adelstand zu erheben, weigere
ich mich entschieden. Seine Königliche Hoheit muß
also jedenfalls bis nach meinem Tode mit seiner
Heirat warten. Alsdann ist er erst ermächtigt, eine
Rangerhöhung der betreffenden Person vorzu-
nehmen und die geplante Heirat zur linken Hand
auszuführen."
Christian VIII. sprach über den Kopf seines

Sohnes weg, als ob dieser völlig Luft sei. Er
fürchtete offenbar, seine Heftigkeit könne ihn fort-
reißen, wenn er sich direkt an diesen Sohn, den er
nie geliebt hatte,, dessen zügelloses Leben seiner vor-
nehin maßvollen Natur abstoßend erschien, wandte.
„So warte ich eben noch," fiel Kronprinz Friedrich
phlegmatisch ein.
„Du meinst wohl, das könne nicht lange mehr
dauern?" fuhr der König gereizt auf.
„Oh, es eilt mir gar nicht so. Christine bleibt mir
treu, und du weißt ja, daß ich mich viel mehr für
Altertümer als für Regierungsgeschäfte interessiere,"
meinte der Kronprinz immer mit derselben trägen
Ruhe.
„Wenn dem so ist, dann begreife ich nicht, wes-
halb du nicht freiwillig auf die Thronfolge verzichtest
und es würdigeren Häuptern überlässest, nach mir
die Krone Dänemarks zu tragen, die dir bei deinen
Neigungen nur lästig sein kann."
Kronprinz Friedrich sah den Minister fragend an.
Aber der blickte ihm nur mit einem warnenden Aus-
druck in die Augen.
„Wenn ich König bin, kann ich Christine zur
Gräfin erheben," meinte
Kronprinz Friedrich nach
einigem Überlegen. Seine
Gedanken klärten sich all-
mählich, und manche Rat-
schläge des Ministers kamen
ihm ins Gedächtnis. „Dein
Nachfolger würde dies
ebensowenig tun wie du
selbst. Auch kann ich ganz
anders für sie sorgen,
wenn ich König bin."
„Eine Rangerhöhung
für die besprochene Per-
son und auskömmliche
Rente für euch beide soll
dir im Fall deines Ver-
zichtes zugesichert werden."
Aber der Kronprinz
schütteltestörrischden Kopf.
„Nein — es ist schon besser,
für sich selbst sorgen zu
können, als sich auf andere
zu verlassen,", meinte er
mit echter Bauernschlau-
heit. „Wenn der Glücks-
burger hier König ist, könnte
ich sehen, wo ich bliebe —
trotz der schönsten Ver-
sprechungen."
„DeinPrivatvermögen
ist unantastbar."
„Ich will aber ein neues
Museum in Kopenhagen
bauen und das Interesse
für nordische Altertümer
im Volk beleben."
„Du tätest besser da-
ran, dem Volk ein gutes
Beispiel zu geben, statt
durch deine Ehescheidun-
gen und diese niedrige Hei-
rat Anstoß zu erregen,"
brauste der König auf.
„Meine Heirat kann
doch das Volk nicht är-
gern ," entgegnete der
Kronprinz lachend. „Beim
Volk werde ich nur noch
beliebter dadurch werden.
Christine stammt aus dem
Volk. Und meine Ehe-

vle neue französische Uniform. (5. 482)

XXII INI.
 
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