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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Heft 26
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https://doi.org/10.11588/diglit.44086#0504
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DasBuchfürAlle

H-ft 26


„Nanu! Was ist denn das? Ilse! Mar! Was fällt euch denn
ein?" dröhnte es in die Seligkeit der beiden hinein, daß sie
erschrocken auseinanderfuhren, und zum Bewusstsein der Wirklich-
keit kommend, sahen sie Herrn v. Zornau mit untergestemmten
Armen vor sich stehen. „Knutscht sich diese Rasselbande ab,
datz sie nichts hört und sieht, gerade, als ob man auf Zephirs-
flügeln dahergeschwebt wäre! Seid ihr verrückt geworden?"
„Das kommt auf den Gesichtspunkt an, von dem man's
betrachtet," erwiderte Mar. „Machen Sie nur nicht erst Ihr
Zornebockgesicht, Papa Zornau, es nützt Ihnen nichts, denn an
der Tatsache, daß ich mich eben mit Ilse verlobt habe, kann es
nichts ändern."
„Was haste? Mit der Ilse haste dich verlobt? I, da soll doch
gleich eine scheckige Pudelmütze dreinschlagen!" schnob Zornau
förmlich zurückprallend. „Wie seid ihr denn auf den Gedanken
gekommen?"
„Ich nehme an, aus den gleichen Gründen, die Sie seinerzeit
bestimmten, sich mit Ilsens Mutter zu verloben," versetzte Mar
sanft, und ehe sich's der also Belehrte versah, hatten sich zwei
Paar Arme um seinen Hals geschlungen.
„Vater, lieber, einziger Vater, freu dich doch mit deinem
Jlsekind!" lachte und weinte es in sein rechtes Ohr. „Du hast
ja immer gesagt, daß du dem Mar so gut bist !"
„Und ich bin seit einer halben Stunde ganz närrisch reich,
denn Ilse ist meine Braut und der gute Zornebock mein
Schwiegervater!" rief ihm Mar ins linke Ohr.
„Der Deirel ist dein Schwiegervater!" schimpfte der Über-
fallene unter vergeblichen Bemühungen, sich loszumachen.
„Widersprechen ist unhöflich," erwiderte Mar vergnügt.
„Außerdem mutz jeder am besten wissen, was und wer er ist.
Ich bin der glückseligste Kerl unter der Sonne!"
Zornau gelang es endlich, sich zu befreien; sie nahmen ihn
nun in ihre Mitte, fahten sich an den Händen und führten eine
Art von Kriegstanz um ihn herum aus, wobei es merkwürdig
in seinem Gesicht zu zucken begann. Beschwörend hob er beide
Hände, fing dann mit einem EM seine Tochter aus und zog
sie zärtlich an sein Herz.
„Jlsekind, ist's denn wahr? Hast du den nichtsnutzigen
Bengel, den Mar, wirklich lieber als deinen Vater? Willst
du mich wegen so 'nem langen Lümmel verlassen?" fragte er
mit schlecht verhehlter Rührung.
„Ach, Vater," schluchzte Ilse, „ich wollte ja nicht! Aber er
hat mich überrumpelt, und weil ich ihn so schrecklich liebhabe,
bleibt mir nichts anderes übrig. Das wirst du einsehen?"

„Einsehen, einsehen!" brummte Zornau. „Aber ob ich's
einsehe oder nicht, wie wollt ihr denn leben? Und wovon
will er mir denn einen Schafstall bauen?" setzte er hinzu. Dabei
fiel sein Blick auf den See und jenseits des Sees auf das daraus
hervorragende Schloß, und obwohl der alte Zornebock nichts
weniger als berechnend und habgierig war, fuhr ihm zum
ersten Male seit der Katastrophe in diesen Mauern der Ge-
danke durch den Kopf, datz Mar ja nun der Erbe von Elbenborn
sei. „Du, Ilse, da schwimmt ja dein Hut!" rief er, auf den See
deutend.
„Latz ihn schwimmen, Vater, es ist mein alter," erwiderte
Ilse lachend. „Tante — nein, Mutter Ehrengard borgt mir zur
Heimfahrt einen von den ihrigen."
„Na ja, dann — wenn's nur dein alter ist — Mar, Junge,
wenn du mir mein Jlsekind nicht glücklich machst, dann schlage
ich dir alle Knochen im Leibe entzwei! Verstanden?"
„Man mutz den Segen nehmen, wie er geboten wird und
nicht über die Form stolpern, Papa Zornebock," sagte Mar
gerührt. „Ich danke dir von Herzen und verspreche dir, datz
es die Aufgabe meines Lebens sein soll, über meine Knochen zu
wachen!"
Nun mutzte Vater Zornau lachen.
„Was der Bengel für 'ne Schnauze hat!" rief er und um-
armte seinen Schwiegersohn. „Aber," setzte er energisch hinzu,
„aber wenn ihr denkt, datz ich allein in dem ollen, grotzen Kasten
von einem Hause bei mir sitzen bleiben werde, dann habt ihr
euch geschnitten! So haben wir nicht gewettet! Allein bleibe
ich nicht, und geht die Ilse, dann geh' ich hin und heirate das
älteste Lohmamädel. Basta!"
„Aber Vater, das ist ja ein herrlicher Einfall!" rief Ilse be-
geistert. „Die Lini Lohma patzt wunderbar zu dir, da kann ich
beruhigt Gott weitz wo hin ziehen. Ja, die Lini schwärmt doch
schon lange für dich, das tut sie, die Gräfin hat mir's mal an-
vertraut. Oh, nun ist ja alles in schönster Ordnung! Und den
Pudel Lumpi bringt sie dir mit in die Ehe, ohne den kriegst
du sie nämlich nicht!"
Vater Lohma ging wirklich hin und heiratete die Lini Lohma
mit dem Pudel Lumpi und hat es, so viel ich weih, auch nie
bereut, denn sie patzt ganz ausgezeichnet zu ihm, fast so gut wie
Ilse und Mar zusamnren passen, und das will viel sagen. Seit
die beiden ein unbeschreiblich seliges Paar wurden, sind Jahre
vergangen, so datz man sich über die Beständigkeit ihres Glückes
keine Sorge mehr zu machen braucht.


Zu unseren Bildern


1- Vie erste Luftschiffahrt über den Atlantischen Gzean (S. 503). —
Geschickt, wie sie in Bearbeitung der öffentlichen Meinung im Kriege
waren, haben sich die Engländer als Meister dieser erfolgreichen Waffe
auch in den Tagen der Übergangszeit zum Frieden gezeigt, in der die
deutsche Konkurrenz noch ausgeschaltet war. Die Angst vor dem gefähr-
lichen Wettbewerb Deutschlands auf dem Gebiete der Luftjchiffahrt ist
ja in England so groß, daß jüngst eine britische Beteiligung an einer aus-
ländischen Fachausstellung nur unter der Bedingung der Ausschaltung der
Deutschen erfolgte. Diese Furcht vor der Überlegenheit der deutschen
Zeppeline hat Albion auch bewogen, den Ozean-„Wettflug" in den ersten
Tagen des Juli zu veranstalten, als der Gegner noch von der Welt ab-
geschlossen war. In getreuer Anlehnung an die mustergültige Konstruktion
der deutschen Luftschiffe, die auszukundschaften ihnen die in der Kriegszeit
in England und Frankreich gestrandeten Zeppeline die langersehnte Ge-
legenheit gaben, erbauten die Engländer das Luftschiff K 34, die fast
ins kleinste gehende Nachahmung des Lebenswerkes des großen deutschen
Erfinders, dessen Namen sie natürlich totschweigen. In der Nacht vom
1. zum 2. Juli begann der britische Zeppelin mit einer Besatzung von
31 Mann seine Fahrt von Irland nach Amerika. 204 Meter lang, wurde
er von den geschickten englischen Reklameleuten als „das größte Luftschiff
der Welt" ausposaunt, während die deutsche Zeppelinwerft längst größere
erbaut hatte. Ausgestattet mit fünf Motoren von je 250 Pferdestärken,
die auf vier Gondeln verteilt waren, legte li 34 den Weg in 108 Stunden
Fahrt zurück. Und die ging nicht so glatt von statten, wie man sich dachte.
Die Konstruktion hatte man den Deutschen ab geguckt, aber die Erfahrungen

in der Steuerung und Führung eines solchen Luftschiffes wollen selbst
erworben sein, und so hatte die Besatzung denn auch manche „Kinder-
krankheit" in dieser Hinsicht durchzumachen. Von Wind und Wolken ab-
getrieben, nur noch mit geringem Brennstoffvorrat versehen, mußte sie
sich entschließen, durch Notfunksprüche die amerikanische Admiralität um
die Entsendung von Kriegschiffen zur Hilfeleistung zu bitten, denn eine
Landung auf offener See schien unvermeidlich. Es war nicht das Ver-
dienst der Erbauer und Fahrer, daß die Fahrt doch noch zu einem glück-
lichen Ende geführt werden konnte, als ein günstiger Wind dem Luftschiff
über die letzte Strecke hinweghalf. Ohne diesen Glückszufall hätte R 34
aus eigener Kraft den anderen Erdteil nicht erreicht, denn bei der Landung
war nur noch ein Brennstoffvorrat für 90 Minuten Fahrt vorhanden!
Die gerade Entfernung zwischen Abfahrts- und Ankunftsort beträgt
5000 Kilometer, die wirklich zurückgelegte Strecke war infolge Abtrieb
etwas größer; die erreichte stündliche Durchschnittsgeschwindigkeit schätzte
man auf etwa 53 Kilometer. Und das wurde als unerhörteste, noch nie
erreichte, geschweige übertroffene Leistung in alle Welt telegraphiert,
gekabelt und gefunkt; der englische König sandte ein Telegramm an den
Luftschiffkapitän, in dem er die Fahrt als den Beginn einer neuen Zeit-
spanne bezeichnet. Ist sie wirklich so gewaltig? Nein, im November 1917
hat das deutsche Zeppelinluftschiff D59 unter viel schwierigeren Ver-
hältnissen, mitten im Weltkrieg, auf der Fahrt von Bulgarien nach Afrika
und zurück, ohne Zwischenlandung 6750 Kilometer in 95 Stunden, also
mit 70 Kilometern Stundengeschwindigkeit, zurückgelegt, und besaß bei
der Landung noch Brennstoff für 2'/- Tage Fahrt!
 
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