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Das Buch für Alle

erkennen, was das für eine is, die er sich auf sein' Hof gefreit hat,
seinen Blutsverwandten zum Tort. Er kommt dr hinter dein'
Sliche. Du wirst sehen. Du wirst sehen."
„Was unnerstehst dich?" rief Eina außer sich. „Mas für eine'
sagst von mir un ,Sliche'! So viel Rechtschaffenheit un Ehrbar-
keit, wie du hast, Trautmarei, trau' ich mir noch lange zu."
Wilm hatte von seinem Platz aus den Streit der beiden Frauen
gesehen. Er kam eilig herbei.
„Was is dr hier zu tun?"
„Swager, dein' Frau vergißt den Respekt, den sie mir schuldig
is," schrie Trautmarei.
Un Gina rief dagegen: „Rich wahr is's! Sie bietet mir Schimpf
un Schande. Einen Kuckuck schilt sie unser Kind — un den Pott-
hof is sie für sich verlangend."
Auch Hinnerk Potter war herzugetreten. Er wehrte seiner Frau,
die zur Rede ansetzte.
„Trautmarei," sagte er, „regier' dich."
Und zu Wilm wandte er sich: „Wir wollen hier kein' Zwist an-
heben, Wilm. Mein' Meinung kennst."
„Ja, Hinnerk. Aber es is nich meine. Mein Hof is mein Hof
un bleibt mein Hof. Da an wirst nir ändern."
Hinnerk zuckte die Achseln. „Von dem großen Unrecht, das du
mir un mein' Kinders durch dein' Heirat angetan hast, will ich
nich mal reden. Aber es bleibt ein' alte Erfahrung, daß dr nir
Gutes bei rauskommt, wenn ein Mann in dein' Jährens es noch
mit dem Freien kriegt."
„Hinnerk!"
Wilm hatte die zur Faust geballte Hand erhoben. Er war dunkel-
rot im Gesicht vor Wut.
Piter Clüver, der Vater, trennte eilig die Streitenden.
„Nu, nu, Nachbars! Immer sachting. Is das ein' Art für Brü-
ders? — Nee, nee, nich ein einzigst Wort mehr! Kein' von beiden!
— In mein' Haus will ich das nich haben, daß ihr gegeneinander
angeht."
Verstummend trat Hinnerk einen Schritt zurück.
Wilm wandte sich zu Gina: „Ich mein', Frau, es is Zeit, daß
wir nacy Haus gehen."
„Ja, Wilm."
Vergebens nötigte die Hausfrau zum Verweilen. Bald brachen
auch die anderen auf.
Der erste weiße Morgenschimmer lag auf den knospenden
Virkenbäumen am Kanal. Zuerst marschierte die Hochzeitsgesell-
schaft fast geschlossen die endlose Dorfstraße hinunter. Dann bog
eine Familie nach der anderen über die Kanalbrücke in ihr Ge-
höft, Bauer und Gesinde. Zuletzt war Hinnerk Potter mit den
Seinen allein, denn der Snakenhof lag am Ende
von Beekenmoor. Voran stelzte schweigend
in seinem Grimm und seine lange Pfeife
rauchend der Hausvater, ihm zur
Seite Trautmarei, eine scharfe Röte
auf den Backenknochen, von ver-
haltenem Zorn herrührend oder
von der Kraft des Warmbiers,
denn es war der Bäuerin
Grundsatz, das Gute, das
kostenlos genossen werden
konnte, gründlich zu genie¬
ßen. Ein wenig abseits hielt
sich Eeschmargret, schien
mit blicklosen Augen in
unendlichen Fernen Un¬
sichtbares zu sehen, und
summte ein altes Lied
vor sich hin, ein weh¬
mütiges Liebeslied, das
zu hörenHinnerk Potter
stets innerlich rasen
machte und das doch
eine eigene Scheu ihn

abhielt, ihr zu verbieten. Hinterher stapften Knecht und Magd,
müd, befriedigt und ein wenig schwankend. Zuletzt kamen Krischan
und Menne, die Söhne, ein paar Bengel im Flegelalter. Der frische
Morgenwind scheuchte die Schlaftrunkenheit von ihren Augen.
Sie flüsterten eifrig miteinander.
„Fein war's," lobte Krischan, der Altere.
„Wenn ich mal ein' Hof hab', denn tisch' ich noch ganz anders
auf," prahlte Menne, der Zwölfjährige.
„Man bloß — du kriegst kein'," höhnte Krischan. „Vadder sein'
Hof krieg' ich."
„Pah, der Potthof is ihm noch über. Den krieg' ich."
„Den hat dir Onkel Wilm sein Lütjer weggefressen. Etsch!"
„Ich krieg' ihn doch!"
„Da lur' up."
„Mudder sagt, ich krieg' ihn," trotzte Menne. „Un wenn Mudder
was sagt, denn kömmt das auch so." Das hatten die beiden schon
oft erfahren.
Sie bogen über die Kanalbrücke in das lichtlose Haus. Die Tür
war unverriegelt. Uber das dunkle Flet tappten Knecht und Magd
in ihre Kammern. Eeschmargret kniete vor dem Feuerloch im
Mosaikboden des Flets nieder, blies eifrig die verglimmenden
Torfbrocken an und murmelte unverständliche Sprüche in ihr
Knistern.
Krischan knuffte Menne in die Seite.
„Das narrige Weib predigt wieder. Soll ich ihr mal flink ins
Ohr schreien? Denn vergißt sie sich. Pass' aus!"
Aber ehe der Schlingel sein Vorhaben ausführen konnte, fuhr
Eeschmargret von den Knien auf, laut jauchzend schrie sie durch
das Flet: „Es brennt! Es brennt! — Flammens! Flammens! —
Immer mehr Flammens!"
Und verzückten Angesichts in die Glut starrend, warf sie Tors-
brocken nach Torfbrocken vom Rand in das Feuerloch, bis Traut-
marei ihr erschrocken die Hand festhielt.
„Holl up! — Willst uns das Haus anböten? Hinnerk, hab'
ich's nich gesagt, daß dein' Swester ihr' Zuständens kriegen wird,
wenn du sie mit auf die Hochzeit nimmst? Auf mich hast du nie
nich gehört. Da hast es nu."
Hinnerk packte mit eisernem Griff den Arm der Entrückten
und faßte sie scharf ins Auge.
„Geh slafen, Eeschmargret."
Sie sank in sich zusammen, schien sich zu besinnen.
„Geh slafen — geh slafen — Hast mir das nich schon mal ge-
sagt? — Wann man? — Slafen is gut Ding-Ich hab' man
immer so stimme Träume, Hinnerk — gans slimme — Dann
brennt es hell um mich. Ich seh' Flammens, nichts als Flam-
mens— Ich seh' dann dich un — oder is das kein
Traum gewesen? Is das --"
Er schüttelte sie roh, und vor dem Blitz,
der aus seinen Augen sie anflammte,
erbebte sie.
Nee, nee, hast wohl recht, Hin-
nerk, es war ein Traum — man
bloß ein stimmen Traum —
Müden Schrittes schlurfte
sie ihrer Kammer zu. Mit
ein p aar kräftig en Stö ß en
beförderte Trautmarei
ihre Söhne in die ihre.
Nun stand en B au er und
Bäurin einander allein
gegenüber auf dem
Flet, das die von
Eeschmargret ange-
fachte Torfglut mit
düsterem Rot erhellte.
Trautmarei stellte sich
kampfbereit vor ihren
Mann.
(f^ortfehung folgt)

„Wer ein holdes Weib errungen ./ Scherenschnitt von Gerti Abel
 
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