Wie die Erde am Himmel der Venus erscheint: Ein blendender Stern, der hellste des Firmaments
6-Aterrrre * Von Alwin DreUer
er Dichter des schönen alten Liedes: „Weißt du wieviel Sternlein
stehen" hat sich ein Märchen erdacht, denn die Sterne stehen nicht am
Himmel, sondern rasen mit großer Geschwindigkeit durch den kosmischen
Raum. Die heutige Wissenschaft ist davon überzeugt, daß es in Wirklich-
keit keinen einzigen Stern am Himmel gibt, der an seinem Ort im Raum
unbeweglich verharrt. Aber trotz der ungeheuren Geschwindigkeit der
Sterne sind ihre Eigenbewegungen, von uns aus gesehen, unmerklich lang-
sam, so daß selbst der bloße Anblick des Himmels nichts davon verrät.
Auch unsere Sonne durchfliegt mit der phantastischen Geschwindigkeit
von rund 1700 Kilometer in der Minute den Himmelsraum, wobei sie
alle Planeten, Kometen und Meteorschwärme ihres Gebiets mit sich zieht.
Wohin dieser rasend schnelle Flug führt und was uns diese Reise dereinst
bringen mag, das alles sind Fragen, die das klügste Menschenhirn nicht
zu lösen vermag. Unsere Erde, die durch die Anziehungskraft der Sonne
bei ihrem Flug durch das Universum mit fortgerissen wird, durchsaust
demnach mit einer neunhundertfachen Geschwindigkeit eines Schnellzuges
den kosmischen Raum; sie übertrifft die Schnelligkeit eines Artilleriege-
schosses um das Vielfache.
In einer solchen Hast und Rastlosigkeit bewegt sich das ganze Sternen-
heer. Es ist ein wirbelndes Durcheinander, von keines Menschen Auge er-
faßbar, weil die Sterne durch so gewaltige Zwischenräume voneinander
getrennt sind, daß man erst nach Jahrtausenden eine kleine Ortsveränderung
an ihnen bemerken kann. Viele Sterne, die scheinbar zusammengehörig
beieinanderstehen, wie das Sternbild des Großen Bären, sind viele Bil-
lionen Kilometer voneinander entfernt und nehmen entgegengesetzte Rich-
tungen ein. Aber erst nach vielen
Jahrtausenden läßt sich eine Ver¬
schiebung des betreffenden Stern¬
bildes feststellen. Würde man in
einem Raketenluftschiff durch den
Himmelsraum fliegen, so brauchte
man mehrere Jahrhunderte, bis sich
die Perspektive am Himmel unseren
Blicken verändert hätte. Nur ganz
allmählich würden dann die schein¬
bardichtzusammenstehenden Sterne
weiter auseinanderrücken, wie die
Bäume einer Allee sich langsam
auseinanderziehen, je näher man an
sie herankommt. Bedenkt man, daß
der nächste Nachbar unserer Sonne,
der Alpha Centauri im Sternbild
des Centaur, schon 4,3 Lichtjahre,
also rund 41 Billionen Kilometer,
von uns entfernt ist, so kann man
sich eine ungefähre Vorstellung von
den unermeßlichen Tiefen des Universums machen. Nun gibt es Sterne,
die sich unserer Fluglinie nähern, das heißt uns mit ungeheurer Ge-
schwindigkeit entgegeneilen, während sich wieder andere in fliehender Eile
von uns entfernen. Und doch hat sich seit der Zeit der Beobachtungen
des Begründers der wissenschaftlichen griechischen Astronomie, Hipparch,
der im zweiten Jahrhundert vor Christo lebte, keine merkliche Veränderung
an den Sternbildern gezeigt, obwohl es Sterne am Himmel gibt, die
noch viel schneller durch den unendlichen Raum eilen als unsere Sonne.
Die größten Schnelläufer des Universums entdeckte man in den beiden
Sternen Gr. 1830 und u Bootis. Die Geschwindigkeit, mit der sich der
Stern Gr. 1830 am Himmel fortbewegt, beträgt rund 17800 Kilometer
in der Minute, also das Zehnfache der Sonnengeschwindigkeit. Noch rascher
bewegt sich der Stern a Bootis vorwärts, der sogar 24900 Kilometer
in der Minute zurücklegt!
Unser menschliches Begriffsvermögen reicht nicht aus, diese ungeheuren
Schnelligkeiten zu erfassen, und unser Verstand versagt, wenn er danach
forscht, wie es möglich ist, daß solche Riesenkörper am Himmel sich in so
rasendem Tempo fortbewegen können. Ist doch unsere Sonne, die unseren
Erdball an Masse rund 330000mal und an Größe rund 12 000mal über-
trifft, immerhin nur ein Sternchen mittlerer Größe! Wir sehen die Wunder
des Himmels mit erstauntem Auge, sehen die Sterne in friedlicher Ruhe
am Himmel blinken und ahnen nicht, daß auch dort das Kommen, Werden
und Vergehen mit derselben Hast sich abspielt wie bei uns auf Erden.
Könnten wir Sternweiten zu Zollbreiten zusammendrängen und Jahr-
tausende zu Sekunden machen, so würde sich das Weltbild über uns mit
der Schnelligkeit eines Filmes vor
unseren Augen abrollen. Dann sähen
wir die Sterne wie Mücken durch-
einanderwirbeln, denn nur schein-
bar herrscht Ruhe am Himmelszelt.
Das kommt und geht, schwebt hin
und her, taucht auf und nieder, er-
wacht zum Leben und stirbt dahin,
wie alles in der Welt. Nur der
Maßstab ist dort ein anderer: er
wächst ins Riesengroße, macht Son-
nen zu winzigen Lichtpünktchen und
Jahrmillionen zu einer Sekunde
der Ewigkeit.
Doch der Mensch, das kleine Lebe-
wesen der Erde, er schaut gen Him-
mel mit kindlichem Blick und summt
verträumt die liebe, alte Märchen-
weise: „Weißt du wieviel Stern-
lein stehen an dem blauen Himmels-
zelt ...?"
Erde und Mond im Weltenraum
6-Aterrrre * Von Alwin DreUer
er Dichter des schönen alten Liedes: „Weißt du wieviel Sternlein
stehen" hat sich ein Märchen erdacht, denn die Sterne stehen nicht am
Himmel, sondern rasen mit großer Geschwindigkeit durch den kosmischen
Raum. Die heutige Wissenschaft ist davon überzeugt, daß es in Wirklich-
keit keinen einzigen Stern am Himmel gibt, der an seinem Ort im Raum
unbeweglich verharrt. Aber trotz der ungeheuren Geschwindigkeit der
Sterne sind ihre Eigenbewegungen, von uns aus gesehen, unmerklich lang-
sam, so daß selbst der bloße Anblick des Himmels nichts davon verrät.
Auch unsere Sonne durchfliegt mit der phantastischen Geschwindigkeit
von rund 1700 Kilometer in der Minute den Himmelsraum, wobei sie
alle Planeten, Kometen und Meteorschwärme ihres Gebiets mit sich zieht.
Wohin dieser rasend schnelle Flug führt und was uns diese Reise dereinst
bringen mag, das alles sind Fragen, die das klügste Menschenhirn nicht
zu lösen vermag. Unsere Erde, die durch die Anziehungskraft der Sonne
bei ihrem Flug durch das Universum mit fortgerissen wird, durchsaust
demnach mit einer neunhundertfachen Geschwindigkeit eines Schnellzuges
den kosmischen Raum; sie übertrifft die Schnelligkeit eines Artilleriege-
schosses um das Vielfache.
In einer solchen Hast und Rastlosigkeit bewegt sich das ganze Sternen-
heer. Es ist ein wirbelndes Durcheinander, von keines Menschen Auge er-
faßbar, weil die Sterne durch so gewaltige Zwischenräume voneinander
getrennt sind, daß man erst nach Jahrtausenden eine kleine Ortsveränderung
an ihnen bemerken kann. Viele Sterne, die scheinbar zusammengehörig
beieinanderstehen, wie das Sternbild des Großen Bären, sind viele Bil-
lionen Kilometer voneinander entfernt und nehmen entgegengesetzte Rich-
tungen ein. Aber erst nach vielen
Jahrtausenden läßt sich eine Ver¬
schiebung des betreffenden Stern¬
bildes feststellen. Würde man in
einem Raketenluftschiff durch den
Himmelsraum fliegen, so brauchte
man mehrere Jahrhunderte, bis sich
die Perspektive am Himmel unseren
Blicken verändert hätte. Nur ganz
allmählich würden dann die schein¬
bardichtzusammenstehenden Sterne
weiter auseinanderrücken, wie die
Bäume einer Allee sich langsam
auseinanderziehen, je näher man an
sie herankommt. Bedenkt man, daß
der nächste Nachbar unserer Sonne,
der Alpha Centauri im Sternbild
des Centaur, schon 4,3 Lichtjahre,
also rund 41 Billionen Kilometer,
von uns entfernt ist, so kann man
sich eine ungefähre Vorstellung von
den unermeßlichen Tiefen des Universums machen. Nun gibt es Sterne,
die sich unserer Fluglinie nähern, das heißt uns mit ungeheurer Ge-
schwindigkeit entgegeneilen, während sich wieder andere in fliehender Eile
von uns entfernen. Und doch hat sich seit der Zeit der Beobachtungen
des Begründers der wissenschaftlichen griechischen Astronomie, Hipparch,
der im zweiten Jahrhundert vor Christo lebte, keine merkliche Veränderung
an den Sternbildern gezeigt, obwohl es Sterne am Himmel gibt, die
noch viel schneller durch den unendlichen Raum eilen als unsere Sonne.
Die größten Schnelläufer des Universums entdeckte man in den beiden
Sternen Gr. 1830 und u Bootis. Die Geschwindigkeit, mit der sich der
Stern Gr. 1830 am Himmel fortbewegt, beträgt rund 17800 Kilometer
in der Minute, also das Zehnfache der Sonnengeschwindigkeit. Noch rascher
bewegt sich der Stern a Bootis vorwärts, der sogar 24900 Kilometer
in der Minute zurücklegt!
Unser menschliches Begriffsvermögen reicht nicht aus, diese ungeheuren
Schnelligkeiten zu erfassen, und unser Verstand versagt, wenn er danach
forscht, wie es möglich ist, daß solche Riesenkörper am Himmel sich in so
rasendem Tempo fortbewegen können. Ist doch unsere Sonne, die unseren
Erdball an Masse rund 330000mal und an Größe rund 12 000mal über-
trifft, immerhin nur ein Sternchen mittlerer Größe! Wir sehen die Wunder
des Himmels mit erstauntem Auge, sehen die Sterne in friedlicher Ruhe
am Himmel blinken und ahnen nicht, daß auch dort das Kommen, Werden
und Vergehen mit derselben Hast sich abspielt wie bei uns auf Erden.
Könnten wir Sternweiten zu Zollbreiten zusammendrängen und Jahr-
tausende zu Sekunden machen, so würde sich das Weltbild über uns mit
der Schnelligkeit eines Filmes vor
unseren Augen abrollen. Dann sähen
wir die Sterne wie Mücken durch-
einanderwirbeln, denn nur schein-
bar herrscht Ruhe am Himmelszelt.
Das kommt und geht, schwebt hin
und her, taucht auf und nieder, er-
wacht zum Leben und stirbt dahin,
wie alles in der Welt. Nur der
Maßstab ist dort ein anderer: er
wächst ins Riesengroße, macht Son-
nen zu winzigen Lichtpünktchen und
Jahrmillionen zu einer Sekunde
der Ewigkeit.
Doch der Mensch, das kleine Lebe-
wesen der Erde, er schaut gen Him-
mel mit kindlichem Blick und summt
verträumt die liebe, alte Märchen-
weise: „Weißt du wieviel Stern-
lein stehen an dem blauen Himmels-
zelt ...?"
Erde und Mond im Weltenraum