... Das B n ch f ü r Alle
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halbe Pprtschon Essen," antwortete Trautrüarei und kehrte ihm
den Rücken.
Hinnerk riß eigenhändig ein mächtiges Stück Speck aus dem
Rauch, packte einen ganzen Laib Brot auf den halben und ging
zu Schiff.
Doch während er rauchend auf seiner: Törfen lag und sein
pechschwarzes Segel wie ein Teufelsspuk zwischen den grünen
Ufern hinglitt, gingen die Worte Trautmareis ihm im Kopfe
herum.
„Ein halber Bauer." Freilich, das war er durch seines Vaters
Erbteilung. Gab es eine Möglichkeit, wieder ein ganzer zu werden?
Man mußte nachdenken — suchen, spüren — Wenn er den Be-
weis finden könnte für Trautmareis Wahrnehmungen? — Die
Augen offen halten! Die Augen offen halten!
ine, zwei Wochen gingen hin. Frühling ward's im Moor. Die
Vögel sangen ihn — hoch in den Lüften die Lerchen, in den
Strohdächern die Spatzen. Die Elstern plapperten von ihm in
den kahlen Eichenkampen, die Stare in den Obstgärten. Aber
die Pflanzen waren mißtrauisch. Der lange Winter hatte zu
schwer auf ihnen gelastet. Nur zaghaft brachen die Baumblättchen
aus ihren Hüllen. Zu blühen wagte einzig der vorwitzige Schleh-
dorn. Frühling war's darum doch. Der laue Wind wehte ihn über
die Fläche, die Moose um die Wassertümpel feierten ihn mit kräf-
tigeren Farben und die Menschen mit neuen Hoffnungen auf
ein nie erreichtes Glück.
Auch Gina atmete leichter. Heimliche Sorge hatte sie bedrückt
in diesen Wochen. Aber nun schien die Sonne hell und tröstlich.
Von den blaugewürfelten Kissen, auf die sie ihn vor der Flettür
gebettet hatte, lachte ihr blondlockiger Knabe sie mit ihres Mannes
blauen Augen an. Gott war gütig. Er verließ die nicht, die guten
Willens waren, wie die Sonne nicht die Erde verläßt, wenn sie
auch manchmal ihr Strahlengesicht vor ihr verbirgt. Seine Hand
würde sie sicher leiten auf dem dunklen Weg, auf den er sie ge-
stoßen hatte. Das rechte Wort würde er ihr auf die Lippe legen
zur rechten Zeit. Vielleicht — sie wagte kaum so Großes zu hoffen
— vielleicht nahm er die Gefahr ganz aus ihrem Leben.
Klein-Enno deutete jauchzend auf ein Käferchen, das einen
Grashalm erkletterte. Sie beugte sich über ihn.
„Ja, mein Lütjer, mein Einzigster, nach oben, nach oben sind
wir all' verlangend, Tiere un Menschen — —"
Da legte ein Arm sich um ihren Nacken. Erschrocken wandte
sie sich und sah in ihres Mannes Gesicht.
„Och," sagte sie AtLm schöpfend, „du büst das, Wilm."
„Wer denn sonst?"
„Nee, nee — sonst keiner dürft' sich das ja unnerstehn."
„Keiner von den jungen Burschen, die dich im Danz swenken
wollten? He?"
„Du kränkst mich mit dein' beständigen Verdacht-"
„Was erschreckt dich denn?"
„Ich weiß nich. Ich vermeint', du wärst dr noch über Land. —
Fein, daß du all zurück bist, mein Wilm."
„Ich muß wahrhaftig noch eins fort, Eina. Das Pferd, das
ich Meier-Hinze in Uberhamm abkaufen wollt', is nir wert. Aber
Külper in Quelkhorn soll ein feines Fohlen in sein' Stall stehen
haben."
„Nach Quelkhorn willst? Je, Wilm, denn seh' ich dich vor Nacht
nich wieder. Von Quelkhorn kommen die Beekenmoorer nich flink
zurück."
„Sei nich bang. Beim Wirt un beim Kartenspiel halt' ich mich
nich lang auf. Weißt auch, warum?"
Sie lächelte ihn an. „Sag' mir's."
„Weil ich am liebsten bei dir bin, Gina. Wahr is das. Wie mit
eiserne Ketten zieht's mich nach mein' Haus, wenn ich weg sein
muß von dir. Un wenn ich mir vorstell', daß ich dich dr mal nich
finden sollt' — ich weiß nich-ich weiß nich, was dannkäm'."
Das Blut schoß dunkel in sein Gesicht, und aus seinen Augen
schoß die Flamme, die sie fürchtete. Beruhigend legte sie die Hand
auf seine Schulter.
„Was machst dir für Gedanken, mein Wilm! Bin ich nich
jung un gesund? Wie sollt' ich dir denn mit eins verswinden?"
„Menschen können verswinden aus dem Leben von ein'
andern ohne Krankheit un ohne Sterben.-Wenn ich mir
vorstell', du könnt'st nach mir nir mehr fragen — un dein' Sinn
hängen an ein' andern Mann —"
Sie wandte sich unmutig ab.
„— Eina, wie kann man doch jemand liebhaben, wie ich dich
liebhab' — un nich leben in ein beständiges Bangen um sein' Ver-
lust? — Wie ich all die langen Jahre hab' auskommen können
ohne dich, da über wunder' ich mich alle Dage. Aber das weiß
ich: nu— nu könnt' ich's nich mehr. Ein ganz slechter Kerl
würd' ich gewiß, wenn ich dich einmal verlieren sollt'."
„Nein, mein Wilm, das würd'st nich
werden. Denn du bist gut in dein' inner-
sten Kern un kannst nich raus aus dein'
Wesen. Bloß zu heftig bist oftmals mit
dein' jachen Zorn. Wenn unser Herrgott
mich dir nehmen sollt', denn so würdest
du in Geduld dich schicken in sein' Weis-
heit. Außer unsrem Herrgott aber kann
das keiner."
Er zog sie in seine Arme, preßte sie an
sich, daß es sie schmerzte.
„Keiner? — Gewiß, keiner? — Gina,
hast mich lieb? — Hast mich wirklich un
wahrhaftig lieb?"
„Ich hab' dich lieb, du wunderlicher
Mensch. Sieh, wie dein Jung' sein' Händ-
ch en all nach dir ausstreckt. Wie kannst in
Zweifel sein, ob wir dich liebhaben?"
Er küßte sie. Er nahm Klein-Enno auf
die Arme, drückte die Lippen auf sein
Blondhaar.
„Ja, Eina, ich bin woll ein Narr. Aber
m ein' großeLieb' zu dir macht mich dazu."
Er ging. Gina sah ihm nach, die Hand
auf das Herz gepreßt. Wie schön könnte
das Leben sein, wenn nicht — wenn
nicht-Aber Gott würde gnädig sein.
Noch ein Paar Augen schauten dem
Die Väter des Sarophons: Indische Tubabläser vor einem Tempel. (Sennecke)
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halbe Pprtschon Essen," antwortete Trautrüarei und kehrte ihm
den Rücken.
Hinnerk riß eigenhändig ein mächtiges Stück Speck aus dem
Rauch, packte einen ganzen Laib Brot auf den halben und ging
zu Schiff.
Doch während er rauchend auf seiner: Törfen lag und sein
pechschwarzes Segel wie ein Teufelsspuk zwischen den grünen
Ufern hinglitt, gingen die Worte Trautmareis ihm im Kopfe
herum.
„Ein halber Bauer." Freilich, das war er durch seines Vaters
Erbteilung. Gab es eine Möglichkeit, wieder ein ganzer zu werden?
Man mußte nachdenken — suchen, spüren — Wenn er den Be-
weis finden könnte für Trautmareis Wahrnehmungen? — Die
Augen offen halten! Die Augen offen halten!
ine, zwei Wochen gingen hin. Frühling ward's im Moor. Die
Vögel sangen ihn — hoch in den Lüften die Lerchen, in den
Strohdächern die Spatzen. Die Elstern plapperten von ihm in
den kahlen Eichenkampen, die Stare in den Obstgärten. Aber
die Pflanzen waren mißtrauisch. Der lange Winter hatte zu
schwer auf ihnen gelastet. Nur zaghaft brachen die Baumblättchen
aus ihren Hüllen. Zu blühen wagte einzig der vorwitzige Schleh-
dorn. Frühling war's darum doch. Der laue Wind wehte ihn über
die Fläche, die Moose um die Wassertümpel feierten ihn mit kräf-
tigeren Farben und die Menschen mit neuen Hoffnungen auf
ein nie erreichtes Glück.
Auch Gina atmete leichter. Heimliche Sorge hatte sie bedrückt
in diesen Wochen. Aber nun schien die Sonne hell und tröstlich.
Von den blaugewürfelten Kissen, auf die sie ihn vor der Flettür
gebettet hatte, lachte ihr blondlockiger Knabe sie mit ihres Mannes
blauen Augen an. Gott war gütig. Er verließ die nicht, die guten
Willens waren, wie die Sonne nicht die Erde verläßt, wenn sie
auch manchmal ihr Strahlengesicht vor ihr verbirgt. Seine Hand
würde sie sicher leiten auf dem dunklen Weg, auf den er sie ge-
stoßen hatte. Das rechte Wort würde er ihr auf die Lippe legen
zur rechten Zeit. Vielleicht — sie wagte kaum so Großes zu hoffen
— vielleicht nahm er die Gefahr ganz aus ihrem Leben.
Klein-Enno deutete jauchzend auf ein Käferchen, das einen
Grashalm erkletterte. Sie beugte sich über ihn.
„Ja, mein Lütjer, mein Einzigster, nach oben, nach oben sind
wir all' verlangend, Tiere un Menschen — —"
Da legte ein Arm sich um ihren Nacken. Erschrocken wandte
sie sich und sah in ihres Mannes Gesicht.
„Och," sagte sie AtLm schöpfend, „du büst das, Wilm."
„Wer denn sonst?"
„Nee, nee — sonst keiner dürft' sich das ja unnerstehn."
„Keiner von den jungen Burschen, die dich im Danz swenken
wollten? He?"
„Du kränkst mich mit dein' beständigen Verdacht-"
„Was erschreckt dich denn?"
„Ich weiß nich. Ich vermeint', du wärst dr noch über Land. —
Fein, daß du all zurück bist, mein Wilm."
„Ich muß wahrhaftig noch eins fort, Eina. Das Pferd, das
ich Meier-Hinze in Uberhamm abkaufen wollt', is nir wert. Aber
Külper in Quelkhorn soll ein feines Fohlen in sein' Stall stehen
haben."
„Nach Quelkhorn willst? Je, Wilm, denn seh' ich dich vor Nacht
nich wieder. Von Quelkhorn kommen die Beekenmoorer nich flink
zurück."
„Sei nich bang. Beim Wirt un beim Kartenspiel halt' ich mich
nich lang auf. Weißt auch, warum?"
Sie lächelte ihn an. „Sag' mir's."
„Weil ich am liebsten bei dir bin, Gina. Wahr is das. Wie mit
eiserne Ketten zieht's mich nach mein' Haus, wenn ich weg sein
muß von dir. Un wenn ich mir vorstell', daß ich dich dr mal nich
finden sollt' — ich weiß nich-ich weiß nich, was dannkäm'."
Das Blut schoß dunkel in sein Gesicht, und aus seinen Augen
schoß die Flamme, die sie fürchtete. Beruhigend legte sie die Hand
auf seine Schulter.
„Was machst dir für Gedanken, mein Wilm! Bin ich nich
jung un gesund? Wie sollt' ich dir denn mit eins verswinden?"
„Menschen können verswinden aus dem Leben von ein'
andern ohne Krankheit un ohne Sterben.-Wenn ich mir
vorstell', du könnt'st nach mir nir mehr fragen — un dein' Sinn
hängen an ein' andern Mann —"
Sie wandte sich unmutig ab.
„— Eina, wie kann man doch jemand liebhaben, wie ich dich
liebhab' — un nich leben in ein beständiges Bangen um sein' Ver-
lust? — Wie ich all die langen Jahre hab' auskommen können
ohne dich, da über wunder' ich mich alle Dage. Aber das weiß
ich: nu— nu könnt' ich's nich mehr. Ein ganz slechter Kerl
würd' ich gewiß, wenn ich dich einmal verlieren sollt'."
„Nein, mein Wilm, das würd'st nich
werden. Denn du bist gut in dein' inner-
sten Kern un kannst nich raus aus dein'
Wesen. Bloß zu heftig bist oftmals mit
dein' jachen Zorn. Wenn unser Herrgott
mich dir nehmen sollt', denn so würdest
du in Geduld dich schicken in sein' Weis-
heit. Außer unsrem Herrgott aber kann
das keiner."
Er zog sie in seine Arme, preßte sie an
sich, daß es sie schmerzte.
„Keiner? — Gewiß, keiner? — Gina,
hast mich lieb? — Hast mich wirklich un
wahrhaftig lieb?"
„Ich hab' dich lieb, du wunderlicher
Mensch. Sieh, wie dein Jung' sein' Händ-
ch en all nach dir ausstreckt. Wie kannst in
Zweifel sein, ob wir dich liebhaben?"
Er küßte sie. Er nahm Klein-Enno auf
die Arme, drückte die Lippen auf sein
Blondhaar.
„Ja, Eina, ich bin woll ein Narr. Aber
m ein' großeLieb' zu dir macht mich dazu."
Er ging. Gina sah ihm nach, die Hand
auf das Herz gepreßt. Wie schön könnte
das Leben sein, wenn nicht — wenn
nicht-Aber Gott würde gnädig sein.
Noch ein Paar Augen schauten dem
Die Väter des Sarophons: Indische Tubabläser vor einem Tempel. (Sennecke)