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Das Buch

Bauern nach, während er den Weg zum Kanal und über die
Brücke schritt, ein Paar pfiffige, listige Bubenaugen, die Augen
Karls, des Jungknechts. Er lieh die Arme mit der Heulast, die er-
den Ziegen vorwerfen wollte, sinken und verzog den Mund zu
einem breiten Grinsen, während er der melkenden Jungmagd
zunickte.
„Kiek bloß, Marlen, wie unser Bauer sein' Frau an'n hell-
lichten Dage absmuckt! So'n ollen, verliebten Kerl."
Um Marlens Antwort kam er, und sein Kichern erstarb in einem
Schmerzensschrei. Denn Wöbke, die Eroßmagd, die er in der
Dämmerung der Viehstände nicht gewahrt hatte, lieh ihn ihre
hartgearbeitete Hand kräftig am Ohr verspüren.
„Geht's dich an, Lausebengel!"
„Ich — ich hab' doch bloß mein' Freude dran," stotterte der
Überraschte.
„Dein loses Maul sollst halten — oder ich stopp' dir's." —
Wilm schritt indessen rüstig den Weg nach Quelkhorn — einen
vergeblichen Weg. Das Fohlen, das er kaufen wollte, hatte ihm
ein anderer schon vorweggenommen.
Inzwischen war die Sonne hinter einer schwarzen Wolkenwand
versackt. Ein eisiger Nordwest hatte sich aufgemacht, der Vortrab
von Hagel- und Schneeböen. Wilm achtete nicht aus den Um-
schwung des Wetters. Das rasche Gehen und sein Arger über die
Enttäuschung halten ihm warm gemacht, und sein Gaumen war
trocken. So trat er bei Mastmann, dem Schenkwirt, ein, um sich,
ehe er den Heimweg antrat, durch einen raschen Trunk zu er-
frischen.
Im Kreise von anderen Gästen saßen in der Wirtsstube schon
einige Beekenmoorer: Timm Clüver, der vor zwei Wochen Hoch-
zeit gemacht hatte, Ernst Rastetten, der auf dem ehemaligen Rode-
kampschen Wesen hauste, des Vorstehers Sohn, Klas Puvogel,

Der Wüstenkönig als Kinderspielzeug
Momentaufnahme aus einem Zvologischen^Garten. <A. Groß)


Heft 2

und Hinnerk Potter vom Snakenhos, Wilms Bruder. Seit der
Clüverschen Hochzeit war Wilm ihm aus dem Weg gegangen,
und hätte er ihn durch das Fenster von draußen gesehen, so würde
er vielleicht nicht in die Schenke eingetreten sein. Doch nun gab's
kein Zurückweichen. Er grüßte, setzte sich und bestellte einen Krug
Bier.
Fast an allen Tischen wurde Karten gespielt. Das war so Brauch.
Wenn die Moorleute beim Maßmann zusammenkamen, machten
sie ihren Skat. Wilm wurde sogleich aufgefordert, bei einer Partie
den dritten Mann abzugeben. Er lehnte ab. Es lohne nicht. Er
wolle bald heim.
„Meinen Bruder dürst ihr ja nich aufhalten," sagte Hinnerk, der
gerade Karten gab, über die flatternden Blätter weg. „Wenn
ein' in sein' Jahren ein' junge Frau in'n Haus hat un is ihrer
nich sicher-"
„Was snackst?" unterbrach Wilm, dem das Blut heiß zu Kopf
schoß. „Ich bin mein' Gina woll sicher."
„Nu, nu, sei man friedlich. Is ja recht. Is sehr fein, wenn
du sicher bist." Er warf die letzten Karten hin, lehnte sich im Stuhl
zurück und setzte halblaut hinzu: „Ich an dein' Fleck würd's ja
nich sein."
„Was soll das heißen? — Was willst damit sagen?"
„Nir, gar nir. I ch will dein' Frieden nich stören. Ja nich! —
Wenn einer nich sehen will, denn muß man ihn lassen."
„Jeden Eid swör' ich," rief Wilm, „mein' Hand will ich ins
Feuer legen dafür, daß mein' Eina ein' rechtschaffene Ehefrau
is, treu, wie sich's hört. Wer anders von ihr snackt, dem will
ich fein' Lügen in sein' Hals zurückhauen!"
„Das sind schöne Worte," meinte Hinnerk. „Die kosten nir.
Aber — eine Wette auf die Treue von dein' Frau würdest woll
nich eingehn wollen."
„Jede Wette! Um noch so viel."
„Im Ernst? — Nu, wir wollen den Satz nich zu hoch nehmen.
Fufzig Mark — wenn's dir recht is."
„Auch hundert!"
„Ihr habt's gehört," sagte Hinnerk zu den Kolonisten, die den
Saal füllten, „ihr könnt's bezeugen. Fufzig Mark setzt mein
Bruder auf dieTreue von seiner Ehefrau —un ich fufzig dagegen."
Er nahm die Karten auf, die Timm Clüver ihm ausgeteilt hatte.
Wilm war aufgesprungen.
„Himmelsakrament! Nu will ich endlich erfahren, worauf all
diese infamen Redensarten abzielen. Glaubst du was Nachteiliges
zu wissen über mein' Frau, Hinnerk — heraus mit dein' Beschul-
digung, damit daß ich sie zuschanden machen kann vor all denen,
die sie angehört haben."
Hinnerk sog an seiner Pfeife und schaute nachdenklich auf die
Karten in seiner Hand.
„Ja — jawoll. Wart' man. Wart' ein klein wenig. Dies Spiel
kann ich nich verpassen." Und zu seinen Mitspielern: „Grang!"
Er warf die erste Karte auf den Tisch.
Wilm mußte mit vor Wut kochendem Blut des Spieles Ende
abwarten.
Hinnerk gewann. Mit gierigen Händen leerte er die Kasse.
„Dunnerslag! Das war Swein!"
„Hinnerk!"
„Ja. Ja so. Jawoll. — Sag' mal, Wilm" — er hob den Kopf,
sah seinem Bruder gerade in die Augen — „hat nich dein' Gina
so'n wunderliche Kette gehabt mit eigroße gelbe Klunkern?"
„Die hat sie."
„Un auf der mittelsten, der dicksten Klunker, da is so'n Beest
eingeritzt, ein Reh unter 'nem Baum — —"
„Ja doch, die Kette hat mein' Eina. Was weiter?"
„Nir — als daß sie sie nich mehr hat."
„Ich versteh' nich —"
„Letzten Sonnabend hab' ich die Kette bei'n Trödler in Bremen
gesehen."
„Das is nich wahr!"
„Sie hing dr breit in sein' Schaufenster. Ich bin denn in'n
Laden reingegangen, ich wollt' doch wissen, ob meine Augen
 
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