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Heft 2

Das B u ch f ü r Alle

4Z

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Von K.Irnven, lomoulipas (Mexiko)
Illustriert von Manfred Pahl



(^^er Indianer Ascension ist kein größerer Gauner als alle anderen
^/Indianer in Mexiko, er liebt die Deutschen, zu denen ich zähle, und
das Hundegeschäft, das ich mit ihm machte, ist so charakteristisch für die
indianische Denkweise, daß ich es meinen Landsleuten in der Ferne zu
ihrer Erheiterung erzählen muß. Dieser Indianer Ascension kam eines
Tages zu mir und fragte mich, ob er nicht einen von meinen kleinen jungen
Hunden haben könne. Ich hatte fünf und wäre froh gewesen, wenn ich
drei hätte loswerden können.
„Sie können einen haben," sagte ich. „Welchen möchten Sie denn?"
Die kleinen Hunde spielten mit ihrer Mutter vor uns im Sande.
„Das ist mir ganz gleich," sagte Ascension. „Geben Sie mir einen, welchen
Sie wollen, Seüor."
Ich nahm einen kleinen Wicht beim Wickel und reichte ihn Ascension.
Er hätschelte ihn gleich und freundete sich mit ihm an. Ich hatte ja nicht
die Absicht, viel für den Hund zu verlangen. Aber mit dem Wegschenken
muß man sehr vorsichtig sein. Das wird immer falsch verstanden. Hätte
ich ihm den Hund geschenkt, dann wären eine halbe Stunde darauf alle
Männer und Jungen des Dorfes gekommen, um einen Hund von mir
geschenkt zu erhalten. Das sind solche Erfahrungen, die einen lehren, alle
Handlungen und Geschäfte, die man vorhat, klug zu überlegen.
„Das Hündchen kostet einen Peso," sagte ich nun zu Ascension.
„Das ist viel zu teuer für so einen kleinen Hund," sagte darauf der In-
dianer. „Er kann ja noch gar nicht richtig bellen."
„Wenn Ihnen der Perrito zu teuer ist, dann können Siedendorthaben,
der kostet nur achtzig Centavos, viermal zwanzig Centavos."
Der Hund war genau so gut wie der für einen Peso.
„Oder," ich ergriff wieder einen anderen, „Sie können auch den hier
haben, der kostet nur acht Reales."
Acht Reales sind ein Peso.
„Nur acht Reales?" fragte Ascension erstaunt. „Das ist aber billig. Wie
können Sie nur einen so schönen Hund so billig hergeben?"
„Ich tu> das auch nur Ihretwegen, Ascension, ein anderer Mann müßte
mir wenigstens zwölf Reales dafür bezahlen."
Nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, sagte er: „Ich nehme aber
doch lieber den Hund für einen Peso. Das ist ja sehr teuer, aber es ist der
beste Hund, der tapferste. Er wird gut bellen, das sehe ich jetzt schon."



Er nahm den Hund auf, nestelte ihn in seinen Arm, sagte: „^clios,
8süor!" und wollte gehen.
„Ascension, hören Sie einmal, was ist denn mit dem Peso? Ich habe
Ihnen doch gesagt, der Hund kostet einen Peso."
Ascension blieb ganz unschuldig stehen: „Einen Peso? Ja, das ist ganz
richtig, einen Peso. Sie haben das gesagt, einen Peso."
„Und den Peso müssen Sie mir jetzt geben, Ascension, oder Sie können
den Hund nicht mitnehmen."
„Was sind Sie denn eigentlich?" fragte Ascension, ohne den Hund nieder-
zusetzen. „Sind Sie ein Christ, oder sind Sie ein böser Heide? Das glaube
ich doch nicht von Ihnen. Sie sehen doch, wie sehr der Hund mich liebt."
Das war nicht ganz richtig. Das Hündchen strampelte und wehrte sich
und wollte wieder zurück zu seiner Mutter.
„Sehen Sie denn nicht, Seüor, daß der tapfere Hund immer an mein
Gesicht heran will, weil er mich liebt und nicht mehr von mir fort will?"
Ich mußte das Gespräch wieder auf den Kernpunkt zurückführen, denn
ich erkannte seine Absicht, die Rechtslage zu verwirren und sie zu jenem
Punkt zu führen, wo er von mir einen Peso verlangen wird, daß er den
Hund überhaupt zu sich nach Hause trägt.
„Haben Sie einen Peso bei sich?" fragte ich ihn nun.
„Nein, ich habe keinen Peso bei mir."
„Dann müssen Sie den Hund wieder hergeben und erst einen Peso
bringen," sagte ich und nahm ihm das Hündchen wieder ab.
Er war keineswegs gekränkt, blieb noch eine Weile stehen und trottete
dann seiner Wege.
Am nächsten Morgen, sehr frühzeitig, war Ascension wieder bei mir.
„Wer kocht Ihnen denn Ihre Frijoles?" fragte er.
„Die koche ich mir selbst."
„Wer macht Ihnen denn die Tortillas?"
„Die mache ich mir auch selbst."
Er schüttelte den Kopf. Er stand einer ihm völlig fremden Welt gegen-
über. Für ihn war es unbegreiflich, daß ein Mann allein leben konnte, daß
ein Mann sich sein Essen selbst kochte, seine Wäsche selbst wusch. Selbst die
indianischen Soldaten der Armee haben alle ihre Frauen in der Nähe, und
bei Truppentransporten müssen die Frauen alle mitgenommen werden,
weil die indianischen Soldaten sonst verhungern würden und nie ein reines
Hemd hätten.
Nun sah er mich eine Weile an und sagte dann: „Sie sehen gar nicht
gut aus, Seüor. Sie haben gar kein Fett an sich. Wie ein ganz mageres
Hähnchen. Ich glaube nicht, daß Ihnen das gut tut. Man kann sehr leicht
krank werden, wenn man ganz allein wohnt wie Sie. Das geht nicht. Ich
will Ihnen auch sagen, was Ihnen fehlt. Es fehlt Ihnen jemand, der Ihnen
die Frijoles kocht und die Tortillas klatscht. Das fehlt Ihnen."
„Ich werde ganz gut allein fertig," sagte ich.
„Das werden Sie nicht, Seüor. Mir können Sie so etwas nicht erzählen.
Ich bin ein erwachsener Mann. Kennen Sie meine Tochter Feliciana?"
„Nein."
„Meine Feliciana ist siebzehn Jahre, ein starkes und gesundes Mädchen,
meine Feliciana. Das ist sie. Und sie ist ein sehr hübsches Mädchen. Sie badet
 
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