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Das Buch für Alle Heft 4


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ussuf Ma ed Din 'Jvio Bei erzählte mir: In den Repräsentations-
räumen einer weltbekannten Firma in Westdeutschland können Sie
unter anderem auch einen ganz gewöhnlichen Öldruck hängen sehen, der
in den grellen und ziemlich giftigen Farbtönen dieser Erzeugnisse eine
romantische Landschaft darstellt, die mit allen hierfür, erforderlichen Bei-
gaben unter einer blutrot untertauchenden Sonne auf etwa ein Viertel
Quadratmeter zusammengedrängt ist. Man wundert sich darüber, wie
dieses wertlose Stück unter die kostbaren Originalbilder geraten ist, die
hier die Räume zieren, aber noch mehr wundert man sich über den kost-
baren Rahmen, der den wertlosen Abklatsch umgibt. Es ist ein schwerer
orientalischer Metallrahmen mit Inkrustationen von Silberfäden, Tür-
kisen, Rubinen, Perlmutter- und Goldplättchen, der eine wahrhaft köst-
liche Leistung eines Brussaer Meisters darstellt.
Dieser Öldruck im Prunkrahmen war weit teurer als jede einzelne
der ausgezeichneten künstlerischen Schöpfungen, die rings um ihn hängen.
Er hat folgende Geschichte.
Als die Türken Mitte 1800 den Krieg gegen die Russen führten, be-
warben sich alle größeren europäischen Waffenfabriken um Lieferungen

an das Osmanische Reich. Darunter war auch die deutsche Firma. Sie
hatte einen Vertreter nach Konstantinopel abgesandt, der mit dem Kriegs-
minister persönlich wegen eines Abschlusses verhandeln sollte.
Dieser Vertreter, ein Neuling im Orient, mußte bald einsehen, daß es
in der Türkei durchaus nicht so einfach war, militärische Lieferungen zu
erhalten, und daß dort weder die Güte der Ware noch ihre Preiswürdig-
keit allein für einen Zuschlag ins Gewicht fielen. Vielmehr gehörte dazu
als Oberstes und Erstes die Wohlgeneigtheit des Kriegsministers selbst.
Die Verhandlungen schleppten sich hin. Man bewies zwar dem Ver-
treter Entgegenkommen. Aber wenn er dachte, seinen Bissen erschnappt
zu haben, griff er ins Leere und mußte das Kriegsministerium immer
wieder unverrichteter Dinge verlassen.
So kam er denn zu dem peinlichen Gefühl, daß hier geschmiert werden
müsse, wenn die Sache wirklich ins Rollen kommen solle. Aber ihm als
Neuling war es durchaus unklar, an welcher Stelle und mit welchen
Summen eingesetzt werden müsse. Er begab sich daher zu seinem Bot-
schafter und fragte ihn naiv, wieviel Bakschisch so ein Kriegsminister
hierzulande zu nehmen pflege.
Der Botschafter lachte und sagte: „Verehrtester! Bakschisch muß
der Herr Kriegsminister ordentlich bekommen, wenn für Sie etwas
herausspringen soll. Ich rate Ihnen aber dringend, es ihm nicht
offen anzubieten. Sie stoßen dann sicher auf beleidigtes Erstaunen
und schroffe Abwehr und kämen nie wieder bei dem Herrn an.
Denn verstehen Sie wohl: bestechlich ist kein türkischer Beamter.
Was denken Sie! Es sind alles fanatische Patrioten, die sich für
das Gehalt, das der Sultan ihnen schuldig bleibt, dem Vaterlande
zuliebe aufopfern. Sie werden sich einem Ausländer gegenüber
nie eine Blöße geben. Anderseits haben sie die alte liebe Gewohn-
heit, sich in ihren Amtshandlungen gegenüber denen, die etwas
von ihrem Vaterland wollen, lediglich durch ihre persönlichen
Sympathien leiten zu lassen. Diese Sympathien haben mit ihrem
Patriotismus durchaus nichts gemein. Sie müssen erworben wer-
den. Nun, und wie ein Ausländer sie erwirbt? Einzig und allein
durch Kauf in bar. Wie dieser Kauf in Ihrem Falle zustande
kommen muß, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Sie müssen eben
auf eine passende Gelegenheit dazu warten. Diese nehmen Sie
sofort beim Schopfe, und die Sache wird glatt gehen."
Bei einer der nächsten Verhandlungen im Kriegsministerium
mußte der Vertreter einige Zeit in dem prächtigen Empfangs-
zimmer des Ministers warten. Er betrachtete die Kostbarkeiten und
Erinnerungszeichen, mit denen die Wände reichlich behängt waren,,
als sein erstaunter Blick auf ein merkwürdiges Bild fiel. Es wav
ein ganz gemeiner knallbunter Öldruck in einem sehr kostbaren.
Metallrahmen, inkrustiert mit Silber, Türkisen, Rubinen, Perl-
mutter und Gold. Der Beschauer stand verwundert vor dem
etwas beschämenden Anblick dieses Gegensatzes einer miserablen
westlichen und einer glänzenden östlichen Handwerkskunst, deren
Erzeugnisse hier auf das merkwürdigste vereinigt waren.
Mit diesen und ähnlichen Fragen zerbrach sich der Vertreter
noch den Kopf, als der Minister das Zimmer betrat und jenen
in seiner stummen Betrachtung versunken sah.
„Ein hübsches Bild! Nicht wahr, Sie finden doch auch? Ich
habe ihm auch einen besonders guten Rahmen machen lassen,
weil es mir so sehr gefällt." In diesem Augenblick durchfuhr es
den Vertreter: Da ist die Gelegenheit! Nun zufassen!
„Exzellenz! Ich bin entzückt! Ich selbst bin ein leidenschaftlicher
Sammler solcher Erzeugnisse, die in meiner Heimat so selten ge-
worden sind, weil sie der Orient nach und nach alle aufgekauft
hat. Würde ich Eurer Erzellenz etwa zu nahe treten, wenn ich
Eurer Erzellenz ein Kaufangebot machen würde, um das Bild
in meinen Besitz zu bringen? Ich würde dafür mit Freuden
hunderttausend Franken zahlen."
Seine Erzellenz fühlten sich durch das Kaufangebot durchaus
nicht zu nahe getreten, sondern nahmen mit zwei Worten an, so
als sei die ganze Sache eine Bagatelle.
Die hieran anschließende Verhandlung nahm einen gleich be-
friedigenden Verlauf, denn der Vertreter hatte sich als gleich-
gesinnter Kunstsammler die nötige Sympathie des Herrn Ministers
in vollem Maße erworben. Mit einem Millionenauftrag und dem
teuren Gelegenheitskaufe aus dem ministeriellen Vorzimmer
konnte er bald darauf wieder nach Hause reisen.

Thea von Nyj, eine Dame der Wiener Gesellschaft, als Tänzerin.
(Mot. d'Ora, Arthur Benda, Wien)
 
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