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Heft 4

Das Buch für Alle


Zwischen flußpferden und Krokodilen
Erlebnisse im Baringosee von Dr. Arnold Berger

ls die Erdrinde beim Erkalten an manchen Stellen zusammen-
schrumpfte, bildete sich ein gewaltiger Graben, der den östlichen
Teil Afrikas fast in seiner ganzen Länge durchzieht. Bis über tausend
Meter liegt seine Sohle tiefer als das Land zu beiden Seiten, und in ihr
verläuft auch die Seenkette sowie eine Reihe von heißen Quellen, die
dereinst kranken Bewohnern Heilung bringen werden. Heute liegen sie
noch inmitten der Wildnis. Schilfdickungen umgeben vielfach diese Seen,
die Heimat von Flußpferden und Krokodilen, während die weiten frucht-
baren Steppen rundum von Wild aller Art wimmeln. Am Baringosee,
einem der landschaftlich am schönsten gelegenen, hatten wir unser Lager
aufgeschlagen. Es bot freien Überblick über die spiegelnde Fläche, die frische
Seebrise sorgte für Kühlung und vertrieb ein wenig die Moskitos, deren
es mehr als genug gab. Die Engländer hatten hier jahrelang eine Station,
aber einer der Weißen nach dem andern wurde von der tückischen Malaria
dahingerafft. So wurde der Ort aufgegeben. Nur Gräber und Mauerreste,
halb verschwunden unter der üppig überwuchernden Vegetation, legen
Zeugnis ab von dem, was einst hier war.
Wenngleich nur selten ein weißer Jäger in diesen weltabgeschiedenen
Erdenwinkel kommt, zeigten sich doch die Tiere, namentlich die Flußpferde,
recht scheu. Auf alle mögliche Art versuchte ich es, an die Wasserriesen
heranzukommen. Ich bekleidete das leichte Faltboot, das ich auf der Reise
mitführte, mit Schilf, auf diese Weise eine schwimmende Insel vortäuschend,
aber die Tiere waren mißtrauisch. Wohl tauchte da und dort so ein ge-
waltiger Kopf auf, und eines der Tiere zeigte seinen Zähnestarrenden
Rachen, wenn es tief Luft schöpfend an die Wasseroberfläche kam, aber
nach kaum einer Sekunde ließ es sich wieder in die Flut sinken, um fernab
wieder aufzutauchen. Lange beobachtete ich die Tiere und konnte schließ-
lich feststellen, daß gerade die stärksten unter ihnen gegen Abend eine stille
Bucht aufzusuchen pflegten, wo sie im Wasser ästen oder auf den Schlamm-
bänken liegend sich behaglich die Abendsonne auf das dicke Fell scheinen
ließen. Nochmals versuchte ich es, ganz langsam dahintreibend, mich mit
dem Boot heranzupirschen, doch die Tiere errieten meine Absicht, und ehe
ich nahe genug war, sprang der wachthabende Bulle in das gelbe Wasser.
Die ganze Herde geriet in Aufruhr. Ein Baby, das behaglich auf dem
Rücken der Mutter geschlummert hatte, purzelte herunter und fuhr ganz
erschrocken hin und her, scheinbar noch halb im Schlaf, konnte es die
Mutter nicht gleich finden. Also auch dieser Versuch war mißglückt. Da
reifte in mir ein anderer Plan: Wie bei den meisten innerafrikanischen
Seen ist das Ufer des Baringo sehr flach. Weiter draußen überragten
Büsche die Wasserfläche, frisch und grün, ein Zeichen, daß hier das Wasser
nicht tief war. Das Gebüsch konnte also Deckung bieten, wenn ich mich
rechtzeitig anstellte und — die Flußpferde mir den Gefallen taten, am
nächsten oder einem der kommenden Abende wieder dort zu lagern, wo
ich sie heute unabsichtlich vertrieben hatte. Mein eingeborener Jäger, dem
ich meine Absicht mitteilte, war in Erwartung von so viel Fleisch sehr
damit einverstanden, und am Nachmittag des nächsten Tages wanderten
wir auf unfern Anstand. Er lag zwar feucht, aber das Wasser des Sees

war warm, infolgedessen machte es nichts aus, ob ich ein Dauerbad von
drei oder vier Stunden nahm.
An der ausgewählten Stelle ragte nur etwa ein halbes Meter hoch
spärliches Schilf über das Wasser, dazwischen kleinere dichtere Grasballen.
Bei unserer Annäherung strichen alle möglichen Strandläufer davon,
Enten und Gänse, ein fischender Reiher machte einen langen Hals und
erhob sich auf seine breiten Schwingen, um in langsamen schweren Flügel-
schlägen eine weniger gestörte Stelle zu erreichen und dort seinen Fischerei-
betrieb wieder aufzunehmen. Möwen, Seeschwalben gaukelten hin und
her, in den Lüften zog ein prächtiger, braun und weiß gefärbter Schrei-
seeadler seine Kreise. Der Spiegel des Sees lag glatt, nur in der Ferne
ein dunkler Punkt, der Kopf eines Flußpferdes.
Patschend gingen wir durch das Wasser, da und dort eine Stelle, wo
es tiefer war, dann wieder eine kleine Untiefe. Bis an die Brust reichte
uns das Wasser, als wir endlich die Büsche erreicht hatten, die uns Deckung"
gegen Sicht gewähren sollten, wenn später die Flußpferde dahin kamen,
wo ich sie erhoffte. Langsam verstrich die Zeit. Eigentlich war es hier recht
langweilig. Nur in der Ferne ab und zu ein vorübereilender Vogel, sonst
nur der bleigraue regungslose Spiegel des Sees, in blauender Ferne ver-
schwimmende Hügelzüge. Die Sonne brannte mit einer unglaublichen
Kraft herab, zurückgeworfen und verstärkt durch den See. Unterhaltung
boten nur die Moskitos, die an unserm großenteils unbedeckten Körper
genug Angriffspunkte fanden. -Ständig mußte ich mich ihrer erwehren,
denn einen Mückenschleier umzuhängen, war der Hitze wegen unmöglich.
Endlich eine Unterbrechung: in unserer Nähe kräuselte sich das Wasser,
zweifellos schwamm ein Tier vorüber. Ich machte Ali darauf aufmerksam.
Er erwachte aus seinem Halbschlaf und flüsterte: „Fisch, Herr." Das war
durchaus möglich, denn diese Seen beherbergen zum Teil Fische von ganz
erstaunlicher Größe. Eines fiel mir aber nach einigen Minuten auf: mein
schwarzer Begleiter war mit einemmal wach geworden, er döste nicht mehr
vor sich hin, sondern seine Augen glitten über das Wasser nach allen
Seiten. Als sich abermals das Wasser, diesmal etwas näher, zu bewegen
schien, reckte er sich, und jetzt erkannte ich auch deutlich, daß der vermeint-
liche Fisch ein Krokodil war, das auf etwa fünfzehn Schritt vorüber-
schwamm. Ali aber verfärbte sich um einen Strich ins Hellere, zumal jetzt
das Tier da draußen Gesellschaft bekam. Die unverkennbare Zackenlinie
des Rückens eines zweiten Tieres tauchte auf, verschwand wieder, glitt,
wie wir deutlich an der leichten Bewegung des Wassers feststellen konnten,
um uns herum.
Das war zu viel für meinen Ali. Mit einemmal versuchte er auf den
schwanken Busch, der uns Deckung gegen die erwarteten Flußpferde bieten
sollte, hinaufzuklettern, wobei er mit großen Augen flüsterte: „Herr, das
sind keine Fische, das sind Krokodile, sehr viele Krokodile, es kommen
immer mehr," und schon schwebte er auf dem Gesträuch. Aber da griff ich
ein, holte ihn herunter und sagte: „Wenn die Krokodile schon Hunger
haben, so sollen sie wählen dürfen zwischen schwarzen und weißen Beinen,"
und Ali plumpste ins Wasser.
 
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