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gedreht wie 'nem Hähnchen, wie 'nem —J'Er hob die Flasche von neuem
an den Mund und trank. Es schüttelte ihn wie im Krampf, aber er trank,
trank. „Brrr! Ja, wie 'nen jungen Spatz hätt' ich dich ausgelöscht zum
Dank für den albernen Zettel, den du mir da gebracht hast," fuhr er fort,
als er wieder eine Pause im Trinken machen mutzte, weil die Kehle ihm
einfach wie zugeschnürt war. „Aber so — hahaha!" Er lachte gröhlend,
von einem hübschen Einfall unmätzig erheitert. In der linken Hand die
halbgeleerte Flasche, in der rechten den Revolver, taumelte er zwischen
den Kisten umher. „Aber so — weil — weil du doch en ganz braver alter
Bursch bist — wi—will ich dir auch 'nen Spatz machen. — So—sollst mit-
fliegen, wenn ich fliege, meine gute alte Fledermaus! Mit Jack Chevalier,
dem feinsten, flottesten Kerl zwischen zwei Weltmeeren, so—sollst du
nach den Sternen fliegen, hahaha! Un die Schufte da drüben, die wer-
den an mich denken, wenn ihnen die Felsbrocken in den Nacken sausen
und die Baracken weggepustet werden! Schade nur, datz man's nicht mehr
mit ansehen kann, wenn sie durcheinander purzeln!"
Frenchy trank von neuem und setzte nicht eher ab, bis er die ganze
Flasche bis auf den letzten Tropfen geleert hatte. Kalter Schweitz brach
ihm aus allen Poren. Schwer und wuchtig sank er auf eine Kiste, datz
der Deckel krachte, und stierte aus glasigen Augen Jerry an, der mit
eigentümlich Hellen, aufmerksamen Blicken seinem tollen Treiben folgte.
Und plötzlich lief ein Schaudern über seinen baumstarken, muskulösen
Körper. Der stumpfsinnig-brutale
Gesichtsausdruck wandelte sich in
ein Gemisch von Schrecken, unsäg¬
licher Angst und ohnmächtiger Wut.
„Du!" stieß er fast tonlos hervor.
„Du! —wer bist du? Du —
du bist — du hast —" Und dann
heulte er auf wie ein wildes Tier,
das sich in der Falle sieht. „Ver¬
giftet hast du mich, ver—gif—tet!"
Er schleuderte die leere Flasche
von sich und pretzte, vor Schmerzen
sich windend, die Linke in die Seite.
In der Rechten hielt er immer
noch den Revolver. Aber der Arm
schwankte wie ein Birkenast im
Winde.
„Vergiftet haben mich die ver¬
räterischen Hunde!" brüllte er, datz
es über den Platz vor dem Schup¬
pen hinüberschallte bis zu den Be¬
lagerern. „Aber das soll die — soll
euch —!" Der Unterkiefer klappte
ihm herunter. Schaum trat in seine

Mundwinkel. Krach! Die Kugel flog haarscharf an Jerrys Ohr vorüber.
Krach! Losgerissene Holzsplitter von einer der Tod und Verderben ber-
genden Kisten schwirrten surrend durch den Raum.
Jerry hatte sich zu Boden geworfen und erwartete rasend klopfenden
Herzens jeden Augenblick den Ausbruch eines Vulkans, der ihn und den
Trunkenen und den Schuppen und die ganze Welt, zu Atomen zerrissen,
zerschmettert, in den Äther schleudern würde. Aber nichts dergleichen er-
folgte. Kein weiterer Schutz fiel. Nur ein tiefes Stöhnen wurde hörbar.
Dann ein Geräusch, als rutsche ein schwerer Körper zu Boden. Dann
Stille, tiefe Stille.
Behutsam richtete Jerry den Oberkörper auf und spähte über den
Kistenwall hinweg nach seinem Widersacher. Der lag reglos. Jerry wankte
zur Tür und pfiff. Dann fiel er kraftlos auf den Schemel des Lagerver-
walters, ritz sich den Bart ab und wischte mit dem Tuch über das in Schweitz
gebadete, bleiche Gesicht.
Einen Augenblick später war er umringt von einer lachenden, schwatzen-
den, ihn beglückwünschenden Menge.
„Das haben Sie fein gemacht, Sergeant Sullivan!" Captain O'Neill
schlug ihm anerkennend auf die Schulter. „Aber als ich die Schüsse hörte,
gab ich, weitz Gott, keinen Pfifferling mehr für Ihr Leben!"
„Sie haben uns vor unabsehbarem Schaden bewahrt!" lietz Herr
Potters, der „Chief", sich vernehmen. „Die Gesellschaft wird sich dafür
erkenntlich zu zeigen wissen!"
Jerry Sullivan wehrte müde ab:
„Lassen wir das, meine Herren!
Mutzte doch wieder einrenken, was
mein Untergebener, der arme Patrick
Gallaghan, in seinem Übereifer
gestern versiebt hat, als er den dort
ausgerechnet in den Dynamitschup-
pen entwischen lietz. Aber nun wol-
len wir den wüsten Bruder hübsch
in Verwahrung nehmen, bevor er
aus seinem Kanonenrausch auf-
wacht!" Und er erhob sich, immer
noch ein wenig schwach von der
furchtbaren, eben überstandenen
Aufregung, und trat zu der Gruppe,
die den am Boden liegenden
„Frenchy" umringte.
Es erwies sich jedoch als über-
flüssig, diesen „hübsch in Verwah-
rung" zu nehmen. Der Kanadier
war tot. Ein Herzschlag hatte seinem
mehr als bewegten Dasein ein Ziel
gesetzt.

. Der Kanadier war tot. Ein Herzschlag hatte seinem mehr als
bewegten Dasein ein Ziel gesetzt..."


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Line Anekdote über Verdi. Der berühmte Opernkomponist hatte sich
kurz nach der Herausgabe seiner Werke „Troubadour" und „Rigoletto" zur
Erholung in einen kleinen Badeort zurückgezogen. Als ihm dort einige
seiner Freunde einen Besuch abstatteten, waren sie höchlichst erstaunt, den
großen Mann in einem kleinen Zimmer Hausen zu sehen, welches für ihn
Salon, Etz- und Schlafzimmer vorstellte. Die Besucher verhehlten Verdi
nicht, wie überrascht sie wären, aber dieser fatzte sie bei den Händen und
führte sie, ohne irgend etwas zu sagen, durch mehrere angrenzende Zimmer,
die mit Drehorgeln aller Grützen und Arten angefüllt waren, annähernd
neunzig Stück dieser herrlichen Instrumente.
„Kaum war ich hier angekommen," sagte jetzt der Meister seinen Freun-
den, um ihnen den ungewohnten Anblick zu erklären, „so hatten sich alle Dreh-
orgelspieler der Gegend aufgemacht und spielten unter meinen Fenstern
stundenlang Stücke aus meinen Opern, zum Teil auch aus anderen Opern,
die ich ja alle auswendig kann. Zum Schluß konnte ich mir nicht anders
helfen, um diesen geräuschvollen Ovationen zu entgehen, als alle diese
Marterinstrumente für die Zeit meiner Anwesenheit von ihren Besitzern
zu mieten. Das kostet mich etwa fünfzehnhundert Lire, und wer weiß, ob
das schon alles ist. Dafür kann ich aber jetzt des Morgens schlafen, solange
ich will."
Und während Verdi noch diese Worte sprach, erklang vor der Tür von
einem Leierkasten: „Ach wie so trügerisch —" F. Th.
Naturbeobachtung im Lchulaufsatz. Das Ferd besteht aus einem Wagen
einem Kutscher und aus ihm selpst. Forne zieht das Ferd hinten bewecht
es sich mit dem Schwantz. Es gibt Ferde,-Klepper, Schinder, Rennferde
und Stuten. Ferde schlucken Hafer Stroh Heu und fiel Geld wenn Fater
zum Rennen geht. Es gibt auch Konntenstuten. Das Fleisch som Ferd

heißt lebendig Ferdefleisch tot Salami. Das Ferd ist ein sauberes Tier
denn es gehen immer Jungens mit einer Schibkarre hinterher und heben
es auf. Einmal hat der Leerer auf dem Schulhof ein Portemaneh aufge-
hoben es war ein Appfel drin und er hat reingegukkt und gefacht, fon
welchem Bengel das wieder ist. Fon Frizzchen Krause. I. K. H.
Lin merkwürdiger Traum. Der Philosoph Arthur Schopenhauer erzählt
in einem Kapitel, das vom Geistersehen und ähnlichen Erscheinungen
handelt: „An einem Morgen schrieb ich mit großem Eifer einen langen
und für mich sehr wichtigen englischen Geschäftsbrief: als ich die dritte
Seite fertig hatte, ergriff ich statt des Streusands das Tintenfaß und goß
es über den Brief aus. Vom Pult floß die Tinte auf den Fußboden. Die
auf mein Schellen herbeigekommene Magd holte einen Eimer Wasser und
scheuerte damit den Fußboden, damit die Flecke nicht eindrängen. Während
dieser Arbeit sagte sie zu mir: Mir hat diese Nacht geträumt, daß ich hier
Tintenflecke aus dem Fußboden ausriebe.' Worauf ich erwiderte: -Das
ist nicht wahr !'
Sie antwortete: ,Es ist wahr, und habe ich es, nach dem Erwachen, der
andern Magd erzählt/
Jetzt kommt zufällig die andere Magd, etwa siebzehn Jahre alt, herein,
die Scheuernde abzurufen. Ich trete der Eintretenden entgegen und frage:
-Was hat der da diese Nacht geträumt?'
Antwort: -Das weiß ich nicht.'
Ich wiederum: -Doch! Sie hat es dir ja beim Erwachen erzählt.'
Die junge Magd: -Ach ja, ihr hatte geträumt, daß sie hier Tintenflecke
aus dem Fußboden reiben würde.'"
Schopenhauer führt diese Geschichte an als einen Beleg für die Wahrheit
seiner Behauptung, daß alles, was geschehe, notwendig geschehe. Th. M.
 
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