Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Schnee und reife Orangen / Ein südkalifornisches Landschaftsbild von W. Benesch-Miller

Lücke nicht, in die er seinen Widerspruch hätte einhaken können.
So erteilte er brummend seine Genehmigung.
„Aber patzt gut auf, Winter, datz mir keine Ungelegenheiten
entstehen von eurem Aufenthalt hier. Kommt mir derlei zu
Ohren, dann müßt ihr sofort aufpacken."
„Beim Haupt meines Vaters, dem geehrten Herrn Bürger-
meister wird keine Angelegenheit entstehen aus dem Aufenthalt
vom armen Mann von Zigeuner in seiner gesegneten Kolonie,"
versicherte unterwürfig Groffo. „Ganz im Gegenteil, wir
Zigeuner, wenn wir schon arm sind, können von Nutzen sein den
mit Gut gesegneten Leuten im Moore. Verstehen wir doch zu
bannen Ratten und Mäuse, zu vertilgen alles Ungeziefer, was
nistet in Keller und Stall. Wir können krankes Vieh gesund
machen und kennen viele Heilmittel für Krankheiten der Menschen.
Ausbrechende Brände können wir zwingen, stillzustehen-"
„Schweig man blotz still von Bränden!" fuhr Puvogel ihm
in die Rede. „Davon hat Beekenmoor genug gekriegt vor sieb-
zehn Jahren. Dazumal zog auch so eiue Bande von eurem Volk
im Moore herum. Aber den Brand zum Stillstehen haben sie
nicht gekriegt."
„Ist nicht gerufen worden unser Volk, Herr Bürgermeister.
Haben kein Vertrauen zu uns gehabt, die im Moor. Haben uns
gehetzt und verfolgt von einer Kolonie zur andern, mit Steinen
und Hunden haben sie uns gejagt-"

„So — dann ist das wohl deine Bande gewesen, die vor sieb-
zehn Jahren hier im Lande herumgezogen ist?"
Groffo bewegte den erhobenen Zeigefinger abwehrend hin
und her. „Macht keinen Unterschied, Herr Bürgermeister, was
für ein Stamm es gewesen ist, sind ein einzig Volk, wir Zigeuner,
weitz jeder, was geschieht dem andern. Zu der Zeit-"
„Ist gut," schnitt Puvogel ihm das Wort ab. „Zieh man deine
Stratze, und denk' an das, was ich dir gesagt hab'."
Vor dem grünen Wagen krabbelte es unterdessen wie in einem
Ameisenhaufen. Während Muta und Menscherle, ihre Schwieger-
tochter, den Igel am Spietze über dem Feuer drehten, die junge
Brut mit den Hunden im Heidekraut sich balgte, die erwachsenen
Männer Wasser aus dem Bach herbeischleppten, stand Lila vor
dem Spiegelchen im Wagen, kümmle und flocht ihr raben-
schwarzes Haar und lachte ihr Spiegelbild an. Da flog die Türe
auf, und Janko stand auf der Schwelle. Mit einem Fluch blieb er
stehen. — „Für wen putzest du dich heraus wie zur Hochzeit?"
Lächelnd wandte Lila sich um. „Für die schwarzen Vögel
(Krähen), die auf den weitzen Bäumen (Birken) sitzen, mein
guter Janko."
„Mich hintergehst du nicht! Für den Bauernflegel geschieht's,
den mit dem Eidotterkopf und den blauen Gänserichaugen, mit
denen er dich am liebsten aufgefressen hätte in Scharmbeck, als
du auf dem Seil deine Kunst gezeigt hast."
 
Annotationen