die Kilomeier um Kilometer denselben Anblick lebensfeindlicher Ode
bietet. Diese Nnllarborwüste war, bevor die Bahn eröffnet wurde, der
unübersteigbare Riegel, der sich in Australien zwischen Osten und Westen
schob. Seinetwegen galt hundert Jahre lang der überaus liebliche und
reiche Westen für unbewohnbar, und erst seit 1917, seit der Eröffnung
der Bahn, ist eine Brücke zu ihm geschlagen worden. In dieser Nullarbor-,
das heißt baumlosen Wüste, verdursteten zahllose Menschen und Tiere. Sie
war es, aus der gut ausgerüstete Expeditionen einfach nicht mehr wieder-
kehrten, so die große Leichhardtsche Forschung mit mehr als hundert
Teilnehmern. —
Und jetzt? Durch ein sinnreiches System von Läden und Klappfenstern
kann überall im Zug eine wohltätige Halbdämmerung geschaffen werden.
Hunderte von elektrischen Fächern wirbeln einen strömenden Luftzug
herbei, der, wenn er schon nicht kühlt, so doch das Atmen erträglich macht.
Gegen die Verschmutzung durch den feinen Lateritsand, dessen Eindringen
nicht ganz verhindert werden kann, gibt es eingebaute Schränke und Laden,
in jedem Abteil einen aufklappbaren Waschtisch mit genügend viel Wasser,
Seife und einem halben Dutzend Handtüchern, die ständig erneuert werden.
Dazu eine mehrfache Dusche im Baderaum, die zu jeder Stunde, Tag und
Nacht, benützt werden kann. Im großen Salonwagen steht ein Piano,
Noten liegen auf. Schreibtische mit hübschen, farbigen Lampen ermög-
lichen die Erledigung eiliger Geschäfte. In den Laden findet sich Brief-
papier und Schreibzeug, Postkarten und Marken hat der Schaffner zum
Verkauf. Sehr große, bequeme Klubsessel verschiedener Form gewähren
ein sanftes Hinträumen. Plaudern kann man, irgend eine alte Dame
häkelt wie zu Hause an einem Jumper für den jüngsten Enkel. Ein paar
junge Leute tanzen. Raucher und Nichtraucher sind — wirklich! — getrennt.
Die großen australischen illustrierten Zeitschriften liegen für jedermann
an kleinen Tischchen auf.
Diese von der Gesamtregierung gebaute Strecke ist, wie gesagt, die
behaglichste und am besten eingerichtete. Sie war eine Tat des Gemein-
wohles, ein Begriff, der im menschenarmen Australien einen ganz anderen
Klang hat als bei uns. Aber auch die von „Westaustralien", „Victoria" und
„New South Wales", den übrigen Staaten, in Betrieb gehaltenen Teile
sind nicht wesentlich unbequemer. Nur das Umsteigen in einen jeweils
anderen Zug erinnert daran, daß man Landesgrenzen überschreitet.
Auch hier beweist die Bahn größtes Entgegenkommen. Trotzdem der aus
dem Westen kommende Anschluß auf der Strecke Kalgoorlie—Adelaide
zum Beispiel bereits um sieben Uhr morgens Port Augusta, die Grenze
zum Staat Victoria, erreicht, fährt der schon bereitstehende Zug doch erst
um neun Uhr, einzig deshalb, damit die Fahrgäste noch in Ruhe früh-
stücken und nach der langen Reise etwas im Freien umhergehen können.
Währenddessen sucht der Schaffner einen guten Platz im neuen Wagen
aus, trägt das Handgepäck hinüber und bereitet alles vor. Auch der Güter-
wagen (die australische Bahn gewährt jeder Person fünfundzwanzig Kilo-
gramm Freigepäck) wird gewechselt. Alles vollzieht sich in Ruhe, Höflich-
keit und ohne Geschrei. Blau blinkt aus einer tiefen Bucht das Meer herauf.
Ein paar massige Bergkegel verstellen den Horizont. Die Nullarborwüste
und der Busch sind für immer vorbei mit ihrer endlosen Ebene, die unter
dem Spiegel des Ozeans liegt. Von jetzt ab klettert der Zug Hügelflanken
empor, jagt durch waldgrüne Täler. Nichts ist an Schönheit den gold-
smaragdenen Kronen der Eukalyptusbäume vergleichbar, die nun bis
Sydney immer wiederkehren. Nichts dem malachitfarbenen Filigranwerk
der Farnbaumwälder, die wie eine versunkene Märchennacht aus Schluch-
ten heraufdämmern.
Dies alles hat erst die Bahn erschlossen. Wo man früher mit Pferden
trabte, mit bis sechzehnspännigen Kutschen fuhr, mit Kamellasten dahinzog,
was im unerschlossenen Innern noch geschieht, da hat die Organisations-
fähigkeit des weißen Australiers einen Weg geschaffen, auf dem die Wüste
überwunden und einKontinent Zu einer Einheit zusammengeschweißt wird.
Die Hawkesburybrücke, die bedeutendste Australiens, über eineinviertel Kilometer lang, mit Spannweiten von hundertfünfunddreißig Meter; des
Schlammbodens wegen mußten die Pfeiler in der Strommitte auf fünfundsünfzig Meter Tiefe unter dem Stromgrund fundiert werden.
bietet. Diese Nnllarborwüste war, bevor die Bahn eröffnet wurde, der
unübersteigbare Riegel, der sich in Australien zwischen Osten und Westen
schob. Seinetwegen galt hundert Jahre lang der überaus liebliche und
reiche Westen für unbewohnbar, und erst seit 1917, seit der Eröffnung
der Bahn, ist eine Brücke zu ihm geschlagen worden. In dieser Nullarbor-,
das heißt baumlosen Wüste, verdursteten zahllose Menschen und Tiere. Sie
war es, aus der gut ausgerüstete Expeditionen einfach nicht mehr wieder-
kehrten, so die große Leichhardtsche Forschung mit mehr als hundert
Teilnehmern. —
Und jetzt? Durch ein sinnreiches System von Läden und Klappfenstern
kann überall im Zug eine wohltätige Halbdämmerung geschaffen werden.
Hunderte von elektrischen Fächern wirbeln einen strömenden Luftzug
herbei, der, wenn er schon nicht kühlt, so doch das Atmen erträglich macht.
Gegen die Verschmutzung durch den feinen Lateritsand, dessen Eindringen
nicht ganz verhindert werden kann, gibt es eingebaute Schränke und Laden,
in jedem Abteil einen aufklappbaren Waschtisch mit genügend viel Wasser,
Seife und einem halben Dutzend Handtüchern, die ständig erneuert werden.
Dazu eine mehrfache Dusche im Baderaum, die zu jeder Stunde, Tag und
Nacht, benützt werden kann. Im großen Salonwagen steht ein Piano,
Noten liegen auf. Schreibtische mit hübschen, farbigen Lampen ermög-
lichen die Erledigung eiliger Geschäfte. In den Laden findet sich Brief-
papier und Schreibzeug, Postkarten und Marken hat der Schaffner zum
Verkauf. Sehr große, bequeme Klubsessel verschiedener Form gewähren
ein sanftes Hinträumen. Plaudern kann man, irgend eine alte Dame
häkelt wie zu Hause an einem Jumper für den jüngsten Enkel. Ein paar
junge Leute tanzen. Raucher und Nichtraucher sind — wirklich! — getrennt.
Die großen australischen illustrierten Zeitschriften liegen für jedermann
an kleinen Tischchen auf.
Diese von der Gesamtregierung gebaute Strecke ist, wie gesagt, die
behaglichste und am besten eingerichtete. Sie war eine Tat des Gemein-
wohles, ein Begriff, der im menschenarmen Australien einen ganz anderen
Klang hat als bei uns. Aber auch die von „Westaustralien", „Victoria" und
„New South Wales", den übrigen Staaten, in Betrieb gehaltenen Teile
sind nicht wesentlich unbequemer. Nur das Umsteigen in einen jeweils
anderen Zug erinnert daran, daß man Landesgrenzen überschreitet.
Auch hier beweist die Bahn größtes Entgegenkommen. Trotzdem der aus
dem Westen kommende Anschluß auf der Strecke Kalgoorlie—Adelaide
zum Beispiel bereits um sieben Uhr morgens Port Augusta, die Grenze
zum Staat Victoria, erreicht, fährt der schon bereitstehende Zug doch erst
um neun Uhr, einzig deshalb, damit die Fahrgäste noch in Ruhe früh-
stücken und nach der langen Reise etwas im Freien umhergehen können.
Währenddessen sucht der Schaffner einen guten Platz im neuen Wagen
aus, trägt das Handgepäck hinüber und bereitet alles vor. Auch der Güter-
wagen (die australische Bahn gewährt jeder Person fünfundzwanzig Kilo-
gramm Freigepäck) wird gewechselt. Alles vollzieht sich in Ruhe, Höflich-
keit und ohne Geschrei. Blau blinkt aus einer tiefen Bucht das Meer herauf.
Ein paar massige Bergkegel verstellen den Horizont. Die Nullarborwüste
und der Busch sind für immer vorbei mit ihrer endlosen Ebene, die unter
dem Spiegel des Ozeans liegt. Von jetzt ab klettert der Zug Hügelflanken
empor, jagt durch waldgrüne Täler. Nichts ist an Schönheit den gold-
smaragdenen Kronen der Eukalyptusbäume vergleichbar, die nun bis
Sydney immer wiederkehren. Nichts dem malachitfarbenen Filigranwerk
der Farnbaumwälder, die wie eine versunkene Märchennacht aus Schluch-
ten heraufdämmern.
Dies alles hat erst die Bahn erschlossen. Wo man früher mit Pferden
trabte, mit bis sechzehnspännigen Kutschen fuhr, mit Kamellasten dahinzog,
was im unerschlossenen Innern noch geschieht, da hat die Organisations-
fähigkeit des weißen Australiers einen Weg geschaffen, auf dem die Wüste
überwunden und einKontinent Zu einer Einheit zusammengeschweißt wird.
Die Hawkesburybrücke, die bedeutendste Australiens, über eineinviertel Kilometer lang, mit Spannweiten von hundertfünfunddreißig Meter; des
Schlammbodens wegen mußten die Pfeiler in der Strommitte auf fünfundsünfzig Meter Tiefe unter dem Stromgrund fundiert werden.