ange betrachtete Wilm sein Kind. „Ihr Sohn," murmelte
er dann. „Recht hast, Wöbke. Ihm bin ich mein Leben
schuldig. Ich weiß bloß nicht, wie ich es ertragen soll —
nach diesem —"
„Wo der gute Wille ist, Bauer, da gibt Gott auch das Ver-
mögen."
Wilm schüttelte den Kopf. Mit müden Schritten ging er zum
Haus. Auf Flet und Diele sah er sich um.
„Ist nichts — ich frag', Wöbke —, ist gar nichts hiergeblieben
von den Dingen, die Eina zugehört haben?"
„Du hast sie ja alle weggeschenkt oder verbrannt, Wilm."
Inhalt des Romans im ersten bis zehnten Heft
Der Schauplatz des Romans ist das Moordorf Beekenmoor. Der reiche Bauer Polter hinterließ zwei Söhne, Hinnerk und Wilm, die sich verfeinden, weil der
ältere Hinnerk dem jüngeren Wilm dessen Erl e, den Polthof, nicht gönnt. Hinnerks neiderfüllte und ränkesüchtige Frau Trantmarei kennt kein anderes Ziel,
als den Potthos ihren Kindern zu sichern,- sie schreckt vor keinem Mittel zurück und verdächtigt sogar ihre Schwägerin Gina der ehelichen Untreue. Von Eifer-
sucht gepeitscht jagt Wilm feine Frau in finsterer Nacht ins Moor, weil die Ahnungslose über ihre Halskette, die nach Trautmareis Aussage le: einem jungen
Mann in Bremen gesehen wurde, dem heimkehrenden Bauern keinen Ausschluß gibt. Seitdem ist sie verschwunden, und ihr Mann hält ihren Tod für ein Gottes-
gericht. Doch die Bäuerin rettete sich und sand in der Hütte der Mutter Rodekamp, deren Sohn die Gina heimlich und entsagungsvoll liebt, Aufnahme und
Pflege. In Beekenmoor sind inzwischen Zigeuner ausgetaucht, die zum Jahrmarkt in die Gegend kommen. Eine Zigeunerin, Mum Groffo, verspricht Traut-
marei ihre heimliche Hilfe zur Erlangung des Potthoss, dessen Besitzer sich von den Reizen der Zigeunertochter Lila einsangen ließ. Aber Janko, ihr Liebhat er
und Stammesangehöriger, warnt sie in lodernder Eifersucht vor dem Moorbauern. Vergebens. Hinka, die Großmutter der Zigeunerfamilie, erweckt in Trant-
Marei Hoffnungen, durch ihre geisterbeschwörende Hilfe zu ihrem Ziel, dem Besitz des Potthoss, zu gelangen, und Lila entstammt Wilm, von dem jungen
Bauer zu Gast geladen, so sehr, daß er sie leim Abschied nm Tor küßt. Inzwischen genas Gina im ungestörten Schutz der Mutter Rodekamp, aber die Wunde
im Herzen Jans brach wieder auf, und seine Liebe zu Gina peinigt ihn aufs neue. Jan Rodekamp gelingt es, Gina davon zu überzeugen, daß ihr keine
andere Wahl bleibt, als jenseiis des Ozeans als seine Frau ein neues Leben mit ihm zu beginnen. Für Wilm sei sie tot. Dieser werbe allen Ernstes um
die sremdrasffge Zigeunerin. Nach schwerem innerem Ringen gibt Gina nach, sie schleicht sich nachts in das Haus ihres Mannes, um vou ihrem Kind Ab-
schied zu nehmen vor der Amerikasahrt. Da schmilzt aller Groll gegen Wilm. Tie Liebe zu dem Kind verbindet sie doch, und nur aus übergroßer Liebe zu
ihr hat er sich damals so hart gegen sie vergangen. Wenn sic auch bereit ist, Jan ülers Meer zu folgen, ihr Herz, das weiß sie, würde im Moor bleiten.
Wilm wird inzwischen von dem vorehelicl en Sohn von Ginas Mutter besucht und l edrängt, ihm Geld zur Auslandreise zu geben. Ihm hal e Gina, um
zeitlebens Mutters Schande nicht offenbar werden zu lassen, immer wieder Geld, endlich auch die Perlenkette gegeben. Ta jagt LÜilm den Erpresser vom Hof,
bricht aber lies erschüttert zusammen und will sich ins Moor stürzen. Aber die alte Wöbke tröstet ihn und verweist ihn ans seine Vaterpflicht.
(10. Fortsetzung)
„Ich wollte sie vergessen," sagte er leise, „und hab's nicht
fertig gebracht. Und nun — nun gab' ich wohl den halben Hof
darum, wenn ich nur ein kleines Ding noch hätte, das ihre
Finger berührt haben, ein Gewandstück, ein Band, eine Nadel
bloß —"
„Bauer," sagte Wöbke, „dafür kann Rat werden. Ich habe den
Schuh in meine Truhe eingeschlossen, den Timm Clüver aus'm
Moor zurückgebracht hat, den deine Frau getragen hat auf
ihrem letzten Gang."
„Den hast? — Gib her!"
Wilms Augen glühten fiebrig auf. Und als Wöbke ihm den
Der Erlkönig / Nach einem Gemälde von Moritz von Schwind
11. 1928