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„Fauchend schleppte Joseph seine Wochen-.
endausrüstung und trabte, trabte, trabte."


ie ein Aufjauchzen hat sich die Idee des Wochenendes über einen
Teil unseres Erdballs verbreitet und ist auch im weißblauen baye-
rischen Landl gleich einem Purzelbaum Ereignis geworden ...
Eines Samstagabends kam der Hafnermeister Joseph Mehltreter ver-
wirrt wie ein Knäuel Bindfaden, mit dem zwei Kater eine Nacht lang
gespielt hatten, in den Gasthof „Zum Himmelbett". Dort wartete seine
Stammtischgesellschaft „Die Harmlosen" schon eine geschlagene Stunde
auf den Genossen.
„Was is denn passiert, Sepp? ... Hast an Loambatz'n verschluckt...?"
„'s Weekend ist ausbrocha ... wia der Lateiner sagt. Auf Deutsch halt —
a Wochenend gibt's jetzt und all's muaß in der Sonna umanandalaufen,
barfuaß geh' ..."
„Und Gras und Bleamel fressen ...!" ergänzte der Stammtisch.
„Und ins Wasser müassen mir jetzt springa und in der Wies Brotzeit
macha. Dös is das Weekend, und dös werd' jetzt in Bayern eing'führt..."
„Sepp, mach' koane so faulen Witz und setz' di ... Nachher spuil'n ma
unfern Haferltarock ...!"
„Nir mehr werd' g'spuilt... In d'Natur muaß i außi..."
„Da werft ja krank, Sepp — und nachher muaßt sterb'n ..."
„G'sund wer' i, wenn i am Busen der Natur lieg' ..."
„Freili, wo die Kreuzottern spuil'n, d'Flieg'nschwammerl ihre Gift-
zähn wetzen und d'GIasscherb'n ihre Hoamat hab'n ..."
„In d'Natur muaß i eini, sagt's, was mögt's ..."
„Sepp, denk' an deine vier unmündigen Kinder und an uns, wenn koa
zünftiger Tarock mehr z'samma geht ..."
„Von mir aus spuilt's ihr mit'm Glaserkitt aus dö Fensterrahma ...
Habe die Ehre ...!" Und er ging auf und davon.
„Narrisch bist word'n, Sepp ... Und an Dokta müaß ma dir hol'n ...
Retten muaß ma dich aus der Spinnerei...!" schrien sie ihrem Joseph
Mehltreter nach, der jetzt allen Ernstes der Natur entgegenschritt.
Wilde Besorgnis senkte sich als unheilschwangere Wolke in die Stamm-
tischrunde. Und sie berieten mit gesenktem Tonfall untereinander.
„... Sonst war doch in
seiner Familie koaner gei¬
steskrank?"
„Ja — mei, dös hat's
oft schnell... Er derf nur
amal im Traum mit sei'm
Schädel ans Nachtkasteleck
ang'stoßen sei' und scho hat
er a Ladestörung ..."
Joseph Mehltreter be¬
reitete sich indes in seinem
Schlafzimmer auf den
ersten Wochenendausflug
vor. Aus Bettüberzügen
verfertigte er sich ein Zelt
für die Nacht im Freien.
Einmachgläser wurden für
den Grillenfang zurechtge¬
macht, und der Fenstervor¬
hang sollte gleichzeitig als
Schmetterlingsnetz undTee-
sieb Verwendung finden.
In der Küche saß Frau
Mehltreter auf der äußer¬
sten Kante ihres schwein¬
furtergrünen Hockers und
weinte salzhaltige Tränen
in ihre Kaffeetasse, auf der
„Ein Gruß aus den Ber¬
gen" mit Almenrausch und
Ed elw eiß ab g ebild et w ar...
Da trat der Ammerl Toni
von der Stammtischgesell¬
schaft mit umflortem Auge

über die Schwelle: „Mei' Beileid, Frau Mehltreter... Im Tarock's direkt a
moralisches Vorbild und aa sonst — unter drei, vier Maß is er nia hoam..."
„Sehg'n S' — und jetzt ...! Da kriagt er so a ausländisch Blatt! in
d'Hand, so a Berliner Zeitung — und seitdem spinnt er ..."
„Ja mei—an Berlin sand so scho vuil Bay ern vor lauter Arger draufganga."
„Und muaß der Trieb in d'Natur erst von da awi kemma...? Mir
braucha koa Natur. Herr Ammer, mir san ehrliche Leit, dö rechtschaffen
durchs Leb'n kemma woll'n, und net so --"
„Frau Mehltreter, dös Ärgste is no net g'schehg'n ... Noch is er ja
da ... No kann alles sich zum Guaten schaukeln — — —"
Aber im gleichen Augenblick hörten sie, wie die Haustüre ins Schloß
fiel und Joseph Mehltreter abschiedslos mit Sack und Pack die Treppe
hinunterstapfte.
Jesses, jetzt is er scho furt! Aus is's ...! Und mir Ham eahm nimmer
zuared'n könna... Und vor
die Leit in der Nachbar-
schaft muaß i mi schama,
wenn mei Mo in der Natur
umanandaflackt...!"
„Passen S' auf, Frau
Mehltreter, jetzt geh' ma
eahm nach und dann sehg'n
mir's scho, wia dös Trauer-
spiel enden tuat-"
Und sie brachen auf. Die
Sterne leuchteten als frisch-
geputzte Gucklöcher auf die
Gasse hinab, wo Joseph
schnaufend um die Ecke bog.
Sie hörten seinen Tritt wie
das Ticken einer Weckeruhr
und folgten ihm. Fauchend
zog Joseph seine Wochen-
endausrüstung hinter sich
her, blieb wieder stehen,
wischte sich eine Masse von
Schweißtropfen aus der
Stirne und trabte weiter
durch Straßen, über Brük-
ken, durch die Vorstadt —
Wied er eine Straß enkreu-
zung... Er stoppte, und sie
hörten einKreuzkruzitürken-
gemurmel zurückschallen.
„Teifi... Teifi llberein-
ander ... Glump, ver-
fluachts! Jetzt wenn net
„,Sepp, du hast jetzt dö Natur überstanden. Jetzt bist schutzg'impft gegen solchene Auswuchs.'" bald Natur kimmt ...!"
(Schluß S. 1t)
 
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