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Jnha t des Romans vom zw e iun dz w anzigs t en bis si eb enund z w anz ig s t en Heft
Willi Kerner, der Oberkellner und Geschäftsführer des „Baltischen Hofes" in Hamburg, hatte sein Glück in Amerika gesucht. Ms er einigermaßen vorwärtsge-
kommen war, führte ihn die Sehnsucht nach der Heimat zurück, und als Oberkellner fand er seine Existenz. Einem verarmten Baron von Langkerke, nach dem
kein Angehöriger mehr fragt, kauft er für eine anständige Summe sein Adelsprädikat ab. Als Air. Sidney Lhapman aus Lhikago fährt darauf der ehemalige Baron
von Langkerke auf einem niederländischen Dampfer nach Australien, und einige Tage später steigt im Hotel Adlon in Berlin der neue Baron Langkerke, der ehe-
malige Oberkellner, ab, spielt seine angenommene Herrenrolle gut und findet bald Anschluß an führende Kreise. Zu gleicher Zeit trifft im Hotel Adlon ein füh-
render Großindustrieller, der Geheimrat Frohwein, mit seinen beiden Töchtern ein, von denen besonders die ältere, eine verwitwete Frau von Ellwangen, auffallend
schön ist. Es gelingt dem Pseudobaron, das Vertrauen des Geheimrats in so hohem Grad zu gewinnen, daß dieser ihm den Vorschlag machh sich 'in seinen, Ge-
schäftsbetrieb einzuarbeiten, um ihm eventuell später in der Leitung zur Seite stehen zu können, da Ezzard, der Erbe, für geschäftliche Dinge kein Interesse zeigt.
In Mittenstein, den, Sitz der Frohweinschen Betriebe, erweist sich der Baron als klarblickender Geschäftsmann und bei Sport und Spiel als angenehmer Gesell-
schafter, so daß sich zwischen ihn, und Frau von Ellwangen freundliche Beziehungen anspinnen. — Inzwischen hat der ehemalige Baron, der jetzige Kaufmann
Sidney Lhapman, in Australien seinen Bruder Leopold gefunden; er ist glücklich verheiratet, wohlhabender Besitzer einer großen Schaffarm und bietet, hocherfreut
über die Wiedervereinigung, dein Bruder an, sein Teilhaber zu werden. — Währenddem haben der Geheimrat Frohwein und Baron Langkerke in Mittenstein
den Ausflugsort Südkopf mit der Radium enthaltenden Josephsguelle erworben, um dort ein Bad zu errichten. Auch dieses Unternehmen glückt infolge der großen
geschäftlichen Fähigkeiten des Barons von Langkerke. Der Pseudobaron glaubt auf der Höhe seiner Erfolge zu stehen, als sich auch die Liebe der schönen Tochter
Frohweins, Frau von Ellwangens, ihm zuneigt, mit der er sich im Einverständnis mit dem Vater verlobt. Da erhält er den Besuch einer früheren Geliebten des rich-
tigen Barons von Langkerke, die den Vater ihres Kindes gefunden zu haben glaubt, aber einem Fremden gegenübersteht. Sie en,hüllt dem Geheimrat Froh-
wein ihre Entdeckung, und der Entlarvte wird von den, Geheimrat aus seiner Stellung entlassen und mit Geld abgefunden. In dieser Situation sucht thn seine
Verlobte auf und schenkt ihm Vertrauen und sich selbst.

alte Bürodiener brachte dem Geheimrat zwei Depeschen. Oie
Aeine aus Roubaix von der französisch-belgischen Textilgesellschaft,
unterzeichnet Firmin: „Neue Schwierigkeiten. Sendet sofort Baron
Langkerke her! Brief folgt."
Frohweins Miene wurde ernst. Natürlich würde er nun selbst Hinreisen
und die Herren dort belügen müssen über die „schwere Erkrankung" des
Barons! Es war nicht das erstemal seit der kaum zwei Wochen zurück-
liegenden Abreise dieses Mannes, daß er ihn vermißte und daß man nach
ihm verlangte.
Er fühlte sich langsam alt werden durch diese böse „Affäre", so bezeich-
nete er sie in Gedanken,- und er mußte oft daran denken, daß diese Affäre
Und der Nummer Gabis und Rosemaries ihm einen Nackenschlag verseht
hatten. Seine Nerven versagten fast, wenn ihm bald dieser, bald jener
seiner Direktoren und Mitarbeiter mitteilte, daß der Baron dies so an-
geordnet, jenes verhindert und anders gewünscht hatte. Gder man erwiderte
ihm: „Oer Baron hatte die Zache in der Hand ... Ich weiß wirklich nicht
recht Bescheid."
Und wie quälend waren diese ewigen Fragen: „Wie geht es dem Baron?"
„Wann kommt er zurück?" „Wo hält er sich jetzt auf?" „Nönnte man nicht
telegraphisch bei ihm anfragen?"
Das endgültige Ausscheiden dieses Mannes aus der Firma hatte er noch
niemand mitgeteilt. Noch schien es ihm zu früh. Wo einen Menschen
finden, dem er ganz vertrauen, der ihn entlasten konnte.

Sein Sohn weilte noch immer in Paris bei den Herbstrennen, vor wenig
Tagen hatte er geschrieben, aber nur vom Sport,- übrigens interessiere er
sich jetzt auch für das Boxen, und Paris sei jetzt stark von Fremden über-
füllt, die den billigen Franken ausnutzten, vergebliche Hoffnung!
Sein Blick fiel jetzt auf das zweite Telegramm, das er langsam überflog,
dann mit zitternden Händen fallen ließ, während ihn Nälte durchfröstelte.
Eine Nachricht seiner Schwester Luise aus Berlin:
„Gabriele von einem Ausflug nicht mehr zurückgekehrt, schreibt mir, daß
sie verreisen müsse und Dir direkte Nachricht geben würde. Weiß nicht,
was das bedeutet."
Aschfahl legte er sich in seinen Stuhl zurück. Er wußte auch ohne den
aufklärenden Brief, was es zu bedeuten hatte. Trotz alledem war sie diesem
Manne gefolgt, der einen magischen Zauber auf alle Menschen, insbesondere
auf die Frauen ausübte.
Wohin wäre sie sonst in aller Heimlichkeit gereist? Natürlich war das
alles längst verabredet. Seine Tochter hatte ihn ebenso getäuscht wie dieser
Mann. Blieb ihm denn nichts erspart nach einem Leben voll Sorge, Arbeit
und Erfolgen?
Aber wie es verhindern? Gabriele war selbständig, auch finanziell ganz
unabhängig. Es stand ihm keine väterliche Gewalt mehr über sie zu. Und
der sonst so gelassene Mann schlug in vollem Zorn mit der Faust aus den
Tisch. Ihn mußte er fassen —ihn sofort! Er klingelte und befahl sein Auto:
„Nach Stuttgart!" —

Zu Besuch in der Großstadt / Nach einer Zeichnung von Prof. H.M. Glatz


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