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Architekten- und Ingenieur-Verein <Frankfurt, Main> [Hrsg.]; Wolff, Carl [Bearb.]
Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main (Band 1): Kirchenbauten — Frankfurt a. M., 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.25631#0069
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dem Thurme und dem Umgänge an der Nordseite des Daches die besten
Plätze einnahmen.

Die Eigenschaft der Nicolai-Kapelle als Rathskirche erhielt den
deutlichsten Ausdruck durch die Einrichtung der Rathsmessen am Ende
des XV. Jahrhunderts. Im Jahre 1493 stifteten der Schöffe Wicker Frosch und
seine Gattin ein Stipendium, aus dessen Mitteln wöchentlich zwei Messen,
Dienstags und Donnerstags, im Sommer um 6 Uhr, im Winter um 7 Uhr
Morgens vor den Rathssitzungen am Altäre im Chore der Nicolai-Kapelle
und ausserdem jeden Abend ein Salve eingerichtet werden sollten. Diese
Stiftung trat aber erst 1499 ins Leben: Eberhard von Heusenstamm,

welcher die Wittwe des Stifters geheirathet hatte, und die Geschwister
Georg, Johann und Rilchin Frosch, erneuerten sie und behielten sich die
Ernennung des für diesen Gottesdienst bestimmten Priesters vor; eine
eigene Vikarie oder ein eigener Altar wurde für diese Rathsmessen nicht
gestiftet. Diese fromme Stiftung hatte nur einen kurzen Bestand; wenige
Jahrzehnte später, angeblich 1530, kamen diese Messen in Folge der
reformatorischen Bewegung ausser Gebrauch. Während ihres Bestehens
sah man an jedem Rathstage die Herren des Rathes paarweise in Prozession
vom Römer in die Kapelle und von da nach beendeter Messe wieder in
den Römer ziehen. Nach 1530 traten an Stelle dieser Rathsmessen die
Rathspredigten in der Barfüsser-Kirche; später begnügte man sich mit der
Verlesung eines Gebetes vor Beginn und nach Schluss der Berathungen im
Rathszimmer durch den Stadtschreiber.

Dass die Nicolai-Kapelle in der Reformationszeit eine der ersten
Kirchen war, welche dem katholischen Gottesdienste entfremdet wurden,
ist begreiflich. Im Juni 1529 wurde der bisherige Gottesdienst in der
Barfüsser-Kirche eingestellt, da die Barfüssermönche zur evangelischen
Lehre übertraten; im August 1530 wurde die Nicolai-Kirche vom Rathe
geschlossen; die Becher, Kleinodien, Messgewänder und sonstigen Werth-
sachen der Kirche wurden zu Gunsten des Almosenkastens öffentlich ver-
kauft — nach Aussage eines katholischen Chronisten zu Schleuderpreisen.
Die Pfründen verblieben aber den bei der alten Kirche ausharrenden
geistlichen Inhabern und nach ihnen anderen Geistlichen des Domstiftes.
1546 wurde eine der Glocken dazu bestimmt, an den Tagen, an welchen
Gericht abgehalten wurde, dessen Sitzungen einzuläuten. Am 5. August
1543 wurden die Altäre in der Kirche abgebrochen und zwar in der Nacht:
denn wer Böses thut, scheut das Tageslicht, wie ein katholischer Geist-
licher über dieses Verfahren des Rathes urtheilt. Während der Belagerung
von 1552 wurde die Kirche als Getreidespeicher benutzt. Der Rath hatte
sie wohl schon nach dem Abbruch der Altäre zum Waarenspeicher für
die Kaufleute gemacht, *) zu welchem Zwecke sie nunmehr über andert- 9

9 Als Datum dafür gibt Lersner III, 103 den 23. August 1570 an; in den Raths-
protokollen hat sich ein diesbezüglicher Beschluss nicht gefunden. Die erste Rech-
nung über die Benutzung der Kirche als Waarenlager stammt aus der Fastenmesse 1565.
 
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