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und zwischen dem ersten und zweiten Stockwerke ein Gurtgesims aus
Holz eingeführt. Nur die Rückfacade an der Kleinen Sandgasse zeigt
noch mit ganz geringen Abweichungen das alte Hesssche System; trotz-
dem die ununterbrochenen, gradlinigen Einfassungen und Füllungen, welche
die Frontfläche auflösen, der Ruhe des Ganzen schaden, ist hier dennoch
mit bescheidenen Mitteln eine die Palastarchitektur anstrebende Wirkung
erreicht, und es ist interessant, im Einzelnen zu verfolgen, wie Hess, der
wahrscheinlich der Bausumme wegen mit den bestehenden Thatsachen
hatte rechnen müssen, sich in origineller Weise zu helfen wusste; über die
Formen des damals regierenden Zopfstils kam er dabei nicht hinaus.
Letzteres beweist auch das zweistöckige, hölzerne Uhrthürmchen in der
Mittelachse der westlichen Hoffront. Das erste Stockwerk auf der Vorder-
seite von zwei, das Zwischengesims tragenden jonischen Pilastern ein-
gefasst, wird seitlich durch zwei giebelartige, einfach geschwungene Bretter-
wände gestützt, deren Enden durch Vasen von sehr schwerfälliger und
nüchterner Gliederung belastet sind. Unter dem runden Zilferblatte sitzt
eine dreitheilige Guirlande, über demselben ein hervortretendes Brett als
Füllung. In dem oberen, mit Fensterläden versehenen Stockwerke befindet
sich die Glockenstube. Ueber dem durch Triglyphen an den Ecken ge-
stützten Hauptgesimse erhebt sich auf vier Stufen die schlanke Spitze mit
Kugel und Windrose.
Banser, welcher 1794—96 die Nordfacade umbaute, hat sich streng
an die Formen der Südfacade gehalten. In welcher Weise er mit dem
Vorderhause verfuhr, lässt sich nicht mehr feststellen; von ihm scheint
aber die Attika zu stammen, welche, vom Hof aus nach Osten gesehen,
sich an der Rückseite des Vorderhauses über dem Kranzgesimse in einem
kurzen Oberstockwerke erhebt. Die oben abschliessende Brüstung wird
durch ein Flechtband in Relief ausgefüllt, dessen vertikal gestellte elliptische
Glieder in der Form eines kleinen Kreises verknüpft sind; die kleinen
Zwickel werden durch Akanthuskelche belebt. Auf dem Dache der Rück-
facade des nördlichen Flügelbaues erhebt sich über dem Gässchen, welches
den Zugang von der Bleidenstrasse aus bildet, eine grössere, einfenstrige
Dachgaube, deren Vordermauer mit der Front bündig ist. Sie wird durch
einen Dreieckgiebel in den Profilen des mit einem Zahnschnitt versehenen
Kranzgesimses überdeckt.
Zu dem Altane, welcher im Jahre 1839 vor der Rückfront des Vorder-
hauses im Hofe errichtet wurde, besitzen wir noch einen dem Bau-Amte
am 14. Juni 1888 eingereichten Entwurf des Zimmermeisters Constantin
Gehlhaar. Die einstöckige stattliche „Verbindungs-Oollonade der beyden
Braunfels-Gallerien" ist darauf in der Grundform einer nach dem Hofe
zu-geöffneten Ellipse geplant; unten dorische Säulen mit Triglyphen-
gesims, oben toskanische Säulen auf hohen Sockeln, ein Kranzgesims nach
der Art des Barozzio von Vignola und antikisierende Brüstungsgitter,
ganz im Sinne der durch Schinkel drei Jahrzehnte vorher wieder belebten