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Instytut Sztuki (Warschau) [Editor]; Państwowy Instytut Sztuki (bis 1959) [Editor]; Stowarzyszenie Historyków Sztuki [Editor]
Biuletyn Historii Sztuki — 79.2017

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Nr. 1
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Jurkowlaniec, Tadeusz: Historie Krzyża ŒŚwiętego na portalu kaplicy ¬św. Anny w Malborku
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https://doi.org/10.11588/diglit.71009#0062
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Tadeusz Jurkowlaniec

gezeigten, von Zinnen besetzten Wehrmauer befin-
den, die den Ort als Jerusalem ausweisen. Heraklius
wird ohne Kaiserkrone am untersten Ende der Wehr-
mauer gezeigt. Etwas auBerhalb des von der Wehr-
mauer markierten heiligen Bezirks ist hinter dem
Kaiser eine mannliche Gestalt in rotem, silber-
besetztem Gewand zu sehen. Kaiser Heraklius wird
ublicherweise von Hoflingen sowie von „histori-
schen" und „symbolischen" Personen (u. a. Esr 1;3-
6) begleitet (Anm. 141). Um Darstellungen von zur
Zeit der Reliefentstehung lebenden Personen han-
delt es sich beim Abbild des Stifters oder Gestalten,
die auf die gegenwartige Situation in der Jerusalem-
er Grabeskirche verweisen (Abb. 26; Anm. 142,
143). Die hinter dem Kaiser stehende Gestalt wird
durch das von ihr gehaltene Attribut identifiziert (der
obere Teil davon 1821 erneuert; Abb. 8-9, 23). Zwar
wurde dieser Gegenstand immer wieder als ein
Kelch oder ein Kerzenhalter beschrieben (Anm.
147, 148), doch bei naherer Betrachtung erinnert er
eher an das 1223 vom Kardinal Giovanni Colonna
(fl243) nach Rom gebrachte und in der dortigen
Basilika S. Prassede aufbewahrte Fragment der
GeiBelsaule Christi (etwa 63 cm hoch; Abb. 29;
Anm. 149). Diese Reliquie wurde im 14. Jahrhun-
dert verehrt (Anm. 150-152). Das Attribut einer Ge-
stalt, die auf den ersten Blick an dem dargestellten
Ereignis des 7. Jahrhunderts beteiligt zu sein scheint,
weist darauf hin, dass es sich hier um eine Person
handelt, welche in etwa in der Zeit zwischen der
Ankunft des Fragments der GeiBelsaule Christi in
Rom (1223) und der Erschaffung des Marienburger
Tympanons (um 1340) gewirkt haben muss. In die-
ser Szene haben wir es also mit einer Zusammenfu-
gung von chronologisch unterschiedlichen Ereignis-
sen zu tun, was vergleichbar mit der Darstellung des
Judas und des Franziskanermonchs am Golgota ist.
Die Details der Golgotaszene verweisen eindeutig
auf Jerusalemer Geschehnisse, die sich aller Wahr-
scheinlichkeit nach nach 1323 ereigneten. Wahrend-
dessen steht der die sich seit 1223 in Rom befindli-
che Reliquie prasentierende Wurdentrager eindeutig
auBerhalb der Jerusalemer Stadtmauern. Die gesam-
te Szene setzt sich also aus Teilen, die sowohl chro-
nologisch als auch geographisch nicht konvergier-
ten. Das Fehlen der Krone am Haupt des Kaisers
verweist hochstwahrscheinlich auf die zur Entste-
hungszeit des Tympanons aktuelle Lage des Kaiser-
tums. Die GeiBelsaule Christi gehort zu den wichtig-
sten Reliquien, sie konnte indes auch auf das
Wappen des Geschlechts der Colonna hinweisen
(Anm. 156), die zu den einfluBreichsten Ghibel-
linern zahlten. Da sich die die Saule prasentierende
Gestalt nicht eindeutig als geistlich oder weltlich in-
terpretieren lasst, konnte man sie entweder mit dem
Kardinal Giovanni Colonna, der die GeiBelsaule

nach Rom brachte, oder mit Giacomo Colonna, gen.
Sciarra (Anm. 160), identifizieren. Nach mehreren,
mit verschiedenen Papsten ausgetragenen Konflik-
ten gehorte Sciarra als gewahlter Capitano del
Popolo zu den Vertretern des romischen Volkes, die
1328 Ludwig den Bayern zum Kaiser kronten (Anm.
161).
Angesichts des Hauptthemas, dem die Tympa-
nonreliefs gewidmet sind - die Legenden vom Heili-
gen Kreuz - betrachte ich sie im Umfeld der gesam-
ten bauskulpturischen Ausschmuckung der St.
Annen-Kapelle als ein unabhangiges Werk. Aller-
dings lasse ich hier die Szene mit dem Jungen auf
dem Baum aus, eine der drei Darstellungen des Tym-
panons, die auf das Wirken der hl. Helena und des
Kaisers Heraklius keinen Bezug nehmen.
Untersucht man das Tympanon, ist die spezielle
Funktion der bildenden Kunste im Mittelalter zu be-
rucksichtigen, die das Leben und Taten der Ahnen in
Erinnerung bringen sollten (Anm. 166). Einen gro-
Ben Einfluss auf die Gestaltung von Bildern in jener
Epoche hatten Rhetorik und die Dichtkunst (Anm.
167, 168).
Lesen wir die Szenen des Tympanons beginnend
mit der linken, unteren Ecke weiter nach rechts, so
handelt es sich bei dem Franziskanermonch um die
erste dargestellte Person, wahrend der hinter Kaiser
Heraklius dargestellte Wurdentrager die Szenenab-
folge abschlieBt. Beide Gestalten haben sachlich mit
dem Hauptthema der Reliefe nicht direkt etwas zu
tun, sondern verweisen vordergrundig auf Ereignis-
se in Jerusalem (nach 1223 und nach 1323) und Rom
(nach 1223).
Einige in den jeweiligen Szenen dargestellten
Details beziehen sich auf Einzelheiten der Legen-
denerzahlung. Die Anzahl der Zinnen in der Bekro-
nung des Gebaudes [2; Abb. 7-10,30] verweist wohl
auf die Lange der Gefangenschaft von Judas (6
Tage), wahrend die Aufteilung der Dachflache in
zwei volle und eine unvollstandige Partie Air die Ta-
geszeit seiner Befreiung am Morgen steht. Verbirgt
die Zinnenbekronung der in der obersten Szene dar-
gestellten Jerusalemer Stadtmauer (Abb. 23, 31)
auch einen verschlusselten Bedeutungsinhalt? Die
Mauerlinie steigt nach links oder fallt nach rechts
ab. Ihre funf Zinnen konnten moglicherweise als
Verweis auf einen in funf Zeiteinheiten gemessenen
Prozess ausgelegt werden, z. B. das Zunehmen einer
Macht (nach links) oder Abnehmen eines Hindernis-
ses (nach rechts). MutmaBlich wird auf diese Weise
chiffriert auf die Zeit zwischen der Kronung Ludwig
des Bayern zum Konig von Italien in Mailand (1327;
Anm. 162) und der Hochmeisterwahl Luder von
Braunschweigs (1331; f!335), des Stifters der
Marienburger St. Annen-Kapelle, dessen Amtszeit
und die Dauer des Gerichtsstreites zwischen Polen
 
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