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Zur Problematik der Quellen

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147. Darstellung des Klosters Wülzburg auf einer Gemarkungskarte von Weißenburg, um 1570/75. Derartige Karten zeigen in der Regel
nur die wichtigsten Merkmale der Gesamtanlage - hier also vor allem den beherrschenden Turm und die Umfassungsmauer - während
Form, Größe und Verteilung der übrigen Bauten frei komponiert sind. Dies wird auch in diesem Falle durch andere Karten der Epoche
bestätigt, wo das Kloster ähnlich, aber keineswegs gleich dargestellt ist. Es fehlen zudem wichtige, quellenmäßig gesicherte Bauteile,
insbesondere der Zwinger. (StAN, Ansb. Karten u. Pläne, 550)

Weise berücksichtigte. Das Problem liegt vielmehr auf
einer anderen Ebene: in Abwesenheit aller Datierungen
oder Angaben über Zeichner ist nämlich die zeitliche
Abfolge der Pläne zunächst ebenso unklar wie ihr jeweili-
ger Verfasser.

Ab diesem Punkt sind weitere Erkenntnisse nur noch
zu erreichen, indem man die Beobachtungen am Bau-
werk selbst heranzieht. Wie das Kapitel 2. gezeigt hat, läßt
sich die Aufeinanderfolge von Bauteilen an vielen Stellen
der Festung eindeutig feststellen, und obwohl auch diese
Beobachtungen oft voneinander isoliert und insoweit
schwer interpretierbar sind, lassen sie sich doch häufig in
aufschlußreiche Beziehungen zu den Plänen der Erbau-
ungszeit bringen. Durch konsequente Verfolgung dieser
Methode kann letztlich eine Abfolge der Entwurfskon-
zepte bzw. Plansätze rekonstruiert werden, die eine hohe
Wahrscheinlichkeit besitzt.

In einem dritten Schritt kann dann die Reihenfolge der
Baumeister, wie wir sie aus den Schriftquellen kennen,
mit dieser Abfolge der Entwurfskonzepte bzw. Plansätze
in Beziehung gesetzt werden. Damit wird nicht nur eine
Frage zu beantworten versucht, die für das Verständnis
der Wülzburg von zentraler Bedeutung ist. sondern

zusätzlich eine weitere und letzte Argumentationsebene
erschlossen, indem nämlich andere Werke der betreffen-
den Architekten mit ihrem wahrscheinlichen Entwurf für
die Wülzburg verglichen werden können.

Damit ist die Methode, die der folgenden Darstellung
zugrunde liegt, im Grundsatz beschrieben. Die Entste-
hung der Wülzburg kann - so muß nochmals unterstri-
chen werden - auf einem Fundament von so aufwendiger
Konstruktion natürlich nicht als historische Wahrheit dar-
gestellt werden, sondern letztlich nur als eine sorgfältig
abgesicherte Hypothese von hoher Wahrscheinlichkeit.

Bevor wir uns nun den Fakten zuwenden, sei ab-
schließend eine Bewertung der beschriebenen Quellen-
situation erlaubt. Betrachtet man nämlich die Kompliziert-
heit und Lückenhaftigkeit der Verhältnisse, die zu ihrer
Aufklärung ein so differenziertes Instrumentarium benö-
tigen, so spiegelt sich in ihnen ganz offensichtlich ein
Stück der historischen Gesamtsituation. Zwar macht
schon der Tod zweier Baumeister mitten in der Arbeit
sicher einiges von den Brüchen verständlich, die hier
sichtbar werden, aber ganz fraglos gab es Faktoren, die
weit über diese beiden Ereignisse hinausgingen, und die
 
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