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Biller, Thomas
Die Adelsburg in Deutschland: Entstehung, Form und Bedeutung — München, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.4980#0209
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Die klassische Adelsburg als kulturelle Ausdrucks form des Adels

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pflichtung und »Treue«, auf die sie stolz sein können. Daß ein solches Selbstverständnis
zugleich im Interesse der älteren Aristokratie lag, indem es den nach oben drängenden
Schichten zwar Raum gab, sie aber zugleich wieder integrierte, zeigt u. a. die fördernde
Haltung Kaiser Friedrichs I. gegenüber der Ministerialität und dem Ritterbegriff; freilich
war dem Versuch, das aus Frankreich kommende Modell im Interesse der Zentralgewalt
einzusetzen, nach seinem Tode keine Weiterwirkung im Reich beschieden.

Der integrierende Charakter des Ritterideals war nicht auf die höfische Dichtung
beschränkt, sondern er prägte die gesamte Kultur des Adels, die in eben jener Epoche
entsteht. Er greift in der Regel nicht auf literarische, sondern auf demonstrative Mittel
zurück. Ausgehend von den adelstypischen Aufgaben im Kampf und im Krieg entwickeln
sich Ausdrucksformen, die zwar durchaus alltagswirksam sind - wie bei Kleidung, Bewaff-
nung und Formen des öffentlichen Auftretens - die sich aber vor allem im Fest am Hof eines
Hochadeligen verwirklichen. Besonders im Turnier, das in eben jener Epoche zwischen
1150 und 1300 aus Westeuropa nach Deutschland übernommen wird, findet diese Adelskul-
tur ihren spektakulären, entschieden weltlichen Höhepunkt. Unverkennbar von Kriegs-
übungen ausgehend, die weiterhin das Zentrum des Geschehens bilden, integriert das
Turnier höchst wirksam die wichtigsten Elemente ritterlicher Kultur: Der Hochadel als
Veranstalter übt sich öffentlich in Freigebigkeit, von der die meist dem Niederadel angehö-
rigen Turnierteilnehmer profitieren, die ritterlichen Sänger und die von ihnen verehrten
hochadeligen Damen gehören an wichtiger Stelle zum Ablauf der prachtvollen Veranstal-
tung. Die geradezu propagandistischen Symbole des Rittertums, die teils bis heute weiter-
wirken - neben der Dichtung sei vor allem das Wappen genannt - entstammen dem
Zusammenhang dieses adeligen Festes, dessen ideale, verbindende Kraft vor allem darin
begründet lag, daß es zwar von der harten Realität des Krieges ausging, sie aber mit
kulturellen Mitteln überhöhte.

Eben diese Merkmale der grundsätzlichen Funktionalität und der kulturellen Überhö-
hung lassen sich auch in der klassischen Adelsburg, einer weiteren Schöpfung der Epoche
um 1150-1300, wiederfinden. Auch die Burg war zunächst Mittel für Kampfund Krieg,
indem sie den Wohnsitz des Adeligen und die Herrschaftsansprüche über Besitzungen und
Einkunftsquellen sichert. Die frühmittelalterliche Fliehburg für die Bevölkerung betonte
noch einseitig diesen funktionalen Aspekt: Merkmale wie Größe, kostengünstige Ausfüh-
rung in Holz, Erde und Trockenmauerwerk sowie versteckte Lage schlössen einen »archi-
tektonischen« Charakter aus. Die Aristokratie dürfte bis zum 10. Jahrhundert und regional
weit länger auf Herrenhöfen gesessen haben, bei denen die Lage an geschützten Stellen der
Agrarzone bzw. der bäuerliche Betrieb typbestimmend waren, kaum die schlichten Befesti-
gungen; Entwicklungen solcher Herrenhöfe zu Burgen sind auch in Deutschland archäolo-
gisch nachweisbar, wenn auch noch recht selten.

Die Verlagerung der Herrensitze auf den Berg - die »Vertikalverschiebung« der öster-
reichischen Forschung - ist bei wenigen Hochadelssitzen schon vor und um 1000 belegbar,
vor allem am Westrand des deutschen Sprachraumes. Sie ist eine der Voraussetzungen
dafür, daß der Adelssitz eine landschaftswirksame, repräsentative Wirkung entwickeln
kann, die im Laufe des 11. Jahrhunderts auch quellenmäßig nachweisbar wird. Der andere
Schritt zu einer spezifisch adeligen Architektur ist die Übernahme des Steinbaus mit seinen
monumentalen Möglichkeiten, die sich stufenweise und regional unterschiedlich vollzieht.
Hier spielt im [I./12. Jahrhundert vor allem der Wohnturm bzw. die um ihn gruppierte
»Turmburg« eine zentrale Rolle, wie inzwischen durch zahlreiche Ergebnisse von Mittelal-
terarchäologie und Bauforschung belegt werden kann. Die Integration von herrschaftlicher
 
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