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Grommelt, Carl; Mertens, Christine
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens (Band 5): Das Dohnasche Schloss Schlobitten in Ostpreussen — Stuttgart: Kohlhammer, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48962#0127
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Erstes Obergeschoß (bei etage)

Königliche Vorstube (18). 1650: Wildstube; 1728: Gehöhntes Vorgemach; 1737: Kgl.
Gemächer: Vorgemach; 1771: Kgl. Vorgemach; 1786: nicht erwähnt; 1828: Kgl. Vorstube
(Abb. 66).
Die Bezeichnung „Wildstube" läßt vermuten, daß Abraham Dohna in diesem Raum
seine Jagdtrophäen zur Schau gestellt hatte. Er gehört seit der Erbauung des Schlosses zu
den drei — nach dem Umbau und der Unterteilung des „Fürstenzimmers" — vier Gemächern,
die für die Unterbringung des durchreisenden Landesherren vorgesehen waren und ent-
sprechend ausgestattet worden sind. Mit seinem Renaissanceerker, Zutritt zu dem kleinen
Altan und Fenstern nach zwei weiteren Seiten, die einen Überblick über den gesamten
Ehrenhof bis hinüber zum Marstall, ja bis zum Vorwerk gestatten, war er als Vorstube,
in der man sich bei hohem Besuch ein eifriges Kommen und Gehen vorstellen muß, sehr
gut geeignet. Von hier aus haben Friedrich Wilhelm III. und die Königin Louise bei ihrem
Besuch in Schlobitten 1802 den „Freuden und Tänzen des Landvolks, das aus der ganzen
Gegend herbeigeströmt war, zugesehen und die Kinder veranlaßt, über die Brücke näher
zum Palais und nahe unter des Königs Fenster zu ziehen".
Die Auszierung feiert den siegreich heimgekehrten Feldherrn. Kraus hat die Voute durch
flache Rechteckkassetten mit Blattfüllung gegliedert, die Ecken durch vergoldete, kräftig
reliefierte Trophäen betont und auf das Gesims einen kleinen, in Stuck vollplastisch aus-
geformten Affen gesetzt, der eine Frucht zum Munde führt und damit anscheinend einen
roten Papagei ärgern will, der schräg über ihm sitzt. Ein großes, goldbefranstes Tuch ist
zur Anregung räumlicher Vorstellungen geschickt über die Voute drapiert. Drölerien dieser
Art sind typisch für die Zeit und Affen besonders beliebte Akteure, die vor allem auch
auf den Berainschen Ornamentstichen immer wieder Vorkommen100. Die Gruppe hat auch
hier eine im wesentlichen dekorative Funktion. Die Illustration des eigentlichen Themas
der Ausgestaltung hat Schannes übernommen. Auf Wolkenbergen, an eine goldene Hau-
bitze gelehnt, thront Mars (Abb. 63), in voller, goldglänzender Rüstung mit Silberhelm,
Federbusch, Schild und Feldherrnstab, von einem braunvioletten Mantel umwallt und den
Blick auf den eintretenden königlichen Gast gerichtet. Über ihm schweben Putten mit
einem großen, weißen Banner. Sie sind in starker Verkürzung flüchtig mit breitem Pinsel
hingestrichen, während Schannes zwei weitere geflügelte Knaben, von denen einer die
Kesselpauke schlägt und der andre die Siegesfanfare an die Lippen gesetzt hat und einen
Lorbeerzweig in der Linken hält, etwas kräftiger ausgeführt hat. Scharf durchgezeichnet
sind wiederum die Hellebarden und Fahnenstangen, an deren vergoldeten Spitzen Gold-
quasten hängen. Das Grün-Violett und Blau-Weiß der Fahnentücher und das grüne Lenden-
tuch des Trompeters bilden willkommene Gegengewichte zu den Gelbtönen der verschie-
denen Waffenteile.
Die beiden Supraporten illustrieren (1) die Schlacht bei Issus und (2) die Schlacht am
Granikus (Farbtafel IV), in denen Alexander der Große den Perserkönig Darius besiegt
hat. Die Schlachten Alexanders des Großen, wie Plutarch sie geschildert hat, gehören zu
den beliebtesten Barockthemen und sind auch im Chinesischen Kabinett (Nr. 21) zur Dar-

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