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Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0047
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I. Kirchliche Gebäude.

A. Stiftskirchen.

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erfordert, da die Einweihung erst in den Jahren 1370 bis 1372 stattgefunden hat.
Noch Dienstag nach dem zwölften gen. Epiphan. (9. Januar) 1358 schenkte
Gertrud, die Wit.twe Konrads von Grafendorf, dem Marienstifte zu dem „neuen Chor-
bau,“ den das Kapitel „angefangen“, hundert Pfund Denare, welche der Ritter Hermann
von Grizheim ihrem Bruder Herrmann von Eichleiben, Pfarrer zu Stadt Remda,
schuldete. (M. K. A.) Dass die Einweihung des Chors nicht vor 1370, aber
auch nicht nach 1372, erfolgt sein kann, geht daraus hervor, dass der Bischof von
Constantia, Graf Rudolf von Stolberg, welcher sie bewirkt hat (Necrologium des
Marienstifts. Handschr. der grossherzogl. Bibliothek zu Karlsruhe) — qui chorurn
istum consecravit —, erst 137U die weihbischöfliche Würde erlangt hat und bereits
am 27. August 1372 gestorben ist. (Koch, 1. c. S. 74.)
Aber selbst damals kann der Chor noch nicht in allen seinen Theilen gänz-
lich vollendet gewesen sein. Es ergiebt sich dies aus einem am 25. August 1403
zwischen dem damaligen Magister Fabricae, Heinrich Döringenhusen, und den
Testamentsvollstreckern des Yicars Johann Tiefengruben, wohl dem Amtsvorgänger
jenes, getroffenen Abkommen in betreff der Ausschmückung des ersten Fensters,
welches im Chor gemacht wurde, durch ein Glasgemälde. (M. K. A.) Im Laufe
des 15. Jahrhunderts entstanden denn auch die übrigen Chorfenster, soweit sie
nicht der neuesten Zeit angehören.
Die Kosten des Chorbaues sollen 24,000 Mk. Silb. oder 168,000 Gulden, die
der Cavate und der Stufen 142,886 Gulden betragen haben. (N. de Siegen 1. c.
p. 392. Falkenstein Hist. S. 234 cf. S. 138. Gudenus Hist. p. 107.)
Noch vor der Beendigung des Chorbaues, etwa um 1350, muss der am nörd-
lichen Giebel des Querschiffes befindliche dreiseitige Portalbau, der sogen. Triangel,
der für das schönste Denkmal der altdeutschen Baukunst in Thüringen gilt, ent-
standen sein. Denn wenn dies auch weder durch urkundliche noch durch
chronikale Zeugnisse bekundet wird, so muss doch nach den Eigentümlichkeiten
der Architektur dieser Ban unbedenklich in die Mitte des 14. Jahrhunderts
gesetzt werden.
Kaum war der Bau des Chors vollendet, als die Kirche durch eine Feuers-
brunst eine sehr erhebliche Beschädigung erlitt, welche die Läuter am Vorabende
des Martinsfestes (10. Nov.) 1416 durch Nachlässigkeit veranlasst hatten, indem sie
als sie nach gethaner Arbeit von den Thürmen hinabstiegen und eine an einen Balken
angeklebte Kerze brennend zurückliessen, so dass die reichlich mit Fett und Thran
getränkten Balken vom Feuer ergriffen wurden. Es brannten die Thürme aus,
wobei die darin hängenden 16 Glocken schmolzen oder doch verdorben wurden,
und auch Chor und Orgel einen erheblichen, auf 3000 — 4000 fl. geschätzten
Schaden erlitten (N. de Siegen, 1. c. p. 419. K. Stolle, 1. c. f. 109. Joh. Rothe,
Thüring. Chronik, herausgeg. v. Liliencron S. 653). — Die Wiederherstellung, abge-
sehen von der grossen Glocke, die 1423 neu gegossen wurde (Engelhusii Chronic, l.c.),
scheint nicht sogleich erfolgt zu sein, denn Hartung Kammermeister und Friese
berichten, dass erst 1454 der höchste, also der mittlere, Thurm an der U. L. Frauen-
kirche, an dem zu bauen man einige Jahre zuvor angefangen hatte, sowie die
beiden Seitenthürme vollendet worden wären.
Der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts müssen auch der grosse Altan, tlie
auf den Cavatbögen ruhende, dem Chor vorliegende Plattform, und der neue Graden
 
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