I. Kirchliche Gebäude.
A. Stiftskirchen.
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wurden nun die letzteren breiter als das erstere, in Folge dessen auch die Höhe
geringer erschien als sie in Wirklichkeit war. Der Grundriss des Doms giebt
deutlich zu erkennen, wie sehr es dem Bauwerke an Einheit fehle und wie häufig
Restaurationen und Neubauten Veränderungen der ursprünglichen Anlage herbei-
geführt haben müssen. Ja, es waren nicht einmal mehr die beiden Seitenwände
parallel, vielmehr näherten solche sich einander auf ihren westlichen Enden, aller-
dings nur um 2 Fuss, so dass es nicht in die Augen fällt und nur bei einer
Messung wahrgenommen werden kann.
Der Meister, unter dessen Leitung der Bau zur Ausführung kam, war der
Stiftskapitular Thielemann Ziegler, der als Baumeister des Doms in Urkunden
von 14G4, 1466 und 1467 erscheint (E. A.) und auch sicher bei dem Wieder-
herstellungsbau nach dem Brande von 1472 mitgewirt hat, da er es gewesen ist, der
als Baumeister der U. L. Frauenkirche am Mittwoch nach Bartholomäi (27. August)
1477 dem Werkmeister das Silber übergab, aus welchem der Sarkophag des heil.
Adolar gefertigt werden sollte (M. K. A.).
Wann jener Herstellungsbau vollendet gewesen und dessen Einweihung erfolgt
sei, ist nicht bekannt, da keiner der zeitgenössischen Chronisten — Hartung
Kammermeister, Nicol, von Siegen, Konrad Stolle — eine hierauf bezügliche Nach-
richt enthält, doch muss derselbe mit grossem Eifer und möglichster Schnelle be-
trieben sein, so dass er mindestens 1465 beendet und das Gebäude dem Gottes-
dienste zurückgegeben war. Denn eine, wie Hogel 1. c. angiebt, in diesem Jahre
erlassene Ordnung für die Frohnleichnamsprocession bestimmte, dass diese durch
die unterste grosse Thüre, also durch das Westportal, ziehen solle.1
Aber auch dieser Bau hatte nur eine kurze Dauer, denn bei dem grossen
Brande, der am 19. Juni 1472 zum Ausbruch kam und mehr als die halbe
Stadt in Asche legte, ergriffen die Flammen auch die Thürme der beiden Stifts-
kirchen auf dem Domberge, die nicht nur selbst ausbrannten, sondern auch
die an sie stossenden Kirchenschiffe mit allen in diese geflüchteten Gütern in
Mitleidenschaft zogen. Die Glocken, unter ihnen die schöne 1423 neugegossene
Gloriosa, sowie die Orgeln schmolzen; das Erz soll auf die breiten Stufen
hinabgeflossen sein. Auch der Domkreuzgang mit dem Kapitelhause wurde
beschädigt (Falkenstein, Hist. S. 338); es gelang nur den Chor und den unteren
Theil des Mittelbaues vor dem Untergänge zu bewahren (Eoban v. Dolgen, Chronic.
Erfurt. Handschr. der Bibliothek zu Gotha.).
Das Unglück, welches die Stadt, namentlich die beiden Stifter betroffen, erregte
weit und breit die allgemeine Theilnahme und man beeilte sich von allen Seiten
1 Dieselbe Jahreszahl trug eine Inschrift auf derKtickseite des gleich links vom Haupt-
eingange aufgestellten Altars: Consecratum est hoc altare in honorem Sanctae Trinitatis,
sancte crucis, gloriosissimae virginis Mariae et b. Michaelis Archangeli, omnium aliorum
Archangelorum, Anglorum et sanctorum Dei. Et sunt in eo repositae reliquiae Sanctorum
Albani, Christophori, Victoris, Henrici Imperatoris et Francisci "ab Domini MCCCCLXVI d.
20. Junij per reverendum patrem Dominum Hermannum Episcopum Citrens. qui dedit 40
dies indulgentiarum omnibus hic celebrantibus vel orantibus aut manus adjutrices porri-
gentibus toties et quoties hoc fecerint. Excommunicavit etiarn omnes, qui ipsum Altare
laeserint vel ejus res aut bona subtraxerint. Anniversarius aut dedicationis dies celebratur
dominica proxima ante festum Johannis Baptistae. (Gerstenberg, Novantiq. Erford.)
A. Stiftskirchen.
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wurden nun die letzteren breiter als das erstere, in Folge dessen auch die Höhe
geringer erschien als sie in Wirklichkeit war. Der Grundriss des Doms giebt
deutlich zu erkennen, wie sehr es dem Bauwerke an Einheit fehle und wie häufig
Restaurationen und Neubauten Veränderungen der ursprünglichen Anlage herbei-
geführt haben müssen. Ja, es waren nicht einmal mehr die beiden Seitenwände
parallel, vielmehr näherten solche sich einander auf ihren westlichen Enden, aller-
dings nur um 2 Fuss, so dass es nicht in die Augen fällt und nur bei einer
Messung wahrgenommen werden kann.
Der Meister, unter dessen Leitung der Bau zur Ausführung kam, war der
Stiftskapitular Thielemann Ziegler, der als Baumeister des Doms in Urkunden
von 14G4, 1466 und 1467 erscheint (E. A.) und auch sicher bei dem Wieder-
herstellungsbau nach dem Brande von 1472 mitgewirt hat, da er es gewesen ist, der
als Baumeister der U. L. Frauenkirche am Mittwoch nach Bartholomäi (27. August)
1477 dem Werkmeister das Silber übergab, aus welchem der Sarkophag des heil.
Adolar gefertigt werden sollte (M. K. A.).
Wann jener Herstellungsbau vollendet gewesen und dessen Einweihung erfolgt
sei, ist nicht bekannt, da keiner der zeitgenössischen Chronisten — Hartung
Kammermeister, Nicol, von Siegen, Konrad Stolle — eine hierauf bezügliche Nach-
richt enthält, doch muss derselbe mit grossem Eifer und möglichster Schnelle be-
trieben sein, so dass er mindestens 1465 beendet und das Gebäude dem Gottes-
dienste zurückgegeben war. Denn eine, wie Hogel 1. c. angiebt, in diesem Jahre
erlassene Ordnung für die Frohnleichnamsprocession bestimmte, dass diese durch
die unterste grosse Thüre, also durch das Westportal, ziehen solle.1
Aber auch dieser Bau hatte nur eine kurze Dauer, denn bei dem grossen
Brande, der am 19. Juni 1472 zum Ausbruch kam und mehr als die halbe
Stadt in Asche legte, ergriffen die Flammen auch die Thürme der beiden Stifts-
kirchen auf dem Domberge, die nicht nur selbst ausbrannten, sondern auch
die an sie stossenden Kirchenschiffe mit allen in diese geflüchteten Gütern in
Mitleidenschaft zogen. Die Glocken, unter ihnen die schöne 1423 neugegossene
Gloriosa, sowie die Orgeln schmolzen; das Erz soll auf die breiten Stufen
hinabgeflossen sein. Auch der Domkreuzgang mit dem Kapitelhause wurde
beschädigt (Falkenstein, Hist. S. 338); es gelang nur den Chor und den unteren
Theil des Mittelbaues vor dem Untergänge zu bewahren (Eoban v. Dolgen, Chronic.
Erfurt. Handschr. der Bibliothek zu Gotha.).
Das Unglück, welches die Stadt, namentlich die beiden Stifter betroffen, erregte
weit und breit die allgemeine Theilnahme und man beeilte sich von allen Seiten
1 Dieselbe Jahreszahl trug eine Inschrift auf derKtickseite des gleich links vom Haupt-
eingange aufgestellten Altars: Consecratum est hoc altare in honorem Sanctae Trinitatis,
sancte crucis, gloriosissimae virginis Mariae et b. Michaelis Archangeli, omnium aliorum
Archangelorum, Anglorum et sanctorum Dei. Et sunt in eo repositae reliquiae Sanctorum
Albani, Christophori, Victoris, Henrici Imperatoris et Francisci "ab Domini MCCCCLXVI d.
20. Junij per reverendum patrem Dominum Hermannum Episcopum Citrens. qui dedit 40
dies indulgentiarum omnibus hic celebrantibus vel orantibus aut manus adjutrices porri-
gentibus toties et quoties hoc fecerint. Excommunicavit etiarn omnes, qui ipsum Altare
laeserint vel ejus res aut bona subtraxerint. Anniversarius aut dedicationis dies celebratur
dominica proxima ante festum Johannis Baptistae. (Gerstenberg, Novantiq. Erford.)