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Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0152
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132

Kreis Erfurt.

Palmen in den Händen; auf der andern Seite sind der heilige Paulus mit dem
Schwerte, der h. Severus im bischöflichen Ornate, den Krummstab in einer, ein
Buch in der andern Hand, und der heil. Egidius als Abt mit dem Rehe dar-
gestellt.
Die Umschrift lautet:
Jn . xpi . laude. supplex . erfordia . gaude.
Et. fer. osanna . piv. sibi. quädo . perfero . pulsü .
Sed . cv . ter . roboo . pie. christiferam . ter . aveto
IRAN
und bei Auflösung der Abbreviaturen:
In Chrisi laude supplex Erfordia gaude
Et fer Osanna piurn sibi quando perfero pulsum
Sed cum ter roboo pie christiferam ter aveto
1474.1
Die Inschrift ist sehr schön und zeigt eine correkte Linienführung. Die
Initialen (Majuskeln) J. E. und S. sind mit kleinen Verzierungen versehen. Die
Höhe der Minuskelschrift beträgt durchschnittlich 31 * * * 5/8" rhl. (Tettau, der Meister
der grossen Domglocke S. 15—17).
Die Martha, welche dem Gewichte nach unter den Glocken der Severikirche
die dritte Stelle einnimmt, wiegt 34 Ctnr. hat eine Plöhe von 3' 8", einen Umfang
von 12' 5“ 6"' und eine Stärke von 5" 7/w. Auf der Vorderseite steht der
Name „Martha.“ Die Umschrift, von welcher ein Facsimile dem Heft VI der Mitth.
d. Ver. für die Gesch. v. Erf. beigefügt ist, lautet:

1 Boxberger (Mitth. d. Ver. f. d. Gesell, v. Erf. VI, S. 223) übersetzt:
Freue dich in dem Lobe Christi betendes Erfurt
Und bringe ein frommes Hosianna, wenn ich ihm ertöne;
Aber wenn ich dreimal klinge, begrüsse dreimal
fromm die Christusmutter.
Er bemerkt hierbei, dass das „sibi“ einigermassen verdächtig erscheine, obgleich die Umschrift
wirklich so lese; es würde nur einen Sinn haben, wenn man es in der Bedeutung von „ei“
nehme; wahrscheinlich sei es aber durch ein Versehen des Giessers für bis gesetzt, worauf
das ter im dritten Verse gewissermassen hinweise. Hiergegen wendet C. Will (Correspondenz-
blatt f. 1875 Nr. 2) ein, dass, wie er durch viele Citate nachweist, der Gebrauch des „sibi“
für ,,ei“ der mittelaltrigen Latinität geläufig sei und gar nichts Befremdliches habe, und kein
sprachlicher Zwang vorliege, das an dieser Stelle für ,,ei“ stehende „sibi“ durch ein anderes
Wort zu ersetzen. Die Verwandlung desselben in „bis“ unter Hinweisung auf das im dritten
Verse zweimal vorkommende „ter“ dürfte sich aber bei richtigem Verständnisse des dritten
Verses als ungerechtfertigt heraussteilen. Denn der dritte Vers beziehe sich auf das Angelus
oder Ave Maria, welches dem üblichen Gebete entsprechend in drei Absätzen zu geschehen
pflege. — Dreimal erklingt die Glocke (ter roboo) und dreimal wird das Ave Maria (ter avete)
oder der englische Gruss gesprochen. Selbst in manchen protestantischen Gegenden habe
sich bis auf den heutigen Tag das Ave-Marialäuten erhalten, wenn auch die eigentliche Be-
deutung desselben meist in Vergessenheit gerathen sei. Es mag dahingestellt bleiben, wie
weit die Ansicht Wills über die Bedeutung des Wortes „ter“ im dritten Verse zutrifft, darin
wird man ihm aber jedenfalls beistimmen müssen, dass es im zweiten Verse der Umwandlung
des „sibi“ in „ei“ nicht bedürfe.
 
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