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Bergner, Heinrich [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0085
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Kreis Kaumburg.

dessen Sitzsockel. Die Mittellisene braucht er nur dreimal, an der Westseite des
Kordkreuzes und an den Osttürmen. Und die einzige Ausschweifung, die er
sich gestattet, liegt in den gelegentlichen kleinen Fenstern der Ostteile (Fig. 42).
Da sind Yierpässe, regelmäßige oder in die Länge oder in die Breite gezogen,
mit Kreisen besetzt, die auch gelegentlich in Bankenteller erweitert werden,
Bauten und Kreise mit Kugeln in den Ecken oder mit Bäumchen gefüllt, Kreuz-,
Pilz- und Lilienformen. Auf solche phantastische Bildungen würde sicher kein
Meister kommen, der sie nicht am Bhein, wo sie nach 1200 grassieren, selbst
gesehen hat. Und da sie durch das ganze Werk gehen, von der Vorkrypta bis
zu den Kreuzgiebeln, so wird auch hierdurch die Stileinheit des Ganzen be-
wiesen. — Daß mancher Bauteil, vielleicht die Yorhalle, die Kreuzgänge, das
letzte Turmgeschoß seinen Schülern und Nachfolgern zufallen mag, ist durch die
hier versuchte Charakteristik nicht ausgeschlossen. Eins ist sein unbestreitbarer
Buhm, die absolute Standfestigkeit seiner Konstruktionen und die peinliche
Sauberkeit seiner Technik. Die dekorative Feinarbeit seiner Kapitäle wird stets
ebenso bewundert werden wie das kleine Meisterstück, das er im Ostlettner so
nebenhin ablegte. Wenn man den Dom stets in naher Beziehung zum Bam-
berger nennt, so geschieht das wegen der gleichen Stilmengerei. In den Yer-
hältnissen, im Detail und System sind sie völlig unabhängig.

Der Chronist überliefert eine Domwmihe vom 29. Juni 1242. Sonach würde
der Keubau in die lange Begierung des Bischofs Engelhard (1207—42) fallen.
Freilich fehlt auch jeder, selbst indirekte urkundliche Beleg wie etwa Ablässe
oder Finanznöte. Nur die Energie, mit wmlcher die Verlegung des Hochstifts
1228 aufs neue befestigt und bezeugt wurde, wird ganz begreiflich, wenn man
sich als Hintergrund die glänzend erneuerte Kathedrale denkt. Für die Erkenntnis
des Baues wichtiger ist es, die Zeitfolge der einzelnen Teile festzustellen. Aus
bautechnischen und stilkritischen Merkmalen läßt sich folgende etwas ungewöhn-
liche Beihe aufstellen:

Mittlere Krypta vom Dom Udos I. um 1030;

Westtürme, Seitenschiffmauern und 1. Travee des (flachgedeckten) Lang-
hauses vom Bau Udos II. um 1070;

Yorkrypta, Nordkreuz, Vierung, Südkreuz mit der ersten Portal Vorlage, Ost-
türme mit Kapellen und Apsiden, Ostkrypta, Altarhaus (und Apsis) mit Wölbung,
Langhaus mit Wölbung, Gewölbe und Weiterbau der Westtürme, zweite Portal-
vorlage, nördlicher, südlicher Kreuzgang, Yorhalle unter Engelhard bis ca. 1242.

14. Der W e s t c h o r.

Wenn Lepsius den gegenwärtigen romanischen Dom als den ursprünglichen
Gründungsbau von 1028 mit scharfer Dialektik nachzuweisen suchte, so ist er
durch einen feinen Verstand des berühmten Briefes Bischof Dietrichs II. von
1249 entschuldigt. Dieser Mann übergeht mit dem eisigen Schweigen, das gerade
Geistliche für die Arbeit ihrer Vorgänger so gern übrig haben, das Werk Engel-
hards. „Die Vollendung des ganzen Werkes“ heißt für ihn „die guten Anfänge
guter Menschen mit einem besseren Ende zu bedenken,“ und er nennt als die
ersten Gründer und Vorbilder jene Grafen, Herren und Frauen, meist seines
 
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