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Bergner, Heinrich [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0143
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Kreis Naumburg.

der über einem runden Knauf in eine schlichte mit drei Weinblättern besetzte
Kurvatur übergeht, unten mit der Eisenspitze auf das Trittbrett stößt. Beide
Hände sind mit Handschuhen bekleidet, die Finger demnach dick und unbeholfen
und nur die steifen Falten des Leders bezeichnet. Die Kasel deckt straff die
breite, starke Brust, nach unten ist sie viermal gewellt und nach den Hüften zu
gefaltet. Tunika und Alba sind steif und glatt.' Das Manipel liegt geschwungen,
mit Fransen besetzt, der Platte auf. Das Gesicht hat sehr gelitten. Die Augen-
partie ist mutwillig beschädigt, der Nasenrücken in Gips erneuert, die Unterlippe
verstoßen. Nur das trapezförmige Kinn kündigt mit Sicherheit den Meister der
Stifter an, freilich auch Züge, die an ihm neu sind, so die ausgebohrten Augen-
sterne, die Ausbuchtung um die Nasenflügel und mandelförmige Augen. Stirn,
Schläfe und Wangen und naturwahre, tief eingebohrte Ohren sprechen aber
wieder für ihn, und die Art, wie die Falten hart, fast in einem Grat auslaufen,
eignet allen seinen Figuren. Die Oberfläche ist durch das ewige Betasten wie
geschliffen. Groitzsch sah noch einen Holzkasten, der das Monument bedeckte.
Auf dem einen Flügel war ein Kaiser gemalt mit der Inschrift CONRADVS
IMPERATOR FVNDATOR SEDIS NVEMBVRGENSIS, auf dem anderen ein Papst
mit einer verwischten Schrift, die IOHANNES XIX (1024—33) und nach Schamel
noch TRANSLATOR erkennen ließ. So kann man nur an Hildeward denken,
unter dem das Bistum verlegt wurde, und Lüttich hat das durch historische
Erwägungen sichergestellt, da zu Dietrichs II. Zeit das Interesse an diesem
Vorgang ganz lebhaft war. Auch forderte die Gerechtigkeit, neben den Stiftern
dem ersten Bischof von Naumburg ein Denkmal zu setzen. Daß es in der
Form der Grabtumba geschah, ist nicht weiter zu ergründen. Denn die Bestattung
Hildewards an dieser Stelle, über den Gewölben der Krypta, ist so gut wie
ausgeschlossen. Leicht möglich, daß der Künstler dem Verstorbenenen die Züge
des Lebenden, seines Gönners Dietrich verlieh, wofür die Ähnlichkeit eines Siegel-
bildes spricht. (Fig. 62.)

D. Die Kreuzigung. (Taf. 5.)

Die Kreuzigungsgruppe im Lettnerportal gehört der Idee nach an den
Schluß der Keliefs, der Technik nach noch in die Reihe-der lebensgroßen Frei-
figuren, auch an den Schluß. Denn hier handelte es sich darum, ein göttliches
Geheimnis in Fleisch und Blut zu kleiden und alle Studien, die der Künstler
bisher am Menschen gemacht hatte, zum letzten großen Wurf zusammenzufassen.
Obwohl in einer anderen Sphäre hat der Künstler den Nährboden seiner Kunst,
den kraft- und lebensvollen Realismus, nicht verlassen, sondern Gebilde von
gewaltiger Leidenschaft hingestellt, wohl das Höchste und Äußerste, was auf dieser
Bahn zu erreichen ist.

Die äußere Anordnung haben wir schon oben kurz besprochen. Am
Mittelpfosten des Portals hängt der Erlöser, die Arme fast senkrecht über die
Pforten gebreitet, als wollte er sagen: Ich bin die Tür. Zwei Engel in den
Bogenfeldern schwingen Rauchfässer gegen das Haupt voll Blut und Wunden.
Maria und Johannes stehen am Gewände, außen auf den Konsolen waren wohl
die beiden Titelheiligen Petrus und Paulus geplant.

In Christus wirkt noch der alte romanische Sauerteig nach. Das ist der
kraftvolle Heerkönig, der hier am Kreuz hängt — oder eigentlich steht, denn
 
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