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Bergner, Heinrich [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0142
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Naumburg. Dom. Bildwerke (Diakon und Bischof).

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der Ansatz der Nase, die Augen mit den Tränensäckchen, die flachen Wangen,
das trapezförmige Kinn, das sind doch Eigenheiten, die so nicht ein zweites Mal
denkbar sind, die auch der geschicksteste Nachahmer nicht so getroffen hätte,
von der Feinheit der Hände, der gleichen, einfach ruhigen Faltengebung-, der
Normalhöhe von 1,73 m zu geschweigen. Und daß die Ärmeltunika genau in
dieser Form 1250 vorkommt, kann man ohne weitere liturgische Kenntnisse an
den Diakonnen der Westchorfenster ersehen.

Der Diakon hat ein glattes Brett mit Bandleiste auf die dickbelaubteu Äste
eines jungen, gegabelten Eichenbaumes gestemmt, auf dessen Rinde sich ein
Epheustengel hinaufrankt. Der Jüngling steht so dahinter, daß sich das Brett
an seine Brust lehnt und dabei eine Querfalte aufschiebt, während beide Hände
das Pult halten, und zwar die linke leicht, balanzierend angelegt, die rechte
fest an die Leiste gepreßt. An beiden sind die Muskeln zwischen Daumen
und Zeigefinger stark zusammengezogen und die Finger mit bekannter Meister-
schaft gebildet. Der rechte Fuß ist als Spielbein im Knie gekrümmt und seitlich
etwas weit herausgesetzt. Die Tunika, am Hals, Ärmel und Saum mit breiten,
roten, gold- und violettbordierten Rändern ist über der Brust straff gezogen und
an beiden Seiten aufgeschnitten. Die Alba, an den Handgelenken nur als
schmaler Streif sichtbar, fällt wie die Frauengewänder über die Füße in Stoß-
falten. Das Humerale ist frei und zierlich um den Hals gelegt. Von dem
linken Unterarm fällt das Manipel mit Fransen. Das dicke Haupthaar ist auf
der Stirn etwas wirr, seitlich aber rund gelockt und am Hinterhaupt in einer
kleinen runden Tonsur gelichtet. Im Gesicht finden sich wie bemerkt die
typischen Züge des Meisters, so auch die schöne Wölbung zwischen Schläfen
und Oberlid. Nase und Lippen wirken starr, kein Wunder: sie sind in Gips
angesetzt. Der Ausdruck ist auf Andacht und Ehrfurcht gestimmt, darum auch
das Haupt leicht nach vorn und zugleich nach links geneigt und die Augen
etwas nach oben gerichtet. Man muß denken, daß der Jüngling zu seinem
lesenden Priester emporschaut.

Für welchen Platz dieses geistvolle Werk bestimmt war, ist nicht über-
liefert. Puttrich sah es in der Krypta. Aber natürlich gehörte es zu einem
Altar und man denkt zuerst an den Altar des Westchores. Dieser hatte nun bis
1875 vor sich keine Stufen, sondern ein Podium, eine Stufe tiefer als das Chor-
haupt. Darauf stand als Lesepult die Holzkanzel von 1517. Vorher könnte sehr
wohl und zwar an der einen Ecke der Pultträger gestanden haben, denn er
hat an der rechten Hüfte einen Eisenhaken zur Anhängung einer Schnur oder
eines Teppichs, und der rechte überstehende Fuß deutet an, daß die Sockelplatte
in einer gleich hohen Umgebung eingelassen war. Die jetzige Aufstellung am
Eingang zur Johanniskapelle löst das Werk zu sehr von seiner Verwandtschaft.

b) Der Bischof ist ein Grabdenkmal, mitten in die Stufen des Ostchores ein-
gelassen, auf schlichtem Sockel ein Ruhebett mit oberen abgeschrägten Ecken,
mit Stab und Kehle umzogen, mit Kissen und Fußbrett belegt. Der Bischof in
vollem Ornat, gerade nach vorn gerichtet, macht, obwohl vom Scheitel bis zu
den Fersen nur 165 cm, in seiner Fülle und Breite doch eine imposante Figur.
Mit der Rechten hält er vor der Brust ein Buch, durch die von unten hinein-
greifenden Finger ein wenig geöffnet, in der Linken mit zwei Fingern den Stab,
 
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