Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bergner, Heinrich [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0329
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
274

Kreis Naumburg.

einer der flüchtigsten und geistlosesten Symboliker ganz schrankenlos gehen
lassen und nicht nur im Vorwurf, sondern auch in der Malweise ziemlich das
Äußerste geleistet, was auf religiösem Kunstgebiet jemals vorgekommen ist. Die
Zeichnung ist grauenhaft leichtsinnig, die Auffassung grob und brutal, voll von
abstoßenden Nacktheiten, die Färbung auf die niedrigsten Theatereffekte berechnet,
die strotzenden Weiber z. B. im Fleisch weiß mit grünen Schatten, die Männer
braun und rot, sodaß man zwei verschiedene Volksstämme untereinander gemischt
glaubt, natürlich alles in Wolkenballen gehüllt. Da die üblichen Beischriften
fehlen, wird man Sinn und Bedeutung der einzelnen Scenen schwerlich ganz
ergründen. Die Gegenstände sind folgende. In der Mitte das jüngste Gericht,
frei nach Michel Angelo mit widerwärtiger Flüchtigkeit hingepinselt. Dann in
den Seitenfeldern:

1. Christus in der Glorie, darunter ein Engel mit Tuch. — 2. Die Armut,
ein rotbraunes Weib in zerlumptem Hemd fleht mit ausgebreiteten Armen nach
oben. Krone und Scepter liegen zur Seite. — 3. Der Tod im Halseisen, ein
Gerippe in Wolken sitzend, macht Anstrengung, sich zu befreien. Darunter ein
Putto mit Kreuz. — 4. Der Glaube, ein Weib mit Kreuz, in weißem Gewand
und gelbem Mantel, aus Wolken hervorsteigend, zeigt auf drei von Pfeil und
Schwert gemordete und im Blut liegende Kinder. — 5. Zwei Weiber mit Lorbeer
und Zackenkronen auf dem Kopfe kosen miteinander, unter ihnen kriegerische
Embleme. — 6. Ein fast nacktes Weib kost mit einem Putto. — 7. Stuckengel
mit Spiegel. Ein roter Mann, vom Bücken gesehen, ringt wie Laokoon mit
Schlangen. — 8. Ein Weib, verschleiert und die Augen verdreht, trägt ein
brennendes Herz und Lilienstab. — 9. Stuckengel mit Anker. Darüber betet
ein Mann, vom Bücken gesehen, ein Lamm an. — 10. Eine Jungfrau, behelmt
und mit Schild und Schwert bewaffnet, wird von unten vom Teufel gefaßt,
während ihr eine Hand aus Wolken einen strahlenden Kelch darreicht. —
11. Mädchen, in Angst und Furcht, wird vom Sturm erfaßt, der ihr Gewand wie
ein Segel bläht. — 12. Jungfrau mit Lamm.

Die Orgel zeigt einen Säulenprospekt klassizistischer Form (1820?), das
mittlere Bund auf einer trefflichen, laubgeschmückten Kelchkonsole vorgekragt.

Die Ausstattungsstücke sind geringwertig. Eine Kreuzigungsgruppe
auf dem Altar aus Holz, lebhaft bewegt, flach im Ausdruck, schlecht in den
Gewandungen, zwei Leuchter in dickem Messingguß auf Dreifüßen, zwei ab-
ständige Zinnleuchter mit CFG 1755, zwei Vasen von 1757, abständig ein
Zinnkruzifix und ein versilbertes Kruzifix nebst zwei schlanken klassizistischen
Leuchtern um 1800.

Die Friedhöfe.

1. Der D o m f r i e d h o f.

Ob die freiheitliche Gemeinde den jetzigen Friedhof schon im Mittelalter
benutzt hat, läßt sich weder aus den Quellen noch aus den Denkmälern fest-
stellen. Er war von allen Seiten von Mauern umgeben, auch nach dem Wenzels-
kirchliof hin, umschloß das noch 1879 erwähnte Hospital und barg eine Beihe
interessanter Grabsteine und Epitaphien, welche zum größten Teil an der Nord-
 
Annotationen