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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 7/8
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Ewerbeck, Franz: Flämische und niederländische Holzarbeiten der Renaissance-Periode, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0066
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u. a. m., während dagegen die spätere Renaissance vom
letzten Drittel des (6. Jahrhunderts an in diesen Bekrön-
ungen mehr den Brettcharakter zeigt unter Anlehnung an
die früher erwähnten rein geometrischen Füllungsmotive
oder an die ebenfalls schon besprochenen Aartuschenformen. —
Die Ausbildung dieser Stücke hängt allerdings auch
sehr wesentlich von der Grundform
des Gegenstandes ab; die Aanzeln
z. B. zeigen gewöhnlich über dem
stark ausladenden Schalldeckel eine
polygonale Pelmentwicklung in
mehreren Geschossen. Das schönste
Beispiel dieser Art bietet die große
Aanzel in der 5t. Iohanniskirche
zu perzogenbufch (nach (566 ent-
standen). Die Gesimse des sechs-
eckigen Baldachins tragen hier ab-
wechselnde convex und concav ge-
formte Giebel, darauf bauen sich,
etwas zurücktretend drei polygonale
Turmgeschosse mit 5äulen, Nischen,

Figuren und Giebeln zu einer
bedeutenden pöhe auf, durchaus
im 5teincharakter ausgeführt und
etwa den gleichzeitigen Sakraments-
behältern (Aeuu und Lurbempte)
entsprechend. — Zu den reichsten
Werken dieser Aategorie, freilich
gespickt mit phantastischen Gebilden
der wunderlichsten Art, gehören die
Aanzel in der Michaelskirche zu
Zwolle von (620 und diejenige der
„Neuen Airche" zu Amsterdam
von (6^si.

5ind dagegen die Gbjekte mehr
flach gebildet wie die Lhorschranken,
oder haben sie die Wand zum Hinter-
gründe wie die Thorstühle, Schöffen-
sitze ic., oder liegen sie in der Wand,
wie die Thüren, so zeigen die Be-
krönungen auch naturgemäß den
Flächencharakter. 5ehr interessante
Bekrönungen dieser Art bieten die
Thorschranken der Michaelskirche
zu Zwolle vom Jahre (597. Die-
selben bestehen aus sieben theilweise
mit Messingdokken ausgefüllten
Geffnungen, deren durchlaufendes
Pauptgesims drei verschiedenartige
äußerst flott und originell behandelte ck'S- 2«.

Aufsätze zeigen. In diesen Mo- vom Lhorgestühl zu Dortrecht.

tiven hat sich die niederländische Renaissance, gleich der
deutschen Aunst derselben Periode von den antiken Tra-
ditionen völlig frei gemacht und wandelt ihre eigenen
Bahnen. Interessante Beispiele von Bekrönungen derselben
Art liefern die Thorstühle von tzpern (f. Fig. 29): Be-
krönendes Zwischenstück der 5eitenwangen des Lhorgestühls;
die jonischen Zwergsäulen treten hier als Träger von zwei
darauf fußenden korinthischen 5äulen auf, welche das Paupt-
gesims der 5eitenwangen aufnehmen. Im Gegensätze hierzu

und Endigungen der Gegenstände nach oben hin, die am
freiesten entwickelten Formen und bieten aus diesem Grunde
und weil sich in ihnen das Talent und die Phantasie des
Meisters am entschiedensten zeigt, ein hochinteressantes Studien-
material. Die bemerkenswerthesten Aompositionen dieser Art
treten uns an den großen Ausstattungswerken der kirchlichen
Architektur entgegen, wie den Grgelprospekten, Abschluß-
gittern, Aanzel und Thorstühlen; aber auch kleinere Gegen-

stände, wie 5chöffensitze, Thüren, Bilderrahmen und ähnliche
Gbjekte sind nicht selten mit interessanten Bekrönungen ver-
sehen. — Im Allgemeinen kann man die Bemerkung
machen, daß auch bei diesen Theilen der polzarbeiten die
5chöpfungen der Früh-Renaissance, vor den mehr hand-
werksmäßigen Aompositionen der späteren Zeit den Vor-
zug verdienen; indessen ist dabei zu berücksichtigen, daß die
Arbeiten der Frühzeit nicht immer eine Behandlung zeigen,
welche der Struktur und der Faserung des Holzes entspricht,
sondern Formen, welche ganz ersichtlich der Stein-Architektur
entnommen sind, wie z. B. Nischen, Giebel-Ausbildungen

Fig. 22. vom Lhorgestühl zu Dortrecht.
 
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