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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 5
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Frimmel, Theodor von: Waldmüllerstudien
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0103
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ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.

VON

Dr. THEODOR v. FRIMMEL.

ZUSCHRIFTEN AN DEN
HERAUSGEBER WER-
DEN GERICHTET NACH
WIEN, IV. PANIGLG. X.

1904.

AUGUST—SEPTEMBER. Heft 5.

WALDMÜLLERSTUDIEN.

I. Waldmüller, ein Verteidiger der
künstlerischen Eigenart.

Vor etwa einem Vierteljahrhundert war
es noch ein wagemutig Unternehmen, mit Be-
geisterung für einen Waldmüller einzutreten.
Noch wirkte persönliche Gegnerschaft und
Parteihaß im Publikum nach. Überdies war
damals nahezu allerwärts ein fieberhaftes
Hindrängen zur Breitmalerei bemerkbar, und
die großflächige Historie gab vorlaut den Ton
an. Wie immer wurde die Kunst von gestern
und vorgestern verächtlich behandelt oder tot-
geschwiegen. Man steht ja so gerne auf eigenen
Füßen, ohne sich dessen zu besinnen, daß
alles und alles sein Vorher hat.

Heute ist Waldmüller nahezu ein
alter Meister geworden. Man hat nun die
Gnade, ihn allgemein gelten zu lassen, zu ver- ■
ehren, zu schätzen. Die Züge werden heraus-
gefunden, die ihn als Geistesverwandten der
Neuesten erkennen lassen.

Aber auch Waldmüller hatte wie jeder
andere seinen Zusammenhang mit der Kunst
der Vergangenheit. In seiner Jugend viel mit
dem Studium älterer Meister beschäftigt, hat
er den künstlerischen Vorfahren vieles zu
danken. Dabei ist er übrigens kein Spätling,
kein Epigone, kein gedankenloser Nachtreter.
Vielmehr ist er im Anschauen und Wie-
dergebenderNatur ein Neuerer geworden.
Er war einer der ersten, die Freilicht-
malerei in bewußter Weise pflegten, der seine
Landschaften im Freien begann und vor der
Natur vollendete. Er schritt voran im Kampfe
gegen Schablone und Unnatur. 1847 und 1857
schrieb er gegen den damals gebräuchlichen
akademischen Unterricht, der den Schülern
die Manier des Lehrers aufdrängte, indem der
Professor die Arbeit der Schüler eigenhändig
korrigierte. Er dringt auf Wahrhaftigkeit und

Individualität in der Kunst. *) 1856 war Wald-
müller wieder in Paris gewesen. (Er war einer
der wenigen vormärzlichen Wiener Maler, die
es wagten, über den Kreis Unter-Wienerwald
hinauszugucken. 1830 hat er Paris besucht.
Oft und wiederholt studierte er in Italien.)
In der französischen Hauptstadt hatte er be-
wundernd die Überzeugung gewonnen, daß
man in Frankreich den Leistungen der Wiener
akademischen Gruppe gar sehr überlegen war.
Er will Abhilfe schaffen und macht Vorschläge
dazu. Durch einige Sätze, die Waldmüller da-
mals aussprach, wird er geradezu eine Art
Vorläufer und Verkündiger der mo-
dernen Bewegung. „Unfehlbar wird die
Zeit kommen,“ so schreibt er, „wo das Recht
der Wahrheit anerkannt wird, und der Künst-
ler, der ihr huldigt, wird auch schon jetzt bei
dem. Gefühle, in seinen Leistungen ehrlich zu
Werke gegangen zu sein, in dem Bewußtsein,
daß, was er bietet, seinem eigenen Geiste**)
entstammt, daß es von seiner Gesinnung,
von seinen Gefühlen belebt ist und Zeugnis
gibt, einen schönen Lohn zu finden und mit
gerechtem Stolze sich um so mehr dessen
rühmen dürfen, als die Erkenntnis der Pflichten
des Künstlers so selten geworden ist.“ 1847
hatte er betont: „Bei meiner Lehrart ist die
ganze Tendenz darauf gerichtet, der Indivi-
dualität des Schülers die vollständigste Un-
abhängigkeit in der Geistesentwicklung zu
belassen.“ Das klingt doch ganz modern und

*) In dieser Beziehung sind zwei Schriften Wald-
müllers von Bedeutung, eine große: „Andeutungen zur
Belebung der vaterländischen bildenden Kunst“ (1847)
und eine kleine : ,.Imitation, Reminiscenz, Plagiat, Be-
merkungen über krankhafte Zustände der bildenden
Kunst“. (Sonderabdruck. Die Arbeit war zum ersten
Male zu lesen im „Frankfurter Museum“, Nr. 17 vom
25. April 18570

**) Die Stelle und die folgenden: seiner und
seinen werden hier besonders hervorgehoben.
 
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