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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 5
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Frimmel, Theodor von: Waldmüllerstudien
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0104

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74

Nr. 5.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE

gewiß gehen die Meisten auch heute gerne so-
weit mit dem Künstler. Vielleicht aber unter-
schätzte Waldmüller, wiewohl selbst ein
höchst gewandter Techniker, damals das
Technische an der Malerei. Denn er meint,
man brauche zum Erlernen des Technischen
nur ein Jahr. Für ein großes Talent, das
sofort auf eine einzige Technik losstürzt, mag
das einzige Jahr ungefähr zutreffen. Bei anderer
Beleuchtung der Angelegenheit, besonders nach
der Richtung unserer ungezählten wiederbe-
lebten und neu entstandenen Techniken und
bei einem Blick auf die Zerfahrenheit in allem,
was mit Farbenbereitung zusammenhängt,
könnte man aber auch behaupten, daß ein
Maler der Jetztzeit mit dem Technischen
vielleicht sein Leben lang nicht zu Ende kommt.
Böcklin war bis in seine letzte Zeit über die
Versuche nicht recht hinaus und ganze Reihen
moderner Künstler wären zu nennen, die
immer bemüht sind, für die Wirkungen, die
ihnen vorschweben, neue Ausdrucksweisen in
technischer Beziehung zu suchen. Was Wald-
müller aber eigentlich meint, ist eine War-
nung vor dem Überwuchern des Tech-
nischen, vor dem leeren Virtuosentum
in der Malerei. Er will das Kunstwerk mehr
von innen heraus entstehen lassen als durch
äußerliche Geschicklichkeit. Deshalb war er
ein Gegner der damaligen Wiener Akademie
und deshalb trat er für die „freien Meister-
schulen“ ein. Die Akademie sei „seit ihrem
Entstehen nie förderlich, sondern stets nach-
teilig gewesen“.

Seit Waldmüllers Tagen hat sich vieles
an den Akademien geändert. Sie sind besser
geworden. Möglicherweise hat sogu.r sein
kühnes Aussprechen unangenehmer Wahr-
heiten das Seine dazu getan, um freieren, ge-
sünderen Ansichten Bahn zu schaffen. Aller-
dings, wer sollte es wagen, die „Kausalität“
großer Bewegungen klar durchschauen zu
wollen. Es mag uns genügen, darum zu wissen,
daß Waldmüllerschon im Vormärz mit klaren
Worten für die Eigenart in der Kunst ein-
getreten ist.

II. Des Künstlers Lebensgang.'1')

Ferdinand Georg Waldmüller ist am
15. Jänner 1793 zu Wien als Sohn wenig be-
mittelter Wirtsleute geboren. Seine Eltern
übten ihr Gewerbe in einem Hause am Tiefen
Graben aus.'1"1') Die Mutter wollte ihren Sohn

*) Erweiterter Wiederabdruck meines Artikels
in der „Allgemeinen deutschen Biographie“. Dabei
doch noch immer nur eine Art Versuch. Es liegt mir
viel Material vor, von dem nur ein Teil benützt werden
kann, soll nicht sogleich ein ganzes Buch entstehen.

**) Nach den „Wiener Auskunftsbüchern“ aus
jener Zeit scheint es das Haus „Zur Weintraube“ ge-

dem geistlichen Stande zuführen, was jedoch
seinen künstlerischen Neigungen nicht ent-
sprach. Waldmüller erzählt selbst: „Als ich
noch Knabe war, äußerte sich in mir schon
die Liebe zur Kunst, und obschon verworren
und unklar, wie die Begriffe sich in so zartem
Alter gestalten, schwebte mir als Ideal meiner
Bestimmung eine Wirksamkeit in diesen Krei-
sen in den glänzendsten Farbenspielen einer
jugendlichen Einbildungskraft vor.“* **)) Jede
freie Stunde während der drei Jahre, die er
in den „Grammatikalklassen“ (bei den Pia-
risten in Wien) zubrachte, benützte er zum
Zeichnen. An den Ferialtagen wurde die private
Zeichenschule beim Blumenmaler Zintler be-
sucht, und das mit bestem Erfolg. Nun wollte
er an die Akademie. Aber der Widerstand der
Mutter ging so weit, daß dem Knaben der
Lebensunterhalt entzogen wurde, um ihn zu
nötigen, den betretenen Künstlerweg zu ver-
lassen. „Entschlossen, mit jeder Entbehrung,
mit jedem Opfer auf dem Pfade der Kunst
vorwärts zu schreiten, vertauschte ich das
Gymnasium mit der Akademie.“ Anfangs war
freilich der Erwerb, der fürs Kolorieren von
Zuckerwerk verdient wurde, für den jungen
Akademiker ein sehr geringer. Die raschen
Fortschritte an der Kunstschule und der Erlös
von Miniaturbildnissen halfen indes bald
weiter. Freunde rieten an, zum Landtage nach
Preßburg zu gehen, wo es an Aufträgen nicht
fehlen würde. Waldmüller befolgte den Rat.
Er malte in Preßburg mehrere Miniaturpor-
träte, die Beifall fanden, ward mit dem Ban
von Kroatien, Grafen Gyulai bekannt und er-
hielt von diesem den Antrag, als Zeichen-
meister seiner Kinder bei ihm einzutreten.
Waldmüller, dessen eigene Erzählung hier be-
nützt wird, kam auf diese Weise als Zeichen-
lehrer nach Agram, das für ihn trotz des
gänzlichen Mangels an künstlerischer Anregung
bedeutungsvoll wurde, viel weniger für seine
Kunst als für seinen äußeren Lebensweg. Denn
die Dekorationsmalerei, zu der Waldmüller
in Agram herangezogen wurde, widersprach
eher der Richtung des Künstlers, die von vorn-
herein eine saubere Durchbildung bis ins
kleinste anstrebte, ganz entschieden und hat
ihn wohl kaum wesentlich gefördert. Seine
Verheiratung aber in Agram mit der Sängerin
Katharina Weidner (geb. 1794, -j- 1850) war
ein sehr folgenschwerer Schritt. Der Beruf
seiner Frau zwang Waldmüller zu oftmaligem
Ortswechsel, und da es zunächst nicht gelang,

wesen zu sein, das auch eine Seite nach dem „Hof“
besaß,

*) Diese und die nächstfolgenden Anführungen
nach F, G. Waldmüllers Schrift „Das Bedürfnis eines
zweckmäßigen Unterrichtes in der Malerei und plasti-
schen Kunst“, 2. Aufl. (1847), S. VIII ff.
 
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