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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

DOI issue:
Heft 7
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Frimmel, Theodor von: Gedanken über Kunst-Philosophie
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0147

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Blätter für Gemäldekunde

ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.

VON

Dr. THEODOR v. FRIMMEL.

ZUSCHRIFTEN AN DEN
HERAUSGEBER WER-
DEN GERICHTET NACH
WIEN, IV. PANIGLG. 1.

1904. NOVEMBER—DEZEMBER. Heft 7.

GEDANKEN ÜBER KUNST-PHILOSOPHIE.

I. DIE GRUNDLAGEN.

Kritisches Beobachten, Vergleichen und Ordnen von Eindrücken, von Sinnes-
Wahrnehmungen und das Festhalten der Ergebnisse im geschriebenen Wort ge-
hören zu den Haupttätigkeiten aller Wissenschaften. In der letzten Wurzel gehen
alle Wissenschaften auf Eindrücke zurück, nicht nur die Naturwissenschaften,
sondern sogar Mathematik und Philosophie. Ja sogar die Philosophie*), die
uns diesmal die Kunst näher bringen soll, lebt geradewegs von Eindrücken,
wie sehr auch manche ihrer Vertreter vom Glauben an ein substratloses Denken
bezaubert sind. Niemals ist einer Philosoph geworden, der nicht Eindrücke ge-
sammelt, verglichen, geordnet hätte, wahre Eindrücke, vermittelt durch die Sinnes-
organe. Und zwar sind es ursprünglich nur Eindrücke, die ihm seine Philo-
sophie beigebracht haben. Daß er dabei „geistig“ tätig war, ist ihm auch durch
Eindrücke gelehrt worden, er hat es gehört oder gelesen. Und damit sind wir ja
wieder bei den Eindrücken angelangt, bei denen aber jeder Denkende noch etwas
sucht, das zeitlich genommen vor den Eindrücken da war und das sie veranlaßt
hat. In volkstümlicher Weise aufgefaßt, sieht, hört, tastet, riecht und schmeckt
man etwas. Man sieht einen Menschen vor sich, hört ihn reden. Er reicht uns
eine Frucht, die bestimmten Geruch und Geschmack hat. Die philosophische
Wissenschaft betont es, daß wir nicht den Menschen sehen, sondern daß es
nur Eindrücke sind, aus denen wir schließen, es stehe etwas vor uns, das
wir nach den Übereinstimmungen mit uns selbst für einen Menschen halten.
Einige Richtungen der Philosophie gehen so weit, dem, was etwa hinter den
Sinneseindrücken versteckt sein könnte, gar keine reale Wirklichkeit zuzli-
gestehen. Der gesehene Mensch sei für uns nur ein Komplex von Eindrücken
und als solcher gar nicht wirklich vorhanden. Triebe man die Sache noch weiter,
so müßte man auch das eigene Ich für einen Komplex von Eindrücken nehmen,
denen keine reale Wirklichkeit zukommt. Zum großen Verdruß dieser hyper-

*) Das Wort ist bald niedergeschrieben. Die Gedankenreihen, die es beim belesenen
Denker auslöst, sind kaum abzusehen. Ich ziele darauf hin, die Philosophie als eine Me-
thodik des Denkens und Forschens zu nehmen, die aus den brauchbaren Ergebnissen aller
Wissenschaften abgeleitet ist, nicht aber als eine Wissenschaft, die etwa schon da sein
müßte, um anderen Wissenschaften eine Grundlage abzugeben. Dabei gestehe ich gerne zu,
daß die Philosophie als reines Destillat aus allen Wissenschaften wieder auf jede Einzelwesen-
schaft zurückwirken könne. Sie bietet so auf mittelbarem Wege eine Verfeinerung einer
einzelnen Wissenschaft durch alle übrigen.
 
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