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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 5.1909/​1910

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Heft 4 und 5
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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr, 4 und 5

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nämlich desjenigen, der von anatomi-
schem Verständnis und realistischer
Wiedergabe ganz abgekehrt ist. Den
Regionen des Gegenpols gehören gute
photographische Aufnahmen an, wie
solche jetzt oft in den illustrierten Zeh
tungen und Sportblättern geboten wer-
den und wie deren genug in Schoern
becks Buch zu finden sind. Eine der
Abbildungen aus diesem Werk wird
anbei wieder benützt. (Siehe S. 93.)
Der Gegensatz zwischen den Buch-
malereien und der modernen Aufnahme

beweist es uns wohl, daß das Interesse
an den alten Darstellungen hauptsäch-
lich ein kunstgeschichtliches ist und daß
ihre Taxierung, vom heutigen Niveau
des Kunstkönnens aus betrachtet, keine
sehr günstige sein kann. Freilich liegt
im Anlegen des modernen Maßstabes
ein Anachronismus. Gerechterweise
möge zur Beurteilung alter Kunst nur
das herangezogen werden, was früher
entstanden war. Das Ausschalten alles
Späteren darf billigerweise verlangt
werden. Aber auch so wird gar vielen
Pferdedarstellungen aus vergangenen
Zeiten kein allzu lautes Lob gesungen
werden. Sind nicht den mittelalter-
lichen Darstellungen die bei allen Feh-

lern immerhin ziemlich vollkommenen
Darstellungen der Griechen und Römer
vorausgegangen? Aber die guten Vor-
gänger sind im Laufe der Jahrhunderte
vergessen worden. Die gute Überliefe-
rung verkam, und die Klosterphantasie
ersetzte nach und nach das Naturstu-
dium. Dann hob sich mit dem Heran-
wachsen der Gotik der Sinn für realis-
tische Wiedergabe, Zeichner, Maler und
Plastiker machten wieder die Augen
auf, um zu sehen, bis sich der Realis-
mus zu jenen Stufen erhob, die im
Laufe des XVII. Jahrhunderts
erklommen werden. Der
Mensch und dessen Um-
gebung wurden mit größter
Virtuosität wiedergegeben.
Nicht ganz so genau nahm
es die Malerei mit dem
Pferde. Schoenbeck weiß
dazu manche Beispiele zu
geben. Sogar bei Velazquez,
dessen Reiterbildnisse so
gerühmt werden, findet er,
ohne zu nörgeln, die Pferde
nicht immer ebenso voll-
kommen wiedergegeben, wie
die Menschen. Begreiflicher-
weise läßt er das Reiterbild-
nis Philipps IV. in Profil-
stellung gelten (Text S. 170, Taf. I).
Aber der reitende Herzog von Olivarez
der Madrider Galerie fordert in der
Verkürzung des Pferdes die Kritik her-
aus (Text S. 169, Abb. S. 172), wenig-
stens im Hinblick auf die Überschwäng-
lichkeit, mit der das Pferd des Olivarez
von Charnace behandelt worden ist.
„Gewiß zeigt dieses Pferd, das in der
Pesade dargestellt ist, eine feine Beob-
achtung in Form und Bewegung. Wenn
aber der Marquis de Charnace von diesem
wundervollen Pferde sagt, daß es eine
nervöse Beweglichkeit und eine stolze
Intelligenz zeige, so kann ich mich da-
mit nicht einverstanden erklären . . .“
„ ... Das Pferd macht den Eindruck eines


Aus der Apokalypse in der Stadtbibliothek zu Hamburg,
Der vierte Reiter aus dem VI. Kapitel. XIV. Jahrhundert.
 
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