Seife 22 ••<=>••(=^••0=^ Blätter für Gemäldekunde.
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Bd. VI.
Lionardo nieder zu ichreien, nieder zu kommandieren.
Die Beglaubigung als Werk des Lucas war die beite,
die man iich denken kann. Der Sohn des Bildhauers
hafte iich gemeldet, der nicht nur die Florabüite bei
ieinem Vater im Jahre 1846 hafte enfitehen iehen,
iondern der auch ielbif ITlifarbeifer an dieiem Werke
war. Als anregendes Vorbild hat nicht, wie behauptet
worden Hf, wieder eine Wachsbüite gedient, iondern
ein Gemälde, das irgendwie mit dem Kreiie Leo«
nardo’s zuiammenhängt. Eine zweite Büite der Flora
war nicht vorhanden, wie der jüngere Lucas mit Be-
itimmtheit angeben konnte.
[Der Streit begann im Oktober 1909, wozu man
die engliichen Cagesblätter, bald darauf die Berliner
und andere deutiche Zeitungen durchleben möge. Be-
ionders zu beachten die „Eimes“ vom 25. Oktober
1909, „Daily Rlail" vom 5., 9. und 30. Rovember,
„Che illuitrated London Lews" vom 30. Oktober,
„Che Eimes" vom 12., 18. und 25. Rovember. —
Unter den vielen Abbildungen feien hervorgehoben
die eriten im Burlington Rlagazine (ITlai 1909),
die in „Che illuitrated London Rews" (a. a. 0.)
und die vorzüglichen im Jahrbuch der königl.«preus«
siichen Kunitiammlungen. Im Dezember 1909 ichrieb
G. Pauli über die Bülte in den „Bremer nachrichten",
bald darauf in Seemann’s „Kunitchronik", wo auch
andere zur Sache das Wort ergriffen haben. Der „amt«
liehe Bericht" hat in dieiem Fall geringen Wert, da
er itatt über den Parteien zu itehen, von demielben
Kaiier Friedrich=üluieum ausgegeben worden iit, für
das man die Büite gekauft hat. — In den Süddeut«
iehen Illonatsheiten itand vor nicht langer Zeit ein
Artikel von Karl Voll (S. 231 ff.) Hiezu die Entgeg«
nung im Feuilleton der Frankfurter Zeitung vom 11.
Febr. 1910. Auf die Verteidigung im Beiblatt zum
Jahrbuch der kgl. preufjiiehen Kunitiammlungen vom
Dezember 1909 antwortete eine zutreffende Kritik
im Berliner Cagblatt vom 5. Dezember (Frif? Stahl),
ßiezu dasielbe Cageblatt vom 27. Dezember 1909.
neuerlich „Les Arts" vom Februar 1910.]
Hoch andere Zeugen iagten dahin aus, dafj die
Büite von R. E. Lucas dem engliichen Bild-
hauer herifamme, deiien Haupttätigkeit in die Zeit
um 1850 fiel und der ein gefchickter Oachahmer
älterer Kunit geweien. Rian erfuhr, dafj die Büite
zum Zweck des „Altwerdens“ jahrelang den athmos«
phärifchen Einilüiien ausgeietjt worden war. Das wäre
eine Beglaubigung geweien, wie iie ebenio lieber nicht
allen Kunitwerken zukommt, die in öffentlichen Samm«
lungen und bei Privaten zu linden find. Aber die
treffliche Beglaubigung iollte nicht gelten. Ausflüchte
über Ausflüchte wurden erionnen, um den „Lionardo“
zu retten. Richt einmal der Fund eines Stoffes aus
der Regierungszeit der Königin Viktoria im Innern
der Büite füllte etwas für die Entitehung der Büite
im 19. Jahrhundert beweiien, obwohl des Bildhauers
Sohn vorhergeiagt hatte, was man bei der Eröffnung
der Büite finden müiie* *). Was allen klar fein Iollte,
wurde noch immer verdreht und trüb gemacht. Die Ver«
*) Das Gutachten von Cecil Smith, über die
Stoffe aus dem Innern der Flora, iit abgedruckt in
„Daily IRail“ vom 30. Rovbr. 1909. Es lautet dahin,
dafj der Stoff „a portion of a woven coverlet of early
leidiger wuchien nur io aus dem Boden. Die Ahnungs«
vollen! Sie ipürten den Boden, in welchem Glückspilze
gedeihen, iie witterten die Lager niedriger Pflanzen,
aus denen io oft herrliches an die Oberfläche kommt.
Und wirklich: Profeiior Raehlmann wies nied«
rige Pflanzen im Anitrich, oder in Bemalung der
Florabüite nach. Raehlmanns mikrochemifche IRethode
iit, wie ich ohne jeden ironifchen Ton bemerke, eine
wertvolle Bereicherung der Wifienichait*). Aber iie iit
in ihrer Anwendung auf Gemäldekunde noch neu, iie
verfügt noch lange nicht über genügende Reihen von
einwandfreien Beobachtungen, um für kunftgefchicht-
liehe Zwecke ichon heute dienlich zu fein. Und in Be«
zug auf die Bemalung der F 10 r a b ü it e hat iich
Raehlmann jedenfalls ein wenig übereilt, wenn er
behauptet, fein mikrochemischer Befund „beweife" ein
höheres Alter der Büite, als iie es haben könnte,
wenn Lucas der Schöpfer wäre. Was hat nun Raehl«
mann auf der Büite vorgeiunden ? Es iit 0 r f e i 11 e,
der Jahrhunderte lang bekannte Farbitoff, der aus
Flechten bereitet wird (zumeiit aus der Roccella
tinctoria) und der vor der Erfindung und Verbreitung
der Anilinfarben überaus beliebt war. IRan kennt die
Orieille noch heute, und als ich mich vor kurzem an
die Wiener Firma Philipp Röder in der Angelegenheit
wandte, hatte ich am andern IRorgen eine Orieille-
probe auf dem Schreibtilch liegen. Gewifj hat iich der
Bildhauer Lucas im grofjen, induitriereichen London
von 1846 die Orieille ungefähr ebenio leicht verfchaifen
können, als ich es jüngit in Wien konnte. Und dazu be«
merke ich, dafj die Roccellailechte gerade in England und
Schottland lehr häufig iit, und dafj es zu den Zeiten als
Lucaserwieiener IRafjen die Büite bei iich im Atelier hatte,
im Handel noch keine Anilinfarben gegeben hat. Wie man
aus allen möglichen Rachfchlagebüchernunfchwer heraus«
linden kann, iit die Anilinfarbenfabrikation
erit in der zweiten Bälfte der 1850er Jahre
aufgekommen, auch wenn eine lange Reihe von
Veriuchen im Laboratorium ichon feit 1826 angeitellt
worden iit. Demnach kann erit von ungefähr 1860 an
ein allmähliges Verdrängen der alten Orieillefarben
durch die Anilinpigmente angenommen werden. Wenn
nun Lucas in der noch anilinfreien Zeit von 1840
feine Büite bemalen wollte, wenn er ihr ein altes
Ausfehen zu verleihen gedachte, wird er wohl nicht
die allgemein bekannten Ölfarben der Kunitmaler be«
nütjt haben, iondern Rlaterialien, die an Kunitwerken
weniger leicht zu erkennen find. Wer iollte es ihm
verwehrt oder widerraten haben, einen Farbitoff zu
wählen, der zwar nicht zu den ftändigen Beitand«
teilen der RIäIerpalette gehörte, aber ionit all«
bekannt war als Färbemittel. Iit es doch auch
ein Anderes, Bilder zu malen und Statuen zu poly-
chromieren. Ich mufs nach all’ dem, was über die
Victorian date“ iit. Abbildung in „The illustrated
London Rews“ vom 4. Dezember 1909.
*) In den Blättern für Gemäldekunde Bd. II.
S. 130 iit wenigitens im Allgemeinen darauf hinge«
wieien worden. — Reueitens hiezu auch „Technifche
Rlitteiluagen für Rlalerei" XXVI. Jahrg. Rr. 18.
Hiezu die Rotiz über Raehlmann in der Reuen freien
Prelle vom 22. Februar 1910 und meine eigene Rotiz
in denielben Blatt vom 23. Februar.
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Bd. VI.
Lionardo nieder zu ichreien, nieder zu kommandieren.
Die Beglaubigung als Werk des Lucas war die beite,
die man iich denken kann. Der Sohn des Bildhauers
hafte iich gemeldet, der nicht nur die Florabüite bei
ieinem Vater im Jahre 1846 hafte enfitehen iehen,
iondern der auch ielbif ITlifarbeifer an dieiem Werke
war. Als anregendes Vorbild hat nicht, wie behauptet
worden Hf, wieder eine Wachsbüite gedient, iondern
ein Gemälde, das irgendwie mit dem Kreiie Leo«
nardo’s zuiammenhängt. Eine zweite Büite der Flora
war nicht vorhanden, wie der jüngere Lucas mit Be-
itimmtheit angeben konnte.
[Der Streit begann im Oktober 1909, wozu man
die engliichen Cagesblätter, bald darauf die Berliner
und andere deutiche Zeitungen durchleben möge. Be-
ionders zu beachten die „Eimes“ vom 25. Oktober
1909, „Daily Rlail" vom 5., 9. und 30. Rovember,
„Che illuitrated London Lews" vom 30. Oktober,
„Che Eimes" vom 12., 18. und 25. Rovember. —
Unter den vielen Abbildungen feien hervorgehoben
die eriten im Burlington Rlagazine (ITlai 1909),
die in „Che illuitrated London Rews" (a. a. 0.)
und die vorzüglichen im Jahrbuch der königl.«preus«
siichen Kunitiammlungen. Im Dezember 1909 ichrieb
G. Pauli über die Bülte in den „Bremer nachrichten",
bald darauf in Seemann’s „Kunitchronik", wo auch
andere zur Sache das Wort ergriffen haben. Der „amt«
liehe Bericht" hat in dieiem Fall geringen Wert, da
er itatt über den Parteien zu itehen, von demielben
Kaiier Friedrich=üluieum ausgegeben worden iit, für
das man die Büite gekauft hat. — In den Süddeut«
iehen Illonatsheiten itand vor nicht langer Zeit ein
Artikel von Karl Voll (S. 231 ff.) Hiezu die Entgeg«
nung im Feuilleton der Frankfurter Zeitung vom 11.
Febr. 1910. Auf die Verteidigung im Beiblatt zum
Jahrbuch der kgl. preufjiiehen Kunitiammlungen vom
Dezember 1909 antwortete eine zutreffende Kritik
im Berliner Cagblatt vom 5. Dezember (Frif? Stahl),
ßiezu dasielbe Cageblatt vom 27. Dezember 1909.
neuerlich „Les Arts" vom Februar 1910.]
Hoch andere Zeugen iagten dahin aus, dafj die
Büite von R. E. Lucas dem engliichen Bild-
hauer herifamme, deiien Haupttätigkeit in die Zeit
um 1850 fiel und der ein gefchickter Oachahmer
älterer Kunit geweien. Rian erfuhr, dafj die Büite
zum Zweck des „Altwerdens“ jahrelang den athmos«
phärifchen Einilüiien ausgeietjt worden war. Das wäre
eine Beglaubigung geweien, wie iie ebenio lieber nicht
allen Kunitwerken zukommt, die in öffentlichen Samm«
lungen und bei Privaten zu linden find. Aber die
treffliche Beglaubigung iollte nicht gelten. Ausflüchte
über Ausflüchte wurden erionnen, um den „Lionardo“
zu retten. Richt einmal der Fund eines Stoffes aus
der Regierungszeit der Königin Viktoria im Innern
der Büite füllte etwas für die Entitehung der Büite
im 19. Jahrhundert beweiien, obwohl des Bildhauers
Sohn vorhergeiagt hatte, was man bei der Eröffnung
der Büite finden müiie* *). Was allen klar fein Iollte,
wurde noch immer verdreht und trüb gemacht. Die Ver«
*) Das Gutachten von Cecil Smith, über die
Stoffe aus dem Innern der Flora, iit abgedruckt in
„Daily IRail“ vom 30. Rovbr. 1909. Es lautet dahin,
dafj der Stoff „a portion of a woven coverlet of early
leidiger wuchien nur io aus dem Boden. Die Ahnungs«
vollen! Sie ipürten den Boden, in welchem Glückspilze
gedeihen, iie witterten die Lager niedriger Pflanzen,
aus denen io oft herrliches an die Oberfläche kommt.
Und wirklich: Profeiior Raehlmann wies nied«
rige Pflanzen im Anitrich, oder in Bemalung der
Florabüite nach. Raehlmanns mikrochemifche IRethode
iit, wie ich ohne jeden ironifchen Ton bemerke, eine
wertvolle Bereicherung der Wifienichait*). Aber iie iit
in ihrer Anwendung auf Gemäldekunde noch neu, iie
verfügt noch lange nicht über genügende Reihen von
einwandfreien Beobachtungen, um für kunftgefchicht-
liehe Zwecke ichon heute dienlich zu fein. Und in Be«
zug auf die Bemalung der F 10 r a b ü it e hat iich
Raehlmann jedenfalls ein wenig übereilt, wenn er
behauptet, fein mikrochemischer Befund „beweife" ein
höheres Alter der Büite, als iie es haben könnte,
wenn Lucas der Schöpfer wäre. Was hat nun Raehl«
mann auf der Büite vorgeiunden ? Es iit 0 r f e i 11 e,
der Jahrhunderte lang bekannte Farbitoff, der aus
Flechten bereitet wird (zumeiit aus der Roccella
tinctoria) und der vor der Erfindung und Verbreitung
der Anilinfarben überaus beliebt war. IRan kennt die
Orieille noch heute, und als ich mich vor kurzem an
die Wiener Firma Philipp Röder in der Angelegenheit
wandte, hatte ich am andern IRorgen eine Orieille-
probe auf dem Schreibtilch liegen. Gewifj hat iich der
Bildhauer Lucas im grofjen, induitriereichen London
von 1846 die Orieille ungefähr ebenio leicht verfchaifen
können, als ich es jüngit in Wien konnte. Und dazu be«
merke ich, dafj die Roccellailechte gerade in England und
Schottland lehr häufig iit, und dafj es zu den Zeiten als
Lucaserwieiener IRafjen die Büite bei iich im Atelier hatte,
im Handel noch keine Anilinfarben gegeben hat. Wie man
aus allen möglichen Rachfchlagebüchernunfchwer heraus«
linden kann, iit die Anilinfarbenfabrikation
erit in der zweiten Bälfte der 1850er Jahre
aufgekommen, auch wenn eine lange Reihe von
Veriuchen im Laboratorium ichon feit 1826 angeitellt
worden iit. Demnach kann erit von ungefähr 1860 an
ein allmähliges Verdrängen der alten Orieillefarben
durch die Anilinpigmente angenommen werden. Wenn
nun Lucas in der noch anilinfreien Zeit von 1840
feine Büite bemalen wollte, wenn er ihr ein altes
Ausfehen zu verleihen gedachte, wird er wohl nicht
die allgemein bekannten Ölfarben der Kunitmaler be«
nütjt haben, iondern Rlaterialien, die an Kunitwerken
weniger leicht zu erkennen find. Wer iollte es ihm
verwehrt oder widerraten haben, einen Farbitoff zu
wählen, der zwar nicht zu den ftändigen Beitand«
teilen der RIäIerpalette gehörte, aber ionit all«
bekannt war als Färbemittel. Iit es doch auch
ein Anderes, Bilder zu malen und Statuen zu poly-
chromieren. Ich mufs nach all’ dem, was über die
Victorian date“ iit. Abbildung in „The illustrated
London Rews“ vom 4. Dezember 1909.
*) In den Blättern für Gemäldekunde Bd. II.
S. 130 iit wenigitens im Allgemeinen darauf hinge«
wieien worden. — Reueitens hiezu auch „Technifche
Rlitteiluagen für Rlalerei" XXVI. Jahrg. Rr. 18.
Hiezu die Rotiz über Raehlmann in der Reuen freien
Prelle vom 22. Februar 1910 und meine eigene Rotiz
in denielben Blatt vom 23. Februar.