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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 6.1910/​1911

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Heft 2
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Bemerkungen zu Palma´s Adam und Eva in der Herzoglichen Galerie zu Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.57689#0046
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Seife 30 ••c=>**c=i©*<=2 Bläffer für Gemäldekunde. ••c=>»»c=^9»c=> Bd. VI.

Abhängigkeit Dürer’s von Palma oder um
die des Venezianers vom Deutschen? Dazu
füllten fichere Datierungen herangezogen
werden, beider ift nur Dürer’s Stich datiert
u. z. mit 1504. Um die Chronologie der
Arbeiten des Palma ift es fchlechf beftellf.
Das Sündenfallbild in Braunfchweig wird
von einigen als Jugendwerk, von anderen
als reife Schöpfung genommen. Für mich
unterliegt es keinem Zweifel, daß der
Künftler fchon fertig ausgebildet war, als er
das Wunderwerk fchuf. nichts Bellineskes
mehr in diefem Bilde. Palma lebte von
ungefähr 1480 bis in den Bochfommer 1528.
Das Sündenfallbild mag um 1510 mit der
oberen Grenze von 1512 entbanden fein.
(Diele Grenze wird noch zu befprechen
fein.) Jedenfalls fällt es fpäfer
als Dürers Stich, den Palma vielleicht
gekannt, den er aber gewiß n i ch t als
„V o r b i 1 d" benüßt hat. Bei einem Palma
vecdhio ftehf doch die Sache anders, als
bei kleinen, erfindungsarmen nachbildenden
Talenten, die fich, wie etwa ein ITlarc Anton,
Zoan Andrea, ein Giovanni Antonio da
Brescia, ein Giulio Campagnola entweder
kopierend oder entlehnend verhalfen haben.
Auch wenn man fich an die Benützung
DürerTcher ITlotive durch Andrea del Sarfo
erinnern will,4') ergibt fich daraus noch
keinerlei Pötigung, gerade beim Sünden*
fahbilde des Palma an Dürer zu denken.
Wie fchon angedeufef, waren beider Paturen
allzu verfchieden, um irgend welche freund*
fchaffliche Annäherung in künfflerifcher Be-
Ziehung annehmen zu können. Daß eine
perfönliche Annäherung ausgefchloffen war,

*) Zu den meift auffallenden Beifpielen von Ent-
lehnurigen aus Dürers Kunttbläftern gehört Giulio
Campagnolas Entführung des Ganymed durch den
Adler (Bartfeh Bd. XIII, S. 372 flr. 5, Paffavant Bd.
V. S. 164 flr. 4). Die fiandfchaft ift aus Dürers
üladonna mit der ffleerkatje genommen, um nicht zu
lagen geftohlen. Huf einem Bilde aus der Schule des
fllvise Vivarini wies Hudeln Entlehnungen aus
Dürer’fchen Stichen nach. Die Beeinfluffjng eines
Andrea del Sarto und Franciabigio in den Arbeiten
für den Ehioftro della Eompagnia dello Scalzo zu
Florenz ift durch H. Springer in weiten Kreifen bekannt
gemacht worden, näheres in Thaufing’s Dürer. (Ent-
lehnungen aus der Kupferftichpaffion und aus dem
ITlarienleben). Thaufing erörterte auch Hlarc=Hntons
flachftiche nach Dürer.

dürfte fich aus den Jahreszahlen ergeben,
die 1506 für Dürers Aufenthalt in Venedig
verzeichnen und die vermuten laffen, daß
Palma erft 1510 in Venedig anfäffig war.
Freilich konnte Palma auch fchon lange
vorher Venedig betucht haben und Dürers
Stich konnte dem Bergamasken auch in
feiner Heimat bekannt geworden fein. Be-
nüßt hat er ihn aber nicht. Flieht einmal
das mofiv des hereinragenden verhüllenden
Altes kann etwas dafür beweifen, daf? Palma
den Stich gefehen oder gar benüßt haben
müßte. Denn, wir haben davon fchon gehört,
dasfelbe ITlotiv dürfte dem Venezianer von
der ITlarmorgruppe an der Kante des Dogen*
palaftes her bekannt und geläufig gewefen
fein.
Als Ergebnis aller Vergleichungen
Hellt fich endlich heraus, daß augenfehein*
lieh keinerlei Beeinfluffung nach*
zuweifen ift, nicht von Dürer zu
Palma und nicht umgekehrt.
Poch möge die Frage nach dem Schöpfer
des Bildes einigermaßen erörtert werden.
Die Benennung „Giorgione" aus der fpäten
Zeit um 1766 hat begreiflicherweife gar
keine Bedeutung, da fie nach Allem was
zu ermitteln ift, nicht einer Überlieferung
fondern irgend einem Plißgriff entfprungen
ift. Plan kennt kein ficheres Werk des
Giorgione, das mit dem Bild in Braun*
fchweig ffiliftifch nahe verwandt wäre. Auch
die Venus in Dresden, die als analoger
Typus genannt worden ift (bei B.) hat nur
den allgemein venezianifchen Charakter mit
der Eva gemeinfam. Aber der ältere
P a 1 m a bietet fo viele Gefichtstypen und
Geftaltungen, die an das Braunfchweiger
Bild erinnern, daß die Benennung4'): Palma,
heute fchon allgemein anerkannt wird. Wie
es fcheinf, war Baron Rumohr der erfte,
der hier Palma genannt hafte. 5. Riegels
Arbeiten über die Braunfchweiger Galerie
nehmen das an unter Hinweis auf Rumohrs
„Drey Reifen" von 1832. In den neueren
Handbüchern ftehf das Bild allenthalben als

*) Hm mellten überzeugen mich die Vergleichungen
der Evafigur zu Braunfchweig mit der Helena auf
dem Dreibilde des Palma in der Brera zu Ulailand
(flr. 179) und mit der Santa üueia auf dem Altarbild
in Santo Stefano zu Vicenza.
 
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